Morrissey
„Low In High School“
(BMG)
Was ist denn da bloß passiert? Wie konnte es soweit kommen? Und wo fangen wir an? Eigentlich sollte man ja froh sein, daß überhaupt eine weitere Platte des alten Mozzers erschienen ist, denn klar war ja nicht einmal das. Ärger mit dem Label, Trouble auf der Tour, gesundheitliche Probleme, viel hätte nicht gefehlt und das bislang elfte Album von Steven Patrick Morrissey wäre auf lange Sicht ein unbekanntes geblieben. Nun gibt es allerdings nicht wenige, die sich in Kenntnis des neuen Werkes fragen: Wäre das so schlimm gewesen? Statt den Künstler nach eingehender Materialprüfung vorsichtig darauf hinzuweisen, daß er sich mit der Veröffentlichung keinen großen Gefallen tut, prahlt BMG als neuer Vertragspartner lieber von den enormen Fähigkeiten des Mannes und behauptet glatt, das größte Verdienst Morrisseys bestände aktuell darin, daß er den Zeitgeist einer sich ständig verändernden Welt erfasse. Wie bitte!? Den Zeitgeist? Vom ehemals scharfzüngigsten, wortgewaltigsten Verweigerungspoeten im Staate Cool Britannia zum – echt jetzt? – Zeitgeist-Seismographen? Wäre das so, wir müßten Trauer tragen.
Leider aber kommt es in Summe noch viel schlimmer. Man muß sich ja nicht gleich die niederschmetternde Kritik des NME zu eigen machen, der behauptet, es gäbe auf dem Album nur schwülstige Liebes- und kindische Antikriegslieder – Morrissey und die Musikzeitschrift sind seit Jahrzehnten in fast schon legendärer Abneigung verbunden. Aber auch ohne die Hasskappe läßt sich recht schnell erkennen, wie dünn und inspirationsarm die Platte geraten ist und wie sehr sich der einst so hoch gelobte Meister der feinen Klinge diesmal vergaloppiert hat. Beginnen wir der Einfachheit halber beim Cover: Axe the Monarchy. Ach Gottchen! Was vor Zeiten noch provokant und böse war, klingt heute seltsam altbacken und mau. Die Briten haben gerade weiß Gott andere Sorgen als ein folkloristisch anmutendes Königshaus und seine herzigen Hauptdarsteller, mit derartigen Parolen läßt sich die gravierende soziale Schieflage und gesellschaftliche Erosion der einst so stolzen Nation wohl kaum nachhaltig bekämpfen.
Weiter zum Sound. Irgendwer hat Morrissey wohl gesteckt, daß fett spotzende Synthesizer, pathetische Choräle und dramatische Bläsersätze noch immer ganz schwer im Trend liegen, entsprechend großzügig ist er dann zusammen mit Produzent Joe Chiccarelli (der auch schon den mäßigen Vorgänger zu verantworten hatte), damit zu Werke gegangen. Grundsätzlich ist ja gegen Klangvielfalt und mutige Stilkombis absolut nichts einzuwenden, kommen sie aber so beliebig wie hier daher, werden sie vom Segen zur Plage. Kaum etwas, das sich auf Dauer im Ohr festhakt, selbstmitleidig trübes Balladieren wechselt mit breitbeinig rockenden, maßlos aufgepimpten Krawallstücken samt Laibach-Fanfaren, einzig ein paar ChaCha-Rhythmen und leichtfüßige Schwünge lassen sich als Ausnahme von der Regel heraushören. Der Rest schwankt zwischen stampfender Ideenlosigkeit und allzu lieblicher Schmachterei.
