Morduntersuchungskommission – Ein Kriminalroman von Max Annas

Schon wieder ein neuer Beitrag!

morduntersuchungskommission

Morduntersuchungskommission – Mordermitlung in der DDR von Max Annas

Die Deutsche Demokratische Republik im Jahre 1983.
Oberleutnant Otto Castorp ist mit Leib und Seele Ermittler bei der Morduntersuchungskommission in Gera. Nach Feierabend geht er zum Fußball, trifft sich mit seinen Kollegen auf ein Bier oder verbringt seine Zeit mit seiner Frau und den drei Kindern. Er findet sogar genügend Zeit für nette Schäferstündchen mit Marion, seiner heimlichen Geliebten.

Er und seine Kollegen haben keinen großen Stress. Denn nach offizieller Lesart kann es im Sozialismus derartige Verbrechen, wie man sie aus dem Westen hört, gar nicht geben.
Dann wird an einer Bahnstrecke ein übel zugerichteter Toter entdeckt. Es handelt sich dabei um die sterblichen Überreste von Teo Macamo, ein sogenannter Vertragsarbeiter aus Mosambik.

Die Ermittlungen müssen aus Gründen der Staatsräson verdeckt erfolgen und werden aus den gleichen Gründen ein wenig später eingestellt.
Doch Otto Castorp gibt nicht auf und ermittelt eigenmächtig in dem nun als „Arbeitsunfall“ titulierten Mord.
Dabei kommt er einer Gruppe von Neonazis auf die Spur.
Dumm nur, dass es im sozialistischen System keine rassistischen oder nazistischen Gruppierungen geben darf.

Der Autor Max Annas

max annas

Max Annas (links) bei einer Lesung im Rahmen der Frankfurter Buchmesse 2019

Max Annas, Jahrgang 1963, arbeitete jahrelang als Journalist in Köln, bevor er sich der Schriftstellerei zuwandte. Er konnte zahlreiche Erfahrungen bei Auslandsaufenthalte in Südafrika sammeln, sowie in den 80er Jahren in der DDR.
Der vorliegende Kriminalroman Morduntersuchungskommission ist sein fünftes Buch. Für den 2016 erschienen Krimi Die Mauer erhielt er 2017 den Deutschen Krimi Preis.
Max Annas lebt nun in Berlin.
Diesen Autor habe ich bei einer Lesung im Rahmen der Frankfurter Buchmesse im Frankfurter Kriminalmuseum getroffen. Er ist mit Sicherheit ein Mensch, der viel zu erzählen hat.

Vertragsarbeiter in der DDR

Ab den 1960er Jahren holte sich die DDR sogenannte Vertragsarbeiter aus anderen „sozialistischen Brudervölkern“, wie zum Beispiel Ungarn, Polen, Angola oder Mosambik ins Land. Ähnlich wie die Gastarbeiter in der BRD halfen sie beim wirtschaftlichen Aufbau der Deutschen Demokratischen Republik. Kurz vor dem Mauerfall arbeiteten ca. 190.000 Vertragsarbeiter in der DDR.
Der Begriff selber wirkt bei näherem Hinsehen ein wenig höhnisch. Die Menschen aus Mosambik mussten laut einem Staatsvertrag auf diese Weise die Staatsschulden ihres Heimatlandes abarbeiten.

Morduntersuchungskommission – Meine Meinung

Ein reeler Hintergrund

Der hier beschriebene Mordfall basiert auf einem tatsächlichen Vorfall. 1986 wurde die zerstückelte Leiche des Mosambikaners Manuel Diogo ermordet. Die Tat konnte erst nach der Wende aufgeklärt werden, wobei bereits 1986 der rassistische Hintergrund bekannt gewesen war.
Solche Hintergründe machen jeden Roman plausibler, besonders wenn es sich um Kriminalromane handelt.

Mordermittlungen in der DDR

Zu DDR-Zeiten scheinen Mordermittlungen nach dem Staatsmotto: „Was es nicht geben darf, das gibt es auch nicht!“ abgelaufen zu sein. Obwohl bekanntlich das Böse ja immer und überall lauert, wollte man das Volk in einer vermeindlichen Sicherheit wiegen und die Unterschiede zu den Westsystemen herausarbeiten. So lässt Annas einen der Ermittler der Morduntersuchungskommission über die Zustände im kapitalistischen Westen verkünden:

„Die haben dort Verbrechen, weil sie jedes Individuum losschicken, um gegen alle anderen zu kämpfen. Wohin so was geführt hat, kann man ja sehen, wenn man mal ein Geschichsbuch liest. Unter F wie Faschismus.“

Das diese Grundhaltung utopisch ist, wurde negiert. Trotzdem sah man sich bereits 1971 gezwungen, in der DDR eine solche Diensteinheit zu gründen.

