Idiot, Arschloch, Versager – heute schon beleidigt worden?
Nicht nur in der Politik sind Beleidigungen an der Tagesordnung und fast schon ein Kavaliersdelikt. Gerade schmetterte das Bundesverfassungsgericht die Klage der NPD ab: Joachim Gauck darf die Anhänger der Partei als „Spinner“ bezeichnen.
WAS IST WAS?
► Beleidigung: Wenn die persönliche Ehre missachtet und verletzt wird, ist eine Äußerung eine Beleidigung (§ 185 StGB). Es droht eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe (Höhe errechnet sich aus dem Einkommen des Täters).
Beleidigen kann man nicht nur mit Worten, auch mit Gesten. Wer mit einer Tätlichkeit (z. B. Anspucken) beleidigt, wird noch härter bestraft (bis zu zwei Jahre Haft).
► Üble Nachrede: Eine herabwürdigende Tatsachenbehauptung über einen anderen, deren Wahrheitsgehalt nicht nachweisbar wahr ist, gilt als üble Nachrede (§ 186 StGB, bis zwei Jahre Haft oder Geldstrafe).
► Verleumdung: Ist klar, dass die Behauptung falsch ist, gilt sie als Verleumdung (§ 187 StGB, bis fünf Jahre Haft oder Geldstrafe).
Generell gilt: Kommt es zusätzlich zu einer schwerwiegenden Persönlichkeitsverletzung, hat der Geschädigte auch noch Anspruch auf Schmerzensgeld (LG Bonn, Az.: 6 T 17/10).
JOB
Urteil: Ein Arbeitnehmer darf seinen Chef nicht als „faulen Sack“ bezeichnen.
Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main urteilte: Diese Beleidigung rechtfertige zwar keine fristlose Kündigung, aber eine fristgerechte Entlassung (Az.: 7 Ca 9327/07).
Darf mich mein Chef „Idiot“ nennen?
Nein! Auch wenn im Betrieb ein rauer Umgangston herrscht, müssen respektvolle Umgangsformen gewahrt bleiben.
Ist „altes Arschloch“ angemessen?
Kommt darauf an. Das Landesarbeitsgericht Köln urteilte: Ein Sozialarbeiter darf seinen Vorgesetzten, mit dem er ein Vertrautheitsverhältnis hat und den er duzt, als „altes Arschloch“ bezeichnen.
Das sei kein Ausdruck einer schweren Beleidigung, sondern lediglich ein Anzeichen dafür, dass sich die beiden „auseinandergelebt haben“.
Der Sozialarbeiter darf nicht fristlos entlassen werden, aber abgemahnt (Az.: 10 Sa 337/96). Ähnliches gilt für Beschimpfungen wie „Miststück“ oder „Schlampe“. Hier urteilte das Amtsgericht Köln zugunsten eines Angetrunkenen (Az.: 210 C 148/98).
Darf ich nach Feierabend mit Kollegen über den Chef lästern?
Ja! Sie müssen deshalb keine Kündigung befürchten.
Die „vertrauliche Kommunikation in der Privatsphäre“ ist Ausdruck der Persönlichkeit und wird von den Grundrechten gewährleistet (BAG, Az.: 2 AZR 534/08).
Fast jeder kennt es – fast jeder tut es: Lästern über Kollegen, Lästern über den Chef
Kann ich wegen Pöbel-Attacken gefeuert werden?
Ja! Aber fristlos nur in Extremfällen (Morddrohung/Tätlichkeit).
In der Regel muss Ihr Chef Sie zuerst abmahnen. Pöbeln Sie dennoch weiter, droht eine ordentliche Kündigung.
BEAMTE
Urteil: Ein Polizist darf nicht als Clown tituliert werden.
Das Kammergericht Berlin urteilte: Ein „Clown“ sei gleichzusetzen mit einem „Spaßmacher und Hanswurst“, also einem „dummen, sich lächerlich machenden Menschen“.
Strafe in diesem Fall: 225 Euro (Az.: (4) 1 Ss 93/04 – 91/04).
Gelten gegenüber Beamten (etwa Polizisten) besonders strenge Beleidigungs-Richtlinien?
Nein. Wer einen Beamten beleidigt, begeht dieselbe Straftat wie bei einer anderen Person. Das heißt aber auch, dass sich Beamte durch ihren Job nicht automatisch mehr gefallen lassen müssen.
Darf man Polizisten „Bullen“ nennen?
Ja. Solange es nicht als Beleidigung gemeint ist. Das Amtsgericht in Augsburg urteilte zugunsten eines 29-Jährigen. Der Begriff wäre inzwischen Teil der Umgangssprache, also keine straffähige Beleidigung.