So krude der Sound, so krude leider auch die Lyrik. An die eigene Empfehlung „World Peace Is None Of Your Business“ hat sich Morrissey diesmal leider nicht gehalten, mehr noch, seine seltsam fatalistischen, ja populistischen Wortmeldungen sind ziemlich schwer zu ertragen. An die ermüdende Klage über fehlendes Heimatgefühl („Home Is A Question Mark“) hat man sich ja mittlerweile gewöhnt, doch was soll man von Zeilen wie den folgenden halten: „Hört auf, die Nachrichten zu sehen. Weil die Nachrichten euch Angst einjagen wollen, ihr euch klein und allein fühlt und das Gefühl bekommt, eure Gedanken wären nicht eure eigenen“ („Spend The Day In Bed“)? Über eine Jugend, die der politischen Meinungsbildung lebewohl sagt, muß sich jedenfalls nicht wundern, wer munter Zeilen trällert wie „All the young people they must fall in love, presidents come, presidents go and oh look at the damage they do.“
Natürlich ist es aller Ehren wert, sich mit dem Thema Holocaust auseinanderzusetzen, er tut das bei „The Girl From Tel-Aviv Who Wouldn‘t Kneel“ mit Bezug auf die Tagebücher der holländisch-jüdischen Lehrerin Etty Hillesum, die 1943 in Auschwitz umgebracht wurde. Der positive Eindruck relativiert sich allerdings durch die unkritische Art, mit der er später dem Staate Israel den Neid der anderen ins selbstgerechte Poesiealbum schreibt („Israel“), so daß der der Jewisch Cronicle schon stolz schwärmt, es handle sich hier um eine „pro-zionistische Ballade“? Man weiß nicht so recht, was ihn antreibt. Was so toll und unterhaltsam am Brexit ist („Jackys Only Happy When She’s Up On The Stage“) und warum jemand wie er platt und platter textet. Fast ist man geneigt, dem NME am Ende doch noch beizupflichten, Morrissey hätte den Kopf besser im Schoß belassen („In Your Lap“/“When You Open Your Legs“), als ihn zum Denken zu nutzen. Und ja, vor diesem Hintergrund mischt sich, wie die SZ gerade schreibt, auch unter liebgewonnene Gassenhauer wie „Irish Blood, English Heart“ manch schiefer Ton. Zurück bleibt leider das Bild des trotzigem Grantlers, der dem Zeitgeist huldigt, indem er sich selbst rechts überholt. Schade drum.
„Low In High School“
(BMG)
Was ist denn da bloß passiert? Wie konnte es soweit kommen? Und wo fangen wir an? Eigentlich sollte man ja froh sein, daß überhaupt eine weitere Platte des alten Mozzers erschienen ist, denn klar war ja nicht einmal das. Ärger mit dem Label, Trouble auf der Tour, gesundheitliche Probleme, viel hätte nicht gefehlt und das bislang elfte Album von Steven Patrick Morrissey wäre auf lange Sicht ein unbekanntes geblieben. Nun gibt es allerdings nicht wenige, die sich in Kenntnis des neuen Werkes fragen: Wäre das so schlimm gewesen? Statt den Künstler nach eingehender Materialprüfung vorsichtig darauf hinzuweisen, daß er sich mit der Veröffentlichung keinen großen Gefallen tut, prahlt BMG als neuer Vertragspartner lieber von den enormen Fähigkeiten des Mannes und behauptet glatt, das größte Verdienst Morrisseys bestände aktuell darin, daß er den Zeitgeist einer sich ständig verändernden Welt erfasse. Wie bitte!? Den Zeitgeist? Vom ehemals scharfzüngigsten, wortgewaltigsten Verweigerungspoeten im Staate Cool Britannia zum – echt jetzt? – Zeitgeist-Seismographen? Wäre das so, wir müßten Trauer tragen.
Leider aber kommt es in Summe noch viel schlimmer. Man muß sich ja nicht gleich die niederschmetternde Kritik des NME zu eigen machen, der behauptet, es gäbe auf dem Album nur schwülstige Liebes- und kindische Antikriegslieder – Morrissey und die Musikzeitschrift sind seit Jahrzehnten in fast schon legendärer Abneigung verbunden. Aber auch ohne die Hasskappe läßt sich recht schnell erkennen, wie dünn und inspirationsarm die Platte geraten ist und wie sehr sich der einst so hoch gelobte Meister der feinen Klinge diesmal vergaloppiert hat. Beginnen wir der Einfachheit halber beim Cover: Axe the Monarchy. Ach Gottchen! Was vor Zeiten noch provokant und böse war, klingt heute seltsam altbacken und mau. Die Briten haben gerade weiß Gott andere Sorgen als ein folkloristisch anmutendes Königshaus und seine herzigen Hauptdarsteller, mit derartigen Parolen läßt sich die gravierende soziale Schieflage und gesellschaftliche Erosion der einst so stolzen Nation wohl kaum nachhaltig bekämpfen.
