USA 1939
Mit Claudette Colbert, Don Ameche, John Barrymore, Francis Lederer, Mary Astor, Monty Woolley, Hedda Hopper u.a.
Drehbuch: Charles Brackett und Billy Wilder nach einer Geschichte von Edwin Justus Mayer und Franz Schulz
Regie: Mitchell Leisen
Dauer: 93 min
Inhalt / Hintergrund:
Midnight ist eine hervorragend konzipierte, intelligente US-Komödie, die heute leider etwas in Vergessenheit geraten ist.
Im Mittelpunkt steht das mitelllos in Paris gestrandete amerikanische Showgirl Eve Peabody (Claudette Colbert); Eve wird vom Taxifahrer Tibor Czerny (Don Ameche) aufgegabelt und in der Stadt herumkutschiert. Dabei verliebt Tibor sich in Eve, die ihm allerdings kurz darauf abhanden kommt, weil sie in eine Veranstaltung reicher Kunstfreunde gerät. Dort wird sie vom Millionär Georges Flammarion (John Barrymore) entdeckt und in einen Plan verwickelt, mit dem dieser seine untreue Gattin (Mary Astor) zurückgewinnen möchte. Dieser Plan verhilft Eve zu einer neuen Identität, was zu zahlreichen komischen Verwirrungen führt – besonders, als auch der Taxifahrer in der feinen Gesellschaft auftaucht.
Dem Film liegt ein Drehbuch zugrunde, welches der kurz zuvor in die USA immigrierte Billy Wilder zusammen mit dem amerikanischen Autor Charles Brackett verfasst hatte. Es war die zweite Kolaboration der beiden, die danach noch jahrelang zusammen Drehbücher schrieben und aus deren Feder Klassiker wie Bluebeard’s Eight Wife (1938), Ninotchka (1939) oder Sunset Blvd. (1950) stammen.
Mit dem Regisseur von Midnight, Mitchell Leisen, lag das Duo laut Wilders Aussagen während der Dreharbeiten im Dauer-Clinch. Die Autoren waren mit Leisens Umsetzung ihrer Vorlage nicht zufrieden. Billy Wilder gab an, wegen der schlechten Erfahrung mit Leisen hätte er beschlossen, selbst Regisseur zu werden.
Midnight lief nie in den deutschsprachigen Kinos. Erstmals wurde er 1973 im deutschen Fernsehen gezeigt, unter dem Titel Enthüllung um Mitternacht.
Mein Senf:
Der Streit Billy Wilders und Charles Bracketts um die Inszenierung von Midnight entbrannte, weil der Regisseur offenbar immer wieder Aenderungen an der Drehbuchvorlage vornahm. Noch Jahrzehnte später, als Mitchell Leisen von der Filmwelt längst vergessen war, klagte Wilder: „Er hatte überhaupt keine Ahnung vom Szenenaufbau. Und es war ihm völlig gleichgültig. Alles, was er machte, war am Skript rumzudoktorn – und unser Skript war nahezu perfekt!“
Das mag stimmen – es sind bisweilen tatsächlich Unebenheiten und Schwerfälligkeit im szenischen Aufbau festzustellen, spezifisch zu Beginn des Films bei zwei parallel geführten Handlungssträngen: Beim Hin- und Herschneiden zwischen den Szenen mit den Erlebissen von Eve Peabody in der High Society und jenen mit dem seine Passagierin suchenden Taxifahrer geht viel Spannug verloren, weil der szenische Aufbau beider Sequenzen durch die Zwischenschnitte immer wieder unterbrochen wird; auf wessen Konto dieser Lapsus allerdings geht, ist heute unmöglich feststellbar. Billy Wilder, das muss gesagt werden, tendierte in Interviews gern zu dramaturgisch griffigen Ueberspitzungen.
Im grossen Ganzen kann sich Midnight durchaus sehen lassen. Er hatte zudem einen riesigen Erfolg an der Kinokasse und zählt heute zu den besten Komödien Hollywoods.
Wilders und Bracketts Vorlage ist so gut, dass sie praktisch unzerstörbar ist – auch wenn Leisens Inszenierung tatsächlich einen leichten Mangel an Gefühl für Tempo und Aufbau erkennen lässt, er schadet dem Film damit kaum. Dafür verleiht er der turbulenten Geschichte mit seiner Betonung der Ausstattung eine optische Schönheit und eine Eleganz, die das Auge erfreut und die den Film auf einer anderen Ebene aufwertet.
Leisens Schauspielerführung hingegen, ein weiterer wichtiger Aspekt der Regieführung, kann nicht angezweifelt werden. Er holt das Beste aus seiner Truppe heraus – vor allem Claudette Colbert hat hier einige der stärksten komödiantischen Momente ihrer Karriere, und auch John Barrymores Darstellung des Millionärs kann getrost zu dessen besten Leistungen gezählt werden.
Midnight ist eine verspielte Version von „Cinderella“ mit Colbert als Aschenputtel, Barrymore als guter Fee und Don Ameche als taxifahrendem Märchenprinz.
Veröffentlichung / Verfügbarkeit:
Eine DVD- oder Blu-ray-Veröffentlichung dieser Spitzenkomödie gab es bei uns bislang nicht – ein Umstand, der unbedingt nachgeholt werden sollte! Bis dahin muss man sich mit der DVD aus den USA (R1) behelfen…
Das Drehbuch: 9 / 10
Die Regie: 8 / 10
Die Schauspieler: 10 / 10
Gesamtnote: 9 / 10
Der Trailer: