Nachrichten aus dem kapitalistischen Paralleluniversum

Jetzt ist wieder CeBIT in Hannover und Geschäftsleute, Politiker und Medien überschlagen sich, um die wunderbare Erfindung der Kommunikation bzw. der ganzen Technik drumherum mit all ihren Vorzügen anzupreisen. Zum Beispiel das Internet. Ganz fantastische Sache: Das bringe die Leute zusammen und sorge sogar für eine gewisse Kontrolle über die sozialen Verhältnisse in der Welt. Damit sind übrigens nicht die Datenvorratsspeicherung oder ähnliche Stasi-2.0-Projekte gemeint, die ja auch ein vorzügliches Kontrollelement sein könnten, sondern die Tatsache, dass sich die Leute per Internet ungehindert austauschen könnten und somit eine allzu krasse Ungleichheit vermieden werden könne – genauso wie auch politische Indoktrination dank Internet nicht mehr so einfach sei. So kann man das natürlich auch sehen.

Ich persönlich denke eher, dass es sich dabei wieder um typisch freiheitlich-marktwirtschaftliche Propaganda handelt. Die Tunesier haben doch keinen Aufstand gemacht, weil sie Internet haben und Facebook nutzen, sondern weil sie die Nase voll hatten von Ben Ali. Und in Ägypten gingen die Leute erst recht auf die Straße, nachdem ihnen die Mubarak-Regierung in eklatanter Verkennung der Lage das Internet ausgeknipst hatte. Die Leute mussten dann ja raus gehen, um zu erfahren was los war. Und aus dem Marsch der Tausenden wurde der Marsch der Millionen. Die Ostdeutschen haben das vor gut 20 Jahren übrigens noch komplett ohne Handy und Internet hingekriegt. Ob die Ossis heute mit dem, was sie da bei ihren Montagsdemos losgetreten haben, glücklich sind, steht auf einem anderen Blatt.

Und auch die Idee, das Internet sei ein Instrument gegen Ungleichheit und Ungerechtigkeit – ich weiß nicht, wer es gesagt hat, ich war noch nicht ganz wach heute Morgen und hab nur mit halben Ohr Deutschlandfunk gehört. Aber als ich das hörte, dachte ich spontan: „Was ist denn das für ein Unsinn?!“

Gerade seit es das Internet gibt, hat die ungleiche Verteilung von allem weltweit rasant zu genommen, die Verarmung immer größerer Anteile der Weltbevölkerung beschleunigt sich und die Gewinne der anderen steigen in nie gekannten Dimensionen. Und das Internet hilft dabei tüchtig mit, denn ohne diese Informationsinfrastruktur könnte diese ganze kapitalistische Finanzmafia ihre rasanten Geschäfte gar nicht abwickeln. Das Internet hat die Globalisierung mit all ihren negativen Auswirkungen auf die Menschen enorm beschleunigt – Just-in-Time-Produktion, Callcenter in Irland oder Indien, die totale Konkurrenz von allem und jedem – klar, das sorgt schon für soziale Kontrolle, aber nicht so, wie naive Demokratie- und Freiheitsfetischisten sich das vorstellen, wenn sie auf Youtube die Bilder von der letzten Stuttgart-21-Demo anschauen.

Das Internet ist nicht nur WikiLeaks, sondern auch Kinderporno und Abzockfalle. Das Internet ist nicht nur Informationsmedium, sondern auch Propagandainstrument, nicht nur Mittel der Teilhabe und Emanzipation, sondern es schafft auch Abhängigkeiten und sorgt für Unterdrückung. Das Internet ist ein Misthaufen, wie der Computerpionier und Gesellschaftskritiker Joseph Weizenbaum es auf den Punkt brachte.

Oder noch anders, aber nicht weniger treffend: „Das Internet ist ein kapitalistisches Paralleluniversum.“ Das hat kein verschrobener Freak gesagt, sondern Frank Schirrmacher, der Herausgeber der konservativen FAZ. Ich bin ja sonst kein Fan seiner Thesen, aber da hat er einfach mal recht.



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