Weiter zum Sound. Irgendwer hat Morrissey wohl gesteckt, daß fett spotzende Synthesizer, pathetische Choräle und dramatische Bläsersätze noch immer ganz schwer im Trend liegen, entsprechend großzügig ist er dann zusammen mit Produzent Joe Chiccarelli (der auch schon den mäßigen Vorgänger zu verantworten hatte), damit zu Werke gegangen. Grundsätzlich ist ja gegen Klangvielfalt und mutige Stilkombis absolut nichts einzuwenden, kommen sie aber so beliebig wie hier daher, werden sie vom Segen zur Plage. Kaum etwas, das sich auf Dauer im Ohr festhakt, selbstmitleidig trübes Balladieren wechselt mit breitbeinig rockenden, maßlos aufgepimpten Krawallstücken samt Laibach-Fanfaren, einzig ein paar ChaCha-Rhythmen und leichtfüßige Schwünge lassen sich als Ausnahme von der Regel heraushören. Der Rest schwankt zwischen stampfender Ideenlosigkeit und allzu lieblicher Schmachterei.
So krude der Sound, so krude leider auch die Lyrik. An die eigene Empfehlung „World Peace Is None Of Your Business“ hat sich Morrissey diesmal leider nicht gehalten, mehr noch, seine seltsam fatalistischen, ja populistischen Wortmeldungen sind ziemlich schwer zu ertragen. An die ermüdende Klage über fehlendes Heimatgefühl („Home Is A Question Mark“) hat man sich ja mittlerweile gewöhnt, doch was soll man von Zeilen wie den folgenden halten: „Hört auf, die Nachrichten zu sehen. Weil die Nachrichten euch Angst einjagen wollen, ihr euch klein und allein fühlt und das Gefühl bekommt, eure Gedanken wären nicht eure eigenen“ („Spend The Day In Bed“)? Über eine Jugend, die der politischen Meinungsbildung lebewohl sagt, muß sich jedenfalls nicht wundern, wer munter Zeilen trällert wie „All the young people they must fall in love, presidents come, presidents go and oh look at the damage they do.“
Natürlich ist es aller Ehren wert, sich mit dem Thema Holocaust auseinanderzusetzen, er tut das bei „The Girl From Tel-Aviv Who Wouldn‘t Kneel“ mit Bezug auf die Tagebücher der holländisch-jüdischen Lehrerin Etty Hillesum, die 1943 in Auschwitz umgebracht wurde. Der positive Eindruck relativiert sich allerdings durch die unkritische Art, mit der er später dem Staate Israel den Neid der anderen ins selbstgerechte Poesiealbum schreibt („Israel“), so daß der der Jewisch Cronicle schon stolz schwärmt, es handle sich hier um eine „pro-zionistische Ballade“? Man weiß nicht so recht, was ihn antreibt. Was so toll und unterhaltsam am Brexit ist („Jackys Only Happy When She’s Up On The Stage“) und warum jemand wie er platt und platter textet. Fast ist man geneigt, dem NME am Ende doch noch beizupflichten, Morrissey hätte den Kopf besser im Schoß belassen („In Your Lap“/“When You Open Your Legs“), als ihn zum Denken zu nutzen. Und ja, vor diesem Hintergrund mischt sich, wie die SZ gerade schreibt, auch unter liebgewonnene Gassenhauer wie „Irish Blood, English Heart“ manch schiefer Ton. Zurück bleibt leider das Bild des trotzigem Grantlers, der dem Zeitgeist huldigt, indem er sich selbst rechts überholt. Schade drum.