„Mit feinen Sensoren“ – mit Interview zur Hochsensitivität

Mir wurde das Buch „Mit feinen Sensoren" von der lieben Frühlingskindermama empfohlen und ich habe es regelrecht verschlungen. Ich habe so viele Antworten bekommen - auch auf Fragen, die sich mir noch gar nicht stellten, weil ich bei dem Thema noch am Anfang stehe. Deshalb bin ich dankbar, dass ich schon so früh Ihr Buch in den Händen halte. Ich freue mich, Frau und Herr Lüling, dass Sie für ein Interview bereitstehen und so mir und meinen Lesern aus Ihrer Erfahrung mit Hochsensitivität erzählen, damit wir daraus lernen können.

Zunächst zum Begriff: Sie schreiben in Ihrem Buch, dass Hochsensitivität eigentlich der bessere Begriff wäre als Hochsensibilität. Warum? Mit Hochsensibel assoziiert man im deutschen Sprachraum schnell übersensibel = überempfindlich. Aber es handelt sich hier nicht um eine Überempfindlichkeit, sondern um eine sehr hohe Empfindsamkeit. Sie ist neurobiologisch im genetischen System begründet und nicht dadurch, dass eine Person aufgrund von seelischen Verletzungen überempfindlich reagiert. Darum ist der Begriff „Hochsensitiv" zutreffender. Im Englischen heißt es ja auch so. Mit hochsensitiv verbindet man eher positive Eigenschaften. Ein Smartphone hat z.B. eine hochsensitive Oberfläche und ein komplexes Innenleben. Es reagiert auf leichte Berührungen und entfaltet dann erstaunliche Programme. Ähnlich ist es bei hochsensitiven Menschen. Auch sie reagieren auf leichte Impulse und haben eine Gedanken- und Seelentiefe die vielen anderen abgeht. Das tiefe Nachdenken braucht jedoch Zeit, da sind Smartphones eindeutig schneller. Wie sind Sie selbst auf das Thema aufmerksam geworden und wie haben Sie, Frau Lüling, gemerkt, dass Sie hochsensibel sind? Gemerkt habe ich das schon immer, aber ich wusste nicht, dass es dafür einen Fachbegriff gibt. Als typischer hochsensitiver „Lastenträger" hatte ich immer eine besondere Antenne für die Stimmungen und Nöte anderer Menschen. Das war oft sehr belastend und ich fühlte mich auch irgendwie verkehrt, weil die meisten andere Menschen, so ganz anders empfanden und dachten. Als ein Freund aus den USA dieses Phänomen in einem Vortrag beschrieb, fühlte ich mich erstmals verstanden. Es war wie eine Erlösung für mich, besonders auch, weil er aufzeigte, wie man sich vor zu viel Wahrnehmung schützen kann. Später habe ich selbst zu dem Thema einen Vortrag gehalten in unserer Schule für Seelsorger und Berater (bei Team.F e.V.). Als wir dann dazu ein ausführlicheres Handout schreiben wollten, stießen wir zufällig auf den Fachbegriff „Hochsensibilität" und Elaine Arons Bücher. Damit wurde uns der größere Zusammenhang deutlich. Sie sind sich beide einig, dass Sie, Herr Lüling, nicht hochsensibel sind, aber haben manchmal Zweifel, ob es nicht doch „ansteckend" ist. Wie meinen Sie das und wie gehen Sie mit diesen Unterschieden um, die sich dadurch für Sie als Paar und auch als berufliches Team ergeben? „Ansteckend" sage ich manchmal scherzhaft, denn als Nicht-hochsensitive Person habe ich mittlerweile dazugelernt und mehr Empathie entwickelt. Aber im Grunde sind und bleiben wir sehr verschieden. Wir haben gelernt, diese Unterschiedlichkeit, zu akzeptieren und zu respektieren und als Bereicherung zu sehen. Die Zeiten, wo es aufgrund der Unterschiedlichkeit immer wieder Konflikte gab, sind zum Glück vorbei. Das Verständnis von Hochsensitivität hat uns sehr geholfen zu akzeptieren, was