Minder-Initiative, Minder-Leister und Moral

Nach dem die erzkapitalistischen Schweizer am Wochenende mit überlegener Zwei-Drittel-Mehrheit bekundet haben, dass sie von der Abzock-Mentalität ihrer Spitzenmanager genug haben, kriegt sogar die deutsche FDP einen Moralischen: Der nordrhein-westfälische FDP-Vorsitzende Christian Lindner hat die von der Deutschen Bank gezahlten Provisionen in Millionenhöhe für Banker gegenüber dem Handelsblatt heftig kritisiert: “Grenzen für die Freiheit zieht nicht nur das Gesetz, sondern auch das Verantwortungsgefühl. Man sollte für in Freiheit getroffene Entscheidungen Gründe angeben können, die vor Moral, Vernunft und Gemeinwohl Bestand haben“. Der FDP-Politiker kann sich nicht vorstellen, wie “zum Beispiel Provisionen von 80 Millionen Euro bei der Deutschen Bank gerechtfertigt werden können“.

Moralisch vertretbare Wurstbude

Moralisch vertretbare Wurstbude (man beachte das Neuland-Schild)

Lindner forderte „als Politiker, Bürger und Marktteilnehmer, dass Führungskräfte und Eigentümer ihrer Verantwortung gerecht werden“. Dazu gehört natürlich auch, dass man Maß halten und auf die Außenwirkung achten muss. Aber Lindner wäre ein schlechter Liberaler, wenn er die Ankündigung der EU, dass die Boni der Banker künftig nicht höher ausfallen dürften als das Grundgehalt, nicht skeptisch sehen würde: „Ich bin gespannt, ob ohne den nötigen Mentalitätswechsel nicht die Grundgehälter erhöht werden.”

Interessant ist aber doch, was die Moral von der Geschicht’ ist. Nämlich nicht, dass es arme Würsten besser gehen soll, die sich derzeit für einen Niedriglohn krumm schuften müssen. Sondern dass die absurd hohen Boni für die Oberarschlöcher an der Spitze der Nahrungskette ja Diebstahl am Aktionär sind, dem der Laden, den der Oberabzocker managt, ja eigentlich gehört. Niemand hätte vor, die Bonuszahlungen den Armen zu geben. Das wäre in der FDP-Moral ja auch unanständig, weil wer nichts leistet, auch nichts verdienen soll – und Leistung hat bekanntlich nichts mit langweiliger Arbeit zu tun. Im Gegenteil: Wer den ganzen Tag arbeiten muss, der muss ganz offensichtlich ein Minderleister sein, sonst würde er doch mit einem einzigen Vortrag oder einer Aufsichtsratssitzung mal eben den Gegenwert eines Mindestlohn-Jahresgehaltes einstreichen können.

Und natürlich war die Schweizer Volksinitiative keine wirre Idee von linken Umverteilungs-Fetischisten, sondern im Gegenteil die Initiative eines wackeren mittelständischen Unternehmers, der nebenbei politisch ziemlich weit rechts steht. Die Anti-Abzocker-Initiative des Thomas Minder ist einzig und allein darauf ausgerichtet, dass die Aktionäre, also die eigentlichen Eigentümer des Kapitals, die Chefetage wieder an die Kandare nehmen können. Die Rechte und Interessen der Mitarbeiter, die ja diejenigen sind, die den Laden eigentlich am Laufen halten, werden dadurch nicht die Bohne gestärkt. Das haben die Leute, die für die Minder-Initiative gestimmt haben, vermutlich nicht kapiert. Denn für den Bürger geht es ja leider immer nur um die Moral, und nicht darum, wie das Leben für die Menschen tatsächlich besser würde.



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