Mikroplastik in jedem Fleur de Sel?

In diesen Tagen sind Verbraucher von einer „Untersuchung" des NDR-Verbrauchermagazins Markt aufgeschreckt worden. Im Edelsalz Fleur de Sel - wie es als „Flor de Sal" ähnlich auch an der Algarve produziert wird - fände sich mehr Mikroplastik als in normalem Meersalz, hieß es am 14. Januar. Flugs griffen andere Medien die „Analyse" auf. Der Deutschlandfunk wies auf seiner Webseite dlf24 darauf hin, das Salz werde „an der portugiesischen Algarve, in den französischen Regionen Bretagne und Camargue und an verschiedenen Orten des Mittelmeers" gewonnen. Die österreichische Zeitung „Die Presse" stellte ein Agentur-Foto von einem Salzsammler aus Tavira an der Ostalgarve zu der Nachricht auf ihrer Webseite. Doch wie viel ist wirklich dran am scheinbaren Skandal? Betrifft er auch Produkte aus dem Süden Portugals? Algarve für Entdecker hat recherchiert.

„Fleur de Sel: Plastik in Meersalz nachgewiesen" - mit dieser Überschrift garnierte der NDR das Ergebnis seiner - sagen wir - durchaus übersichtlichen Testreihe. Denn bloß fünf Produkte wurden geprüft - angeblich „fünf der meistverkauften Sorten": Rewe feine Welt, Aquasale, Fleur de Sel aus der Camargue, Fleur de Ibiza und Le Paludier de Guérande.

Zum Vergleich ließ NDR-Mitarbeiterin Susan Penack herkömmliches Meersalz von Aldi, Edeka, Aquasale und Alnatura analysieren. Vor allem bei den Produkten, die keine Herkunftsbezeichnung im Namen tragen, blieb für den Verbraucher und Markt-Zuschauer zunächst offen, ob vielleicht Algarve-Salz darinnen ist. Wir fragten also nach.

Ist Flor de Sal genauso betroffen wie Fleur de Sel?

Das Analyse-Ergebnis von beauftragten Wissenschaftlern der Universität Oldenburg zeigte laut NDR: Der Kunststoffgehalt liegt bei der aufwendiger gewonnenen, weil mit der Hand abgeschöpften Salz-Blume (Fleur de Sel) aus verdunstetem Meerwasser zwischen 138 und knapp 1.800 Mikrogramm pro Kilo. Bei den getesteten vier herkömmlichen Meersalzen waren es nur zwischen 14 und 59 Mikrogramm.

Das klingt irgendwie alarmiert und etwas alarmierend. Die Ergebnisse seien „besorgniserregend", raunt der Sprecher des Fernsehbeitrags zum Fleur de Sel, den Markt-Autorin Susan Penack beigesteuert hat. Erst ein ebenfalls zu Wort kommender Toxikologe aus Kiel relativiert leicht. Die gefunden Mengen im Fleur de Sel seien ja „gering" und könnten dem Menschen „in den Größen wahrscheinlich noch nicht schaden". Erst bei einer Anreicherung der Schadstoffe im Körper könnten diese „unter Umständen gesundheitsschädlich" sein.

Das klingt doch wieder nach Entwarnung, ist aber, um den Eindruck eines journalistischen Scoops nicht zu torpedieren, ans Ende des Beitrags über das Fleur de Sel gerückt. Dort erst finden sich auch die wichtigen Hinweise des Bundesinstituts für Risikobewertung, dass "belastbare Daten" zur Einschätzung fehlten und keine gesetzlichen Regelungen für Mikroplastik in Lebensmittel existierten.

Fleur de Sel in Gramm-Portionen, aber pfundweise Fisch...

Mikroplastik - in neues, großes Problem der Nahrungsquelle Meer, mit der wir Menschen jetzt konfrontiert werden? Man glaubt es kaum: Hier nimmt der NDR kleine Krümel von edlem Salz unter die Lupe, die überwiegend in der Haute Cuisine in winzigen Mengen kurz vor dem Servieren über die Speisen gestreut werden, um dort leicht zu schmelzen und sich gut mit den restlichen Aromen zu verbinden. Was aber tun, wenn sogar das herkömmliche Meersalz Mikroplastik enthält: Sollen wir dann unsere Speisen ganz ohne Salz würzen? Der NDR lässt seine Zuschauer ratlos zurück...

Erstaunlicher Weise kein einziges Wort verliert die junge NDR-Autorin Susan Penack über die tatsächlich sehr großen Mengen an Fisch, die täglich verzehrt werden - Tiere, die ebenfalls im Meerwasser schwammen und die leider immer größer werdenden Mengen an Mikroplastik in sich aufnahmen. Umweltschützer an der Algarve und andernorts machen schon seit langem darauf aufmerksam. Doch die Proportionen in der möglichen Gesundheitsgefährdung - hie Fisch, dort Salz - werden einfach nicht angemessen berücksichtigt, ja nicht einmal angesprochen. Wenn das Bild nicht schräg hängen würde, müsste man sagen: das NDR-Magazin „Markt" macht mit seinem sich investigativ recherchiert gebenden Fleur de Sel-Beitrag aus einer Mücke einen Elefanten.

Immer wieder einmal probiert der NDR, mit solchen Übertreibungen Aufmerksamkeit in der Medienlandschaft zu erregen. Ein besonders unrühmliches Beispiel dafür ist vielleicht noch aus dem Jahr 2012 bekannt: Der NDR versuchte wider besseres Wissen, ein Forschungsprojekt der Schufa, das von dem beauftragten wissenschaftlichen Institut abgesagt wurde, als Vorhaben zu skandalisieren, bei dem Internetdaten von Personen angeblich gehackt werden sollten, um deren Kreditwürdigkeit festzustellen. Der Berliner Tagesspiegel gehörte damals zu den seriösen Medien, die das richtigstellten.

NDR bestätigt: Kein Fleur de Sel von der Algarve getestet

„Algarve für Entdecker" fragte in der Markt-Redaktion des NDR in Hamburg nach: War unter den untersuchten Proben Fleur de Sel auch ein Produkt, dessen Inhalt von der Algarve stammt? Klare Antwort der Redaktion: „Es wurde kein Fleur de Sel aus der Algarve getestet". Doch im Internet explizit, fair und korrekt darauf hinzuweisen, das lehnte Redakteur Steffen Eßbach per E-Mail mehrfach als unnötig ab. Man vertraue da wirklich auf die "aufgeklärten Zuschauer, die
Marken und Herkunftsländer im Beitrag genau erkennen können".

Fazit: Fleur de Sel ist und bleibt - trotz Herstellungsproblemen - ein hochwertiges Produkt. Der TV-Film des NDR-Magazins Markt darüber war es leider nicht. Ihm fehlte zwar nicht das Salz, dafür quasi aber die Suppe.

Um nicht missverstanden zu werden: Im Sinne des Verbraucherschutzes würden wir es begrüßen, wenn jeglicher Fisch sowie alle Produkte mit dem Algarve-Salz „Flor de Sal" auf Mikroplastik-Spuren untersucht würden. Dann erst wird ein angemessener Vergleich möglich. Bis zu einem - völlig offenen - Nachweis aber sollte von Medien, auch nicht indirekt, so getan werden, als ob jegliches Meersalz in Sippenhaft zu nehmen oder unter Generalverdacht wegen besorgniserregender Gesundheitsgefährdung zu stellen wäre. Wir bleiben an dem Thema dran!

Übrigens: Welche Rolle Salz in grauer Vorzeit bei der Fischsoßen-Produktion an der Algarve gespielt hat, berichteten wir hier.


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