man nicht ändern kann und die guten Seiten darin zu schätzen. Sie bezeichnen Ihre Internetseite „Feine Sensoren" als die christliche Internetseite für hochsensible Menschen. Das spricht mich als gläubige Christin sehr an und auch aus diesem Grund wurde mir das Buch empfohlen. Welchen Zusammenhang gibt es Ihrer Meinung nach zwischen Glaube und Hochsensibilität bzw. gibt es überhaupt einen? Es gibt da eigentlich keinen besonderen Zusammenhang. Auffällig ist jedoch, dass allgemein eine größere Offenheit für die unsichtbare, also die geistliche Welt zu bestehen scheint. Viele Hochsensitive berichten uns, dass sie bereits als Kinder ein Bewusstsein für die Realität Gottes hatten, auch wenn sie nicht christlich erzogen wurden. Für Erwachsene kann der Glaube in mancherlei Hinsicht eine große Hilfe sein. Einmal, um die Hochsensitivität als Gabe Gottes anzunehmen. Dann haben viele gelernt, ihre Lasten oder die innere Not um das Leid in dieser Welt bei Jesus los zu lassen. Denn Jesus hat ja von sich selbst gesagt, dass wir unsere Lasten bei ihm abgeben können. Aber der Glaube hilft uns auch, konkrete Schritte zu gehen, um innerlich heil zu werden von der Ablehnung und dem verkannt und verachtet Werden als hochsensitive Person. Bei meinen Seminaren zu dem Thema stelle ich immer wieder fest, dass fast alle Teilnehmer seelische Wunden und Schmerzen aus ihrer der Vergangenheit mitschleppen. Und nun zu den Kindern: Sie haben 5 Kinder. Ist Hochsensibilität vererbbar? Sind Ihre Kinder auch hochsensibel und war es für die Kinder selbst auch immer wieder ein Thema oder wollten sie davon nichts wissen, auch wenn Mama und Papa immer wieder mit dem Thema zu tun haben? Ja, die Forschungen belegen, dass die hohe Sensitivität genetisch angelegt ist. Bei unseren introvertierten Kindern haben wir die Hochsensitivität schnell entdeckt, denn introvertierte entsprechen eher den häufig beschriebenen hochsensitiven Verhaltensmustern. Bei unseren extravertierten Kindern haben wir die Hochsensitivität erst sehr spät entdeckt, weil sie sich da etwas anders zeigt. Insgesamt fanden unsere Kinder das ganze Thema sehr spannend und sie haben uns unterstützt. Sie waren ja auch alle schon erwachsen, als wir unser Buch schrieben und wir haben uns gehütet, sie mit dem Thema zu nerven. Es wäre für uns sehr hilfreich gewesen, wenn wir das Thema schon gekannt hätten, als unsere Kinder noch klein waren. Haben Sie den Eindruck, dass es viel mehr hochsensible Menschen gibt als die, die es von sich selbst wissen? Und sind Sie der Meinung, dass das Thema bekannter werden müsste, damit sich Hochsensible erkennen und dadurch sich selbst und andere besser verstehen? Ja, unbedingt. Wir freuen uns, dass das Thema in Deutschland immer mehr Aufmerksamkeit erhält. So hat die letzte „Psychologie Heute" Zeitschrift dem Thema wieder einige Seiten gewidmet. Immer wieder erhalten wir dankbare bis begeisterte Rückmeldungen von Lesern, die sich endlich verstanden fühlen. Sie erhalten Antworten auf zermürbende Fragen, die sie oft jahrzehntelang beschäftigt haben und tief in ihrer Seele kommt etwas zur Ruhe. Um das Thema weiter bekannt zu machen hat Elaine Aron einen Film über die Hochsensibilität gemacht, der in den USA im September in die Kinos kommt. Wer Interesse hat, einige Ausschnitte anzusehen, kann das hier tun: Wenn man hochsensibel ist, fühlt man sich oft „unnormal" oder als Außenseiter, weil man eben die Reize im Umfeld und auch Gefühle