Die erste Staffel Misfits war eine der schönsten Überraschungen der letzten Jahre: Aus der nicht unbedingt verheißungsvollen Ausgangs- idee “Jugendliche Straftäter bekommen Superkräfte” bastelte Howard Overman eine rundum erfrischende Serie auf Channel 4: Originell und rotzfrech, so witzig wie durchgedreht und einfach gutes Fernsehen, das völlig zurecht mit einem BAFTA ausgezeichnet wurde. Nun also die zweite Staffel – kann diese Fortsetzung mit 6 Episoden und einem Weihnachtsspecial unseren inzwischen sehr hohen Erwartungen nachkommen? Oh ja. Und wie.
Regisseur: Tom Green, Owen Harris, Tom Harper
Drehbuch: Howard Overman
Musik: Vince Pope
Darsteller: Robert Sheehan, Lauren Socha, Iwan Rheon, Nathan Stewart-Jarret, Antonia Thomas, Ruth Negga, Craig Parkinson
Erscheinungsdatum: 2010
STORY
Seitdem unsere fünf jugendlichen Straftäter bei einem mysteriösen Gewitter Superkräfte erhalten haben, ist ihr Leben nicht mehr ganz so einfach. Es verdächtigt sie nun zwar niemand mehr, ihren Bewährungshelfer umgebracht zu haben, aber es bleiben andere Probleme und Gefahren. Und wer ist der mysteriöse Maskierte, der ihnen folgt, sie beschützt und alles zu wissen scheint?
REVIEW
Es ist nicht einfach, an eine Staffel anzuschließen, die vor allem damit begeisterte, dass sie erfrischend anders und frech war – da besteht die Gefahr, dass man es entweder übertreibt oder dass die Serie ihren Biss verliert. Diese zweite Staffel ist wirklich ein kleines Meisterwerk. Die Macher haben einfach alles behalten, was an der ersten Staffel genial war, und alles, was dort vielleicht noch nicht so ganz funktioniert hat, deutlich verbessert. Die erste Staffel war manchmal etwas uneben, hatte ein paar gezwungen wirkende Momente. Hier wurde das alles nun ausgeglichen und gleichmäßiger gestaltet – und zwar auf einem konstant hohen Level.1
Nehmen wir beispielsweise die Charaktere: Bisher hab ich Nathan und Kelly geliebt, hatte aber ein paar Probleme mit Alisha, Curtis und in einem geringeren Maß auch mit Simon. Die zweite Staffel nun bleibt den Charakteren durchaus treu, lässt sie aber Entwicklungen durchmachen, die Wunder wirken: Glaubhaft und doch interessant und überraschend. Gut, ich bin immer noch nicht der größte Curtis-Fan, aber bin nun absolut begeistert von Alisha und Simon hat nach nur wenigen Folgen die Spitzen- position meiner Lieblingshierarchie in dieser Serie erklommen.
Wenn ich hier von “runder” und “ausgeglichener” schreibe, dann soll das nicht den Eindruck erwecken, dass Misfits dadurch seine Ecken und Kanten verloren hat: Die Serie ist so respektlos und frech wie am ersten Tag. Gewalt, Sex und böser Humor garnieren krasse Storyideen und stellen sicher, dass die Serie weiterhin nichts für zart besaitete ist – das “ab 18″-Rating steht da durchaus berechtigt. Und doch gibt es im nächsten Moment bemerkenswert einfühlsame Momente, die sich ohne Bruch anfügen.
Das Konzept ist keineswegs nach einer Staffel schon ausgeleiert – vielmehr besticht die zweite Staffel mit bemerkenswerten Überraschungen und Ideen und Entwicklungen, die man nie vorhergesehen hätte. Und die vor allem auch absolut überzeugend präsentiert werden: Wenn man die Grundzüge der Handlung knapp zusammenfasst und mir direkt nach der ersten Staffel gezeigt hätte, hätte ich sicherlich angenommen, dass daraus nur völliger Mist werden kann und das alles charakterlich kein bisschen passt. Aber so wie hier diese Dinge erzählt werden, passt einfach alles zusammen
Wir haben auch hier wieder einen losen Handlungsbogen, der sich auf das Rätsel von “Superhoodie” konzentiert – der mysteriöse Superheld, der im ersten Staffelfinale schon aufgetaucht ist um Nathan das Leben zu retten. Zum Glück wird da nicht eine Staffel lang Rätselraten gespielt und die ganze Sache wird recht bald komplexer.
Ein paar neue Charaktere bekommen wir auch, die allesamt gut in die Runde passen. Ich mag vor allem den neuen Bewährungshelfer, der in erfrischendem Kontrast zur letzten Staffel steht. Und natürlich bleiben die Dinge, die auch schon in der ersten Staffel wunderbar waren, wie die genial passend eingesetzte Musik (besonders den Einsatz von “Put a Little Love in Your Heart” zu einer Herztransplantation fand ich sehr nett).
Kurzum: Hier haben wir wieder ein Stück hervorragendes Fernsehen von Howard Overman und seinem Team bekommen: So witzig und frech und originell wie am Anfang, mit Zusatz von toll funktionierenden dramatischen Elementen und Charakterentwicklung. Wem schon die erste Staffel gefallen hat, sollte das hier auf keinen Fall verpassen.
- Ich wollte gerade “Niveau” schreiben – aber irgendwie passt dieses Wort dann doch nicht in eine Misfits-Review