Superhelden einmal anders: Die Channel-4-Serie Misfits stattet fünf ASBO-Kids mit Superkräften aus und lässt sie damit durch ihren Sozialstunden-Alltag und eine immer seltsamer werdende Welt stolpern. Die witzige und respektlose Mischung Teenagerdrama und Superheldenstory der ersten Staffel hatte auch gleich jede Menge Erfolg: Dafür gab es den TV-BAFTA für die beste Serie; die zweite Staffel startet nächste Woche und eine dritte Staffel scheint schon so gut wie bestätigt zu sein. Alles durchaus zurecht, denn auch wenn die Serie ein paar Probleme hat, ist es doch großartige Unterhaltung.
Regisseur: Tom Green, Tom Harper
Drehbuch: Howard Overman
Musik: Vince Pope
Darsteller: Robert Sheehan, Lauren Socha, Iwan Rheon, Nathan Stewart-Jarret, Antonia Thomas, Alex Reid
Erscheinungsdatum: 2009
STORY
Nathan (Robert Sheehan), Kelly (Lauren Socha), Simon (Iwan Rheon), Curtis (Nathan Stewart-Jarret) und Alisha (Antonia Thomas) müssen wegen diverse kleineren Verbrechen Sozialstunden ableisten. Als ob das nicht schon nervig genug wäre, zieht plötzlich ein seltsamer Sturm auf und verleiht ihnen Superkräfte: Kelly kann Gedanken hören, Simon wird unsichtbar, Curtis kann die Zeit zurückdrehen und Alisha bringt jeden, der sie berührt dazu, mit ihr Sex haben zu wollen. Nur Nathan scheint sich nicht verändert zu haben. Aber nicht nur sie, sondern auch andere Leute haben sich verändert – ihr Bewährungshelfer bekommt Wutanfälle und versucht sie umzubringen…
REVIEW
Wie bei vielen Serien hängt das Gefallen stark davon ab, wie gern man die Charaktere sieht. Und bei einer Serie über junge Leute, die wegen asozialem Verhalten zu Sozialstunden verurteilt worden sind, kann das etwas heikel werden. Die Charaktere müssen ja glaubhaft wirken, dürfen also nicht allzu nett sein, aber je unangenehmer sie werden, desto höher die Gefahr, dass man als Zuschauer keine Beziehung mehr aufbauen kann.
Bei mir ist das alles etwas durchwachsen: Ich liebe Nathan, der einfach trotz allem dämlichen Verhalten äußerst unterhaltsam und liebenswert ist, und Kelly, die trotz aggressiver Chav-Oberfläche unglaublich warmherzig ist. Aber ich find Curtis etwas langweilig, Alisha nicht sonderlich sympathisch und bei Simon bin ich immer hin- und hergerissen zwischen Sympathie, Mitleid und Momenten, wo er mich einfach nur verstört.
Nachdem sich die einzelnen Episoden meist hauptsächlich um eine Figur drehen, kommt es also schon auch vor, dass man manche Episoden eher nicht so interessant findet – für mich gab es in der Mitte ein paar Hänger. Aber das wird dann durch andere Episoden wieder ausgeglichen; ich war besonders begeistert von den ersten beiden Folgen und dem wunderbaren Finale.
Es ist aber nicht nur alles Superheldenkräfte und Mordkomplotte, sondern daneben auch ein angenehm unglamouröser Blick auf das Alltagsleben unserer jungen Kleinkriminellen. Da gibt’s zwar Party und Fun, aber auch viele Enttäuschungen und triste Langeweile. Das “Misfits” bezieht sich schließlich nicht nur auf die Superkräfte, sondern mehr auf Status der Protagonisten in der Gesellschaft.
Misfits ist frech und schert sich nicht groß um Tabus – bzw sucht diese auch gezielt auf. Meistens ist das angenehm erfrischend, nur manchmal wirkt es etwas bemüht – und manchmal geht es vielleicht doch zu weit: Alishas Superkraft ist nicht nur selten unnütz und extrem unpraktisch, sondern auch moralisch höchst fragwürdig und nur akzeptabel, weil bei Frauen da andere Maßstäbe angelegt werden. Ich bezweifle es, dass man es der Serie durchgehen lassen würde, wenn ein Mann die Macht bekommen hätte, jegliche Personen zum Sex zu zwingen.
Erwähnt werden sollte auch die äußerst geniale Musikauswahl; hier werden Szenen mit aktuellen Hits und Klassikern von Elektronik über Hip Hop zu Britrock unterlegt und dabei ein fast schon tarantinoeskes Gespür bewiesen – ohne dieses Soundtrack wäre die Serie wohl nur halb so schick. Außerdem sehr nett sind zwei Casting-Entscheidungen: Nathan wirkt ein bisschen wie eine noch frechere Version von Spike aus Press Gang? Casten wir doch Dexter Fletcher als Nathans Dad für eine winzige Szene – eine geniale Entscheidung. Und auch ein Grinsen wert: Gerade in der Timey-Wimey-Episode mit Zeitreisen taucht Michael Obiora als Polizist auf – den kennen wir als DI Billy Shipton aus Blink.
Misfits ist witzig, respektlos, düster, originell und frech – die Serie ist nicht perfekt, und wird auch nicht jedem gefallen, aber sie ist es auf jeden Fall wert, dass man sie mal antestet. Das Finale lässt so einige Fragen offen1, gut also, dass es nächste Woche weitergeht.
- Wer die erste Staffel schon gesehen hat (und auch nur dann), sollte sich hier anschaun, was ein gewisser Charakter während der Staffelpause so treibt. Besonders “The Fly” ist klasse, denn an genau das hab ich auch gedacht, als diese Person in diese Situation gekommen ist *g*