Muli-Mamas innerer Taschenkampf

Als Nummer 1 vor sechs eingeschult wurde, sagte mir die Klassenlehrerin:

“Eine meiner Prioritäten ist die Selbstständigkeit der Kinder. Bitte erinnern sie ihre Tochter nur anfangs an den Turnbeutel. Wenn sie ihn dauernd vergisst, dann sitzt sie auch dauernd auf der Bank und das wird sie sich merken. Sie müssen also nicht von zu Hause aus darauf achten – das ist eine meiner Aufgaben als Lehrerin und gehört zu den Kompetenzen, die Schüler entwickeln sollten.

Und bitte, bitte tragen sie ihr nicht die Schultasche. Diese ist Bestandteil der Schule und gehört schon quasi symbolisch auf den Rücken der Schülerinnen und Schüler. Hat ihre Mutter die Tasche für sie getragen? Nein? Meine auch nicht – und das war gut so. Sie hat mich selten daran erinnert, dass ich Hausaufgaben machen oder für eine Klassenarbeit lernen muss. Das waren meine Aufgaben und ich habe sie allein gemacht. Wenn ich Hilfe brauchte, dann war meine Mutter stets zur Stelle. Meist war ich aber einfach stolz, es selbst zu schaffen. Und dieses schöne, selbstbewusste Gefühl der Selbstständigkeit nehmen wir unseren Kindern, wenn wir sie so lange wie möglich wie Kleinkinder behandeln.”

Letzteres macht man eh nur für sein eigenes Gefühl und nicht wirklich für das Kind. Darin wurden wir uns während des Gesprächs schnell einig.

Freitag musste ich an diese Lehrerin denken.

Ich fuhr im Auto an einer Mutter vorbei, die ihren vielleicht siebenjährigen Sohn von der Schule abgeholt hatte. Da lief sie nun – in der linken Hand eine Einkaufstüte, in der Rechten ein Sechserpack Getränkeflaschen und auf dem Rücken was? Na, die Schultasche des Jungen. Der hopste vergnügt und verträumt durch die Fußgängerzone und wurde von ihr immer wieder zu sich gerufen – die beiden hatten es wohl eilig.

Typische Szene der von mir persönlich gehassten Kategorie “die Muli-Mama”. Ich hasse das ja schon, wenn ich Einkäufe ‘reinschleppe und dabei über die Katzen stolpere, während die diversen Kinder auf mich einreden. Oder wenn ich auf der rechten Schulter Nummer 4s Rucksack, links meine Handtasche und auf dem Arm Nummer 4 bugsiere, um zum Auto zu kommen, damit ich ihn zur Tagesmutter fahren kann.

Aber die Idee, ich buckle auch noch die Schultasche, die kam mir zum Glück nicht wirklich. Beziehungsweise ich habe sie ganz schnell verdrängt, entgegen eines gewissen moralischen Herdentriebs. War anstrengend, vermutlich wäre das Schleppen einfacher gewesen als meine doofe Prinzipienreiterei …

ich kenne ja einiges: Baby in der Seitentrage und vier Mal täglich die 90 Altbaustufen rauf und runter – damals mit Nummer 3. So habe ich die beiden Größeren zum Kindergarten gebracht und abgeholt. Auf dem Rückweg brachte ich dann öfter mal noch einen kleinen Einkauf mit. Da hätte ich mir ja die Kindergartentaschen noch an die Ohren hängen können, oder? So als wandelnder Christbaum – wäre sicher ein richtiger Ego-Boost gewesen …

Neulich sah ich diese Fotostrecke. Nachgestellte körperliche Leistungen von Müttern im Alltag. In einer Turnhalle waren so wie im Sportunterricht aus Kästen Treppen nachgebaut und eine Frau zerrte beispielsweise einen mit einem Medizinball beladenen Kinderwagen da hoch, während sie im Arm einen weiteren Ball trug.

Zu den Foto gab es Tipps einer Expertin dazu, wie man sich in diesen Situationen körperlich zumindest ein bisschen entlasten könne. So etwas wie: “Nach dem Hochzerren des Kinderwagens erst mal das Kleinkind vom Arm und ein paar Dehnübungen für den Rücken machen”. Ich sehe mich seitdem immer wieder um, aber turnende Mamas, die Rücken und Nerven retten wollen, habe ich noch nicht entdeckt. Falls so ein Kleinkind der sich gerade etwas entlastenden Mutter mir mal entgegenrennt, weil sie es ja turnend nicht gut betreuen kann, dann fange ich es und bringe es ihr. Versprochen.

Ich sehe so etwas oft und habe es, wie viele meiner Berufskolleginnen auch selber oft erlebt. Mir geht das aber echt auf den Geist, diese Geschleppe. Ich fühle mich echt wie ein Muli und so nenne ich das auch. Es ist nicht einer der Bestandteile meiner Lebensaufgabe hier, den ich wirklich mag.

Schlimm genug, dass man nicht drumherum kommt, manchmal das kleine Lastentier zu spielen, aber nicht auch noch mit Schul- und Kindergartentaschen.

Man darf seinen Kindern durchaus etwas Angemessenes zumuten. Ein Bild ausgebeuteter Kinderarbeiter im pakistanischen Steinbruch sollte man gleich aus dem Kopf verbannen – denn das ist nicht, was unser Nachwuchs durchmachen muss, wenn er seine Plünnen selber trägt. Sondern er bekommt ein Recht zugestanden: Das Recht auf Selbstständigkeit.

Ganz gleich, was ich alles über verschiedene Grundschullehrerinnen schrieb oder noch schreiben könnte: Dieses erste mir begegnende Exemplar fand ich formidabel. Liebevoll und zugleich vernunftbetont. Aufmerksam und pädagogisch angenehm versiert. Ohne Getüdel und Heckmeck. Perfekt.



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