Kann ein Beamter direkt bestrafen?
Nein! Eine Politesse kann Ihnen z. B. nicht gleich einen Strafzettel ausstellen.
Auch sie muss erst eine Anzeige machen. Aber: Ein Jobcenter-Mitarbeiter kann Sie z. B. aus dem Amt verweisen, wenn Sie ihn beleidigen, denn hier hat er das Hausrecht.
Was mache ich, wenn ich nicht „Idiot“ genannt werden möchte?
Egal ob im Job, im Netz oder im Straßenverkehr – eine Beleidigung müssen Sie sich nicht gefallen lassen.
Das Wichtigste: Um gegen Pöbeleien vorzugehen, sollten Sie Ihre Anschuldigungen beweisen können. Sichern Sie beleidigende Post oder Beiträge im Netz oder suchen Sie sich Zeugen.
Wenn Sie eine Person anzeigen wollen, können Sie das bei der Polizei oder der Staatsanwaltschaft machen.
STRASSENVERKEHR
Urteil: Provozierter „Stinkefinger“ hat keine Folgen. Das Amtsgericht Pinneberg urteilte: Für einen „Stinkefinger“ gibt es kein Schmerzensgeld. In diesem Fall hatten sich die Streithähne gegenseitig provoziert, das Gericht sah in der Geste daher keine Beleidigung mehr. (Az.: 63 C 124/02).
Zeigte nicht nur im Straßenverkehr große Wirkung.
Einen Unfallgegner zu ohrfeigen, sei auf jeden Fall eine „überzogene“ Reaktion urteilte das Amtsgericht Frankfurt (31 C 4185/93-16).
Es räumt dem Täter jedoch einen 50-prozentigen Rabatt auf das ansonsten übliche Schmerzensgeld von 600 Euro ein.
Der Mann war nach nach einem Unfall ausgestiegen und hatte die Fahrerin des anderen Fahrzeugs geschlagen, nachdem sie ihm den „Stinkefinger“ gezeigt hatte.
Darf man Fahrer „Parkplatzschwein“ nennen?
Ja. Diese Bezeichnung wollte der Fahrer eines Geldtransporters nicht hinnehmen – musste es aber. Er hatte ohne Berechtigung auf einem Behindertenparkplatz gestanden. Ein Zeuge machte ein Foto, bezeichnete ihn auf einem Zettel an der Windschutzscheibe als „Parkplatzschwein“ und veröffentliche das Bild im Internet.
Das Amtsgericht Rostock (Az.: 46 C 186/12) urteilte: Wer unbefugt einen Behindertenparkplatz blockiere, dürfe so genannt werden.
Drohen mir bei Beleidigungen im Straßenverkehr Punkte in Flensburg?
Nein, nicht mehr. Denn mit der Punktereform sind Ordnungswidrigkeiten und Straftaten, die keine Bedeutung für die Verkehrssicherheit haben, punktefrei geworden – z. B. Beleidigung. Vor dem 1. Mai drohten hier noch stolze fünf Punkte.
Dürfen sich Taxifahrer „am Arsch lecken“ lassen?
Im schwäbischen Ehingen schon. Dort hatte ein Taxifahrer mit dem bekannten Ausspruch einen Fahrauftrag abgelehnt. Das Amtsgericht Ehingen urteilte: Die Aufforderung sei im schwäbischen Sprachgebrauch keine strafbare Beleidigung (Az.: 2Cs 36 Js 7167/09), sondern als „Zurückweisung einer als Zumutung empfundenen Bitte gesellschaftlich akzeptiert“.
SOZIALE NETZWERKE
Urteil: Eine frisch geschiedene Ehefrau darf auf Facebook nicht schreiben: „Rechnung vom Anwalt bekommen – 3500 Euro für ’ne blöde Scheidung. Frage mich, ob ein Auftragskiller nicht preiswerter wäre …“
Das Amtsgericht Bergisch Gladbach urteilte: Diese Äußerungen seien „ein Angriff auf die Ehre“ des Mannes, sie seien nicht humoristisch und stark überzeichnet. (Az.: 60 C 37/11).
Nirgends wird soviel gepöbelt, gemobbt, beleidigt und gelästert wie in den „sozialen“ Netzwerken
Gelten für Beleidigungen im Alltag und via Facebook dieselben Regeln?
Ja, auch in sozialen Netzwerken oder Foren sind Beleidigungen strafbar.
Das Problem: Beleidigungen können im Netz komplexer sein (Fotomontage, falsche Identitäten).