Moonrise Kingdom

Trailer sind aus der Hölle. Früher hat man Trailer nur im Kino gesehen und zwar vor dem Hauptfilm. Da hat man eine Viertelstunde Werbung für Bier und Kartoffelchips ausgehalten, um dann mit Trailern zu den nächsten Filmen belohnt zu werden. Da gab es einen Trailer pro Film und der war meistens so blöde geschnitten, dass man überhaupt keinen zuverlässigen Eindruck vom beworbenen Film gewinnen konnte. Aber egal. Man wusste das Wichtigste, nämlich dass der Film demnächst im Kino laufen würde. Heute funktioniert das alles ein bisschen anders. Es gibt Teaser, Trailer, Clips und Spots und selbst Trailer feiern heute Premiere und werden vorher angeteast. Einige sind sehr kunstvoll und cool. Für meinen Geschmack zeigen Trailer aber heutzutage einfach zu viel, wenn nicht gar alles. Man guckt einen Trailer und hat alles sehenswerte gesehen. Man will aber gerne glauben, dass der komplette Film doch mehr zu bieten hat und guckt sich das Ding an. Dann kann man an den lustigsten Stellen nicht mehr lachen, weil man das schon aus dem Trailer kennt und die spektakulären Special-Effects wirken bereits veraltet. Der Trailer von „Moonrise Kingdom“ war supercool, was konsequenter Weise zu der Vermutung führen müsste, dass es der Film nicht mehr sein kann. Wirklich?
Irgendwann in den 60er Jahren gab es auf einer der zahllosen Inseln vor der Küste Neuenglands einen heftigen Sturm. Der Sturm gilt lange Zeit als schlimmstes Wetterextrem, welches die USA heimgesucht hat. Dieser Sturm spielt eigentlich nur eine kleine Rolle, bildet aber eine eindrucksvolle Kulisse für eine fantastische Abenteuergeschichte.
Sam ist ein Waisenjunge und verbringt den Sommer im Pfadfindercamp. Eines Morgens wird sein Verschwinden entdeckt. Sam hat seine Ausrüstung geschnappt, sich ein Kanu geklaut, einen Kündigungsbrief hinterlassen und sich aus dem Staub gemacht.
Der Sheriff der Insel wird sofort informiert und die Pfadfinder organisieren eine Suchaktion. Gleichzeitig wird das verschwinden eines weiteren Kindes festgestellt. Suzie hat ebenfalls einiges eingepackt und ist einfach verschwunden. Der Sheriff ist zwar ein bisschen beschränkt, kann sich aber ziemlich bald vorstellen, dass die beiden zusammen unterwegs sind. Wichtiger sind die Gründe für die Flucht. Sam ist der unbeliebteste Junge im Pfadfinderlager und keiner weiß so richtig warum. Seine Pflegefamilie hat angekündigt, ihn nicht mehr zurück zu nehmen, sollte er gefunden werden und eine Dame vom Jugendamt ist unterwegs, um ihn in ein sogenanntes „Jugendasyl“ zu verfrachten. Kein Wunder also, dass er abgehauen ist. Aber so geht’s ja nun nicht. Einfach weg zu laufen. Tse! Also wird die Suche fortgesetzt. Sam und Suzie machen es den Verfolgern nicht leicht, denn sie sind selbst ganz gut mit den Gegebenheiten der Insel vertraut.
Gleich vorweg: Dies ist der beste Film, den ich von Wes Anderson gesehen habe. Nie hat er den Stil so konsequent durch gezogen. Selten waren seine Filme ähnlich komplex. Oft musste man sich mit skurrilen und schwer zu deutenden Bildern auseinander setzen. Diesmal nicht. „Moonrise Kingdom“ ist nahezu perfekt. Der gesamte Film wurde nicht nur analog, sondern auch noch mit 40 Jahre alten Kameras gedreht, wodurch ein einmaliger Look kreiert wurde, der durch detaillierte Kostüme und Kulissen noch verstärkt wird. Dazu wurden unglaublich komplexe Figuren geschaffen, die trotz des recht eiligen Erzählstils enorm vielschichtig sind. Keine Figur entspricht irgendwelchen oberflächlichen Schablonen, selbst, wenn sie nur kurze Minutenauftritte haben. Bruce Willis zum Beispiel. Noch nie habe ich ihn derart überzeugend gesehen. Nie im Leben hätte ich gedacht, dass dieser Mann noch so spielen kann. Auch die beiden Hauptdarsteller Jared Gilman und Kara Hayward glänzen überragend. Der Grund für diese überzeugenden Figuren liegt in der Geschichte. Die ist auf herrlich schlichte Weise und nicht ohne eine gewisse Naivität angelehnt an große Klassiker der Tragödie. Zwei Außenseiter, die durch diese Gemeinsamkeit ihre Liebe zu einander entdecken, die natürlich nicht toleriert werden kann, ergreifen die Flucht vor dem alten Leben. Unerbittlich werden sie gejagt und immer wieder in ihre alten Zwänge zurück gedrängt. Kommt einem natürlich sehr bekannt vor. Und Wes Anderson packt diese Motive in eine Art Kinderwelt und lässt seine Protagonisten diese spannende Abenteuer erleben. Manches erinnert an Spiele, die man als Kind gespielt hat, in denen die Fantasie keine Grenzen kannte und man sich stundenlang in imaginäre Abenteuer stürzte.
„Moonrise Kingdom“ ist ein echter Augenöffner. Herrlich skurril, aber nicht chaotisch. Tragisch, aber stets mit einem Augenzwinkern. Viellschichtig, aber ohne Pathos. Es ist eine Verbeugung vor der Kindheit und einer alten Welt, die es früher mal gegeben hat, die jetzt nur noch in der Fantasie existiert. Und in diesem Film.
Moonrise Kingdom (USA, 2012): R.: Wes Anderson; D.: Bruce Willis, Edward Norton, Kara Hayward, u.a.; M.: Alexandre Desplat; Offizielle Homepage
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