Vor ein paar Tagen machte die Meldung die Runde, dass es in Deutschland gar nicht so viel arme Kinder geben solle, wie die fleißigen Statistiker ausgerechnet hätten. Denn die besonders fleißigen Statistiker vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hatten noch einmal nachgerechnet, bis erträglichere Zahlen bei der Kinderarmut heraus kamen: Nicht 16 Prozent der deutschen Kinder sind arm, sondern nur 10 Prozent. Oder gar nur 8 Komma irgendwas Prozent. Puh, noch mal Glück gehabt, da steht Deutschland im OECD-Durchschnitt nicht mehr ganz so beschissen da. Und es geht uns allen gleich viel besser.
Für die Kinder im Lande ändert sich nichts. Sie lernen weiterhin an oft schlecht ausgestatteten Schulen, in denen der Putz von den Wänden bröckelt, die Klos unbenutzbar und noch Computer aus dem letzten Jahrtausend im Einsatz sind. Die Eltern müssen ihren Kindern nicht nur Frühstück und Milchgeld, sondern auch Geld für Kopien oder gar Klopapier mit geben, weil für solche Kleinigkeiten einfach kein Geld mehr in öffentlichen Kassen ist. Das Schulessen, wenn es überhaupt welches gibt, ist jämmerlich schlecht, weil es möglichst keine zwei Euro pro Mahlzeit kosten darf, so dass man es im Grunde keinem Kind zumuten kann. Und wenn die Kinder dann auch noch Eltern haben, die ihnen kein Extrageld zustecken können – Pech gehabt.
Da hilft auch das lächerliche Leyen-Paket nicht, mit dem arme Kinder nicht nur ein warmes Mittagessen, sondern auch Geld für Musikunterricht und Sportverein bekommen sollen – gegen einen begründeten Antrag versteht sich. Doch die armen Eltern haben offenbar ganz andere Probleme, als auch noch um diesen Bildungsobolus zu betteln. Nur ein Bruchteil der Berechtigten hat bisher den entsprechenden Antrag gestellt. Das treibt der lieben Ursula die Sorgenfalten auf die mütterliche Stirn – gerade die anvisierte Zielgruppe kriegt den Arsch wieder mal nicht hoch, wo es doch um ihre hochgeschätzten Kinder geht!
Stellt sich die Frage, warum den armen Eltern das Geld für ihre bedürftigen Kinder nicht einfach so ausgezahlt werden kann. Oder warum man die Mittel nicht einfach an die Schulen und Vereine überweist, damit sie für arme Kinder einfach kostenlose oder sehr günstige Angebote bereitstellen können. Ich kann mich erinnern, dass es in meiner Kindheit in den Siebziger Jahren eine ganze Reihe sehr günstiger oder gar kostenloser Sport- und Freizeitangebote gab. Der Eintritt ins Schwimmbad kostete eine Mark, ohne Zeitbeschränkung. Und zum Sportverein wurde man nicht mit dem Auto gefahren, sondern die Kinder gingen zu Fuß hin, auch die, deren Eltern ein Auto hatten. Oder sie fuhren mit dem Fahrrad. Natürlich gab es damals auch arme Kinder, die sich nicht mal das Schwimmbad leisten konnten, und die anderen, die nicht nur den Sportverein, sondern auch Klavier- und Geigenunterricht bezahlt bekamen. Aber die Unterschiede waren nicht dermaßen krass. Oder sie fühlten sich nicht dermaßen krass an. Wobei damals auch kein Kind eine Playstation, ein Handy oder einen Laptop haben wollte, so etwas gab es einfach noch nicht.
Um noch einmal auf die Statistik zurückzukommen: Im September 2010 sollen knapp 15 Prozent der Kinder unter 18 Jahren Hartz-IV-Leistungen bekommen haben. Das passt eher zu den 16 Prozent armen Kindern, als zu den jetzt neu ausgerechneten 8,3 Prozent. Wie kommt es, dass neuerdings 7 Prozent der Kinder zwar auf Hartz-IV-Leistungen angewiesen, aber nicht mehr arm sind?