Mitbestimmung bleibt ein Fremdwort

Mitbestimmung bleibt ein Fremdwort

Wieder macht die Kanzlerin das, was sie in solchen Situation am besten kann. Sie nutzt ihre Spitzbubigkeit aus, ihre Intelligenz, ihre lange antrainierte Rhetorik. Schlussendlich: Angela Merkel watscht die Leute ab, die sich ihr in den Weg stellen. Mit einer Handbewegung, einem herunter gleitenden Mundwinkel, einem Satz. Mitten rein in die Magengegend, wie ein Tiefschlag. Doch es trifft nicht ihre politischen Gegner, immer öfter trifft es ihre «Freundinnen und Freunde» von der CDU. Genau wie vor einer knappen Woche.

Die Kanzlerin sitzt in Magdeburg auf dem Podium. Eine Stunde der Regionalkonferenz ihrer Partei ist vorüber. Bereits zum sechsten Mal in Folge muss sich Merkel nun die Kritik an ihrer Arbeit von der Parteibasis sagen lassen. Die Regionalkonferenzen, die im Vorfeld des Leipziger CDU-Parteitages im November stattfinden, sollen der Diskussion dienen. Die Mitglieder aus den Kreisverbänden können ihre Sorgen und Nöte an die Parteispitze tragen, können ihrem Unverständnis über die Arbeit der Regierung Luft machen. Zum Beispiel über die Diskussionkultur in der Partei. Doch Merkel kontert mit einem Satz: Die Mitglieder sollten doch der Parteispitze lieber mal ihre E-Mail-Adressen zukommen lassen. Ein Kommunikation wäre ansonsten nicht möglich.

Schnell ist klar: Ein Instrument der Mitbestimmung sind die Konferenzen der CDU noch lange nicht. Dabei wäre das enorm wichtig. Davon kann besonders Merkels politischer Gegner ein Lied singen. Bis 2009 war die SPD eine viel beschäftigte Regierungspartei. Von Mitglieder- oder gar Bürgerbeteilugung wie zu Zeiten legendärer Wahlkämpfe durch Günter Grass in den 1960ger Jahren war nichts mehr geblieben. Dann wurden die Sozialdemokraten vor zwei Jahren mit dem schlechtesten Wahlergebnis seit Gründung der Bundesrepublik abgestraft. Beim Wähler kam die einst so stolz alte Dame vor allem als eines an: als zerstrittener Haufen.

Macht es Merkel ihrem Vorgänger von der SPD nach?

Nicht wenige Beobachter in der Berliner Republik erkennen bereits große Parallelen zwischen der Merkel-CDU und der Schröder-SPD: Nach sechs Regierungsjahren herrscht in der Union großer Zoff. Wichtige Entscheidungen werden meistens im Kanzleramt statt in der Fraktion getroffen. Und Miglieder haben in Sachen Regierungskurs kaum Mitspracherecht. Wer wolle, könne durchaus Parallelen erkennen, dass es «bei Merkel ähnlich wie bei Schröder Zumutungen für die Partei gibt, die zu Irritationen führen», sagte SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles im news.de-Sommerinterview. Doch so ein Verhalten habe irgendwann eine Grenze. «Und die hat Merkel langsam erreicht», so Nahles.

Es ist immer dasselbe Spiel. Die Regierungsgeschäfte können eine Partei auslaugen. Euro-Rettung, Krieg in Afghanistan, Atomkatastrophe – immer muss schnell gehandelt werden. US-Präsidenten oder Regierungspartner in der EU warten auf die nächste Entscheidung, für langatmige Diskussionen mit Mitgliedern bleibt da kaum noch Zeit. In der SPD weiß man das nun, die Sozialdemokraten haben aus ihrer Regierungserfahrung scheinbar gelernt. Seit zwei Jahren bastelt das Führungsduo Sigmar Gabriel und Andrea Nahles an einem neuen Erscheinungsbild für die Partei. Im Dezember soll ein Parteitag endgültig klären, wie sich die Sozialdemokraten in Zukunft präsentieren wollen.

Die Parteireform ist das Kernstück von Gabriels erster Amtszeit. Sie soll die SPD wieder an den Wähler zurückführen und vor allem eines garantieren: Die Sozialdemokraten sollen bei einem Machtwechsel nicht wieder von innen ausgehöhlt werden können. Für dieses Ziel haben Gabriel und Nahles vieles auf den Weg gebracht: Organisatorisch soll der Vorstand gestärkt und das Präsidium abgeschafft werden. Ein Gremium reiche völlig aus, heißt es. Außerdem soll die SPD künftig offener für Nichtmitglieder und Spitzenkandidaten in Urwahlen bestimmt werden. Anträge für Parteitage können im Netz geschrieben werden und es wird zudem die Möglichkeit ausgelotet, junge Leute über digitale Ortsvereine zusammenzuschließen. Basta-Politik war gestern.

Das Motto in der CDU: Eine gegen alle, alle gegen eine

Und die CDU? Dort sind derartige Ansätze vergebens zu suchen. In der Union begnügt man sich mit den Regionalkonferenzen. Sie sind eine Idee der Kanzlerin. Immer wenn der Unmut über die einsamen Entscheidungen zu groß wird, startet die Merkel eine kleine Tour zur Besänftigung der Mitglieder. So war es im vergangenen Jahr. Und so ist es in diesem Jahr wieder.

In Magdeburg muss sich Merkel jedenfalls während der Regionalkonferenz einiges von den Parteimitgliedern anhören. Der Umgang in der Koalition sei kein bürgerlicher, meint ein CDU-Mann. Sie solle doch einmal erklären, wo nach dem Atomausstieg die Energie in den nächsten Jahren herkomme, fordert eine CDU-Frau. Es fehle an konkreten Aussagen über die finanzielle Rettung von Europa. Die Union habe ein Glaubwürdigkeitpsroblem. Viele Entscheidungen der Regierung würden handwerklich schlecht kommuniziert. Und so weiter. Merkels Mundwinkel wandern immer mehr nach unten, um so länger die Veranstaltung dauert. Und dann das: «Es fehlt eine Diskussionskultur in der Partei.»

Das sagt Michael Nickel. Der Potsdamer ist Mitglied der kritischen parteiinternen «Aktion Linkstrend stoppen», die sich auf die Fahnen geschrieben hat, Merkels als «alternativlos» dargestellte Politik zu entlarven. Wie das? Keine Diskussionskultur, obwohl jeder einmal während der Regionalkonferenzen der Kanzlerin so richtig die Meinung geigen kann? Nickel liegt im Vergleich zu den anderen großen Parteien der Republik gar nicht mal so falsch. In der CDU ist wirkliche Mitbestimmung ein Fremdwort. Mitglieder dürfen zwar während der Konferenz mal den Mund auf machen, aber eine Diskussion kommt nicht zu Stande.

Bestes Beispiel: Im vergangenen Jahr verschwanden nach dem Ende der Konferenzreihe die Zettel mit den Wortmeldungen. Darauf sind Anliegen, Name und Adresse notiert, um den Fragestellern nach Abschluss der Konferenz eventuell noch eine Antwort oder Zusatzinformationen zukommen zu lassen. Vielleicht verspürte niemand im Konrad-Adenauer-Haus Lust, noch einmal mit den Mitgliedern in Kontakt zu treten. Vielleicht ist es eh nicht möglich, da keine E-Mail-Adressen vorliegen.

Quelle:
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Basta-Partei CDU – Mitbestimmung bleibt ein Fremdwort

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Tags: Andrea Nahles, Angela Merkel, Kanzlerin, Mitbestimmung

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