Joachim Kardinal Meiser ist tot. Der umstrittene ehemalige Kölner Erzbischof hinterlässt die Schicksalsfrage der Römisch-katholischen Kirche: Wann wird Gradlinigkeit zur Unbeweglichkeit?
Joachim Kardinal Meisner. By © Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons), CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=31843952Sein Blick hat etwas Gütliches. Seine Augen funkeln verschmitzt. Das soll ein konservativer Hardliner sein, einer der umstrittensten Kirchenmänner der Nachkriegszeit? Joachim Kardinal Meisner, der heute friedlich eingeschlafen ist, war eine schillernde Persönlichkeit, ein fest im Glauben stehender Priester mit unverrückbaren Prinzipien – und ein harter Hund: "Wachhund Gottes" hat er sich selbst genannt . Hat Gott einen Wachhund nötig? Gebellt hat Joachim Kardinal Meisner jedenfalls kräftig. Nie hat er ein Blatt vor den Mund genommen, um für seine Überzeugungen zu kämpfen. Damit hat er eine bewundernswerte Gradlinigkeit an den Tag gelegt, aber auch eine selbst auferlegte Unbeweglichkeit...
Joachim Kardinal Meisner hat von sich gesagt, er rede nur Gott nach dem Mund. Das ist sicher ein gesundes Amtsverständnis für einen der einflussreichsten Kirchenfürsten der vergangenen Jahrzehnte. Und dass er so beharrlich auf seinen Positionen gepocht hat, ist für viele gläubige Katholiken auf der Suche nach Halt und Haltung eine Wohltat gewesen. Meisner hat fast vier Jahrzehnte als Bischof gewirkt (in Erfurt, im Osten Berlins und in Köln). Er hat eine Kirche verkörpert und geschützt, die in Jahrhunderten denkt und nicht in Legislaturperioden. In gewisser Weise war Joachim Kardinal Meisner sogar dem Zeitgeist überlegen, weil er ihn eher wie eine Modeerscheinung gesehen hat. In dieser Überlegenheit konnte Joachim Kardinal Meisner unerbittlich sein und hart sein, auch gegen sich selbst. Zum Amtsantritt in Köln hat er dem Domkapitel gesagt: "Sie wollten mich nicht und ich wollte Sie nicht!" Trotzdem, das ist seine versöhnliche und liebenswerte Seite gewesen, hat er hart an sich gearbeitet und um seine Gemeinde geworben, um die Pflicht- zu einer rheinische Liebesehe reifen zu lassen. Ganz hat das nie geklappt. Zu dogmatisch hat Meisner auch an Positionen festgehalten, er hätte modifizieren können, ohne sein Gesicht zu verlieren (Stichwort Schwangerschaftsberatung). Viele seine Bemerkungen waren bissig und verletzend – ganz die eines Wachhundes eben. Wunden werden bleiben, aber auch ein Lebenswerk für die Römisch-katholische Kirche, das einer Kathedrale gleicht, die nie ganz fertig werden kann. Denn die drängendste Frage hinterlässt Joachim Kardinal Meisner: Wann erstarrt Gradlinigkeit in Unbeweglichkeit?