Der Ermittler Otto Casturp von der Mordermittlungskommission

Max Annas lässt seinen Protagonisten Otto Casturp ruhig und bedächtig ermitteln. Immer unterstützt von erschreckend vielen Zigaretten und etlichen Bierchen erscheint er aber nicht wie ein körperliches und seelisches Wrack, wie man sie so häufig in skandinavischen Krimis und Thrillern liest. Die Balance zwischen Geliebten und seiner Rolle als treusorgender Ehemann und Vater scheint ihm noch zu gelingen.
Als er beschließt, den Mord an Teo Macamo auf eigene Faust aufzuklären, ist er wie getrieben von dieser Aufgabe. Der Umstand, dass er den Schuldigen zwar findet, ihn aber nicht den Behörden übergeben darf und somit der Mord als unaufgeklärt und ungesühnt bleiben wird, ist wirklich ungeheuerlich.
Die Erklärung, die ihm sein Bruder Bodo, ein verdienter Mann der Stasi, zum Neonazismus in der DDR und BRD liefert, lässt einen ungläubig staunen. Tatsächlich wurde dies damals so gehandhabt wie hier beschrieben.

Die Szenen im letzten Kapitel, in denen Casturp fast schon einem Amokläufer gleicht, könnte man psychologisch analysieren.
Max Annas lässt einem mit diesen Gedanken alleine. Wie so vieles andere, was in diesem Roman gesagt wird, wird nicht laut gesagt, gedacht oder gar geschrieben.

Ist Morduntersuchungskommission ein Regionalkrimi?

Die Kulisse von Morduntersuchungskommission kann man durchaus als außergewöhnlich bezeichnen. Kriminalromane, die in der DDR vor der Wiedervereinigung spielen, sind nach meinem Wissen äußerst selten. Und da hier auch noch sehr viel Lokalkolorit aus einer Gegend rund um Gera transponiert wird, könnte es sich natürlich auch um einen Regionalkrimi handeln.
Allerdings fehlt ihm hierfür die Leichtigkeit, die Belanglosigkeit irgendwelcher schrulliger Figuren vom Land oder aus dem Kiez. Auch in Regionalkrimis sind nicht zwingend frei von ernsten Hintergründen (siehe Grießnockerlaffäre von Rita Falk).
Aber in diesem Roman hat der Leser eindeutig weniger Grund zum Lachen.

Mein Fazit zu diesem Buch:

Morduntersuchungskommission ist ein interessanter Kriminalroman mit einem mittleren Spannungsverlauf. Die Erzählweise klingt irgendwie fast schon formell und wirkt ein wenig aus der Zeit gefallen. Der Handlungsverlauf ist sehr bedächtig und unaufgeregt und nicht unbedingt brutal spannend. Auch wenn mich dies ein wenig gestört hat, konnte ich seltsamerweise nicht mit dem Lesen aufhören.
Es war für mich als Wessi sehr interessant, etwas über den DDR-Alltag zu erfahren. Und die Tatsache, wie damals mit Neonazis umgegangen worden ist, lässt einem angesichts der momentanen politischen Lage in Deutschland fast das Blut in den Adern gefrieren.

Für wen wäre dieses Buch geeignet?

  • Alle Leser, die sich für das Leben in der damaligen DDR interessieren
  • Leser, die gerne Krimis lesen, die an außergewöhnlichen Schauplätzen spielen
  • Leser, die es bei Krimis nicht so herzzerreißend spannend und blutig mögen

Wem würde dieses Buch wahrscheinlich nicht gefallen?

  • Leser, die das alte DDR-System vermissen
  • Leser, die sich nicht mit rechtsextremistischen Tendenzen in Ost und West auseinandersetzen wollen
  • Liebhaber von hochtechnisierten und brutalen Krimis und Thrillern US-amerikanischer Machart

Bibliografisches

Bibliografisches zu dem Buch „Morduntersuchungskommission“

  • Titel: Morduntersuchungskommission
  • Autor: Max Annas
  • Gebundene Ausgabe: 352 Seiten
  • Verlag: Rowohlt Buchverlag; Auflage: 2. (23. Juli 2019)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3498001035
  • ISBN-13: 978-3498001032
  • Preis Stand Oktober 2019: 14,99 Euro (Kindle), 20,00 Euro (Gebundenes Buch), 23,23 Euro (Hörbuch, gesprochen von David Nathan)
  • Bestelllink Amazon

(Alle Angaben ohne Gewähr)


Kennt ihr Krimis oder Romane, die in der früheren DDR spielen? Und wenn nicht, würdet ihr einmal gerne solche Bücher (oder diesen Krimi) lesen?


Mit dieser Rezension beteilige ich mich an Daggis Buchchallenge 2019, Aufgabe 48: Lese ein Buch eines Autors, von dem Du noch kein Buch gelesen hast

morduntersuchungskommission
Alle Fotos: Morduntersuchungskommission – Ein Kriminalroman von Max Annas ©sabienes.de
Text: Morduntersuchungskommission – Ein Kriminalroman von Max Annas ©sabienes.de
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