anderer viel stärker wahrnimmt und diese oft auf sich bezieht. Gerade in dieser schnelllebigen Zeit, in der durch die moderne Technik immer mehr Reize auf uns einströmen, fühlen sich sicherlich nicht nur Hochsensible häufig überfordert. Was möchten Sie besonders Eltern, aber auch Paaren, mit auf den Weg geben, damit Sie die Hochsensibilität als Gabe und nicht als Einschränkung sehen? Jede Gabe hat Stärken und Schwächen. Ich vergleiche es gerne mit den Smartphones. Das sind sehr komplexe Geräte, die leistungsfähig sind, solange der Akku geladen ist. Und der Akku ist schnell leer, und muss darum fast täglich geladen werden. Oder ein anderer Vergleich: Wer eine Gabe entwickeln will, wie z.B. seine Musikalität oder seine Sportlichkeit, nimmt gerne Einschränkungen in Kauf (Übungszeiten, bestimmte Ernährung, Alkoholverzicht, Schlaf, etc.), um leistungsfähig zu bleiben. Um die Stärke der hohen Sensitivität nutzen zu können, muss man Auszeiten planen und nehmen. So wird eine unangenehme Überreizung vermieden oder abgebaut. Eltern müssen das ihren hochsensitiven Kindern beibringen. Wir wissen von Kindern, die schon im Alter von 3 oder 4 Jahren gelernt haben, sich selbst durch Auszeiten zu regulieren. Oder sie können ihre Kraft abschätzen und Nein sagen zu zu viel Aufregung. Den extrovertierten hochsensitiven Kindern fällt das allerdings schwer. Sie lernen es meist nur „auf dem harten Weg", indem sie immer wieder ihre Kraftreserven erschöpfen. Gerade, wenn ein Elternteil oder Partner hochsensibel ist und einer nicht, kommen auf die Beziehung größere Herausforderungen zu. Haben Sie einen wirksamen Tipp, damit umzugehen? Ja, man muss lernen aufeinander Rücksicht zu nehmen. Wenn der hochsensitive Partner mehr Auszeiten benötigt, darf er oder sie den nicht-hochsensitiven Partner dabei nicht an sich binden. Ebenso gilt das Umgekehrte. Als Nicht-hochsensitiver muss ich die Freiheit haben zu Unternehmungen wo der Partner nicht mitkommt. Dafür ist Vertrauen nötig und dass man die Unabhängigkeit nicht übertreibt. Die Beziehung kann zerbrechen, wenn man zu unabhängig voneinander wird oder einer den anderen zu sehr an sich bindet. Ein weiterer Konfliktpunkt ist die unterschiedliche Wahrnehmung und die Bewertung von Personen oder Situationen. Hochsensitive nehmen viel mehr wahr und bewerten manches aufgrund ihrer Hochsensitivität und ihrer Lebensgeschichte als gefährlich oder bedenklich. Der Nicht-hochsensitive Partner ist da unbefangener und weniger ängstlich. Da muss man sich einigen, dass Beide ihre Standpunkte sagen dürfen und man dann zu einer gemeinsamen Bewertung kommt, was zu tun sei. Wenn wir diesen Punkt bei unseren Seminaren ansprechen, stimmen die meisten „gemischten Paare" zu, dass dies ein großer und ständiger Konfliktpunkt zwischen ihnen ist. http://sensitivethemovie.com/blog/ Wer mehr über Frau und Herrn Lüling persönlich, über das Thema Hochsensibilität wissen möchte oder mal an einem der angebotenen Seminare teilnehmen möchte, gelangt hier zur Internetseite „Feine Sensoren". Wie sind Eure Erfahrungen zum Thema Hochsensibilität bzw. Hochsensitivität? Habt Ihr damit zu tun, vielleicht selbst, Eure Kinder oder auch Verwandte oder Bekannte? Wie geht Ihr damit um? Ich freue mich auf Eure Erfahrungen - per E-Mail oder als Kommentar.

Ich danke Ihnen herzlich, dass Sie sich die Zeit genommen haben für die Beantwortung meiner Fragen.

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