Als das europäische Judentum in Hitlers Mordfabriken unterging, stand das Establishment ohne sich zu rühren daneben. Will die Neue Linke passiv danebenstehen — und sich dadurch mitschuldig machen —, will sie es gutheißen, wenn das Unausmalbare, aber arabischerseits täglich Angedrohte geschehen sollte und Israel untergeht? – Michael Landmann im Oktober 1970
Der am 16. Dezember 1913 in Basel geborene jüdische Philosoph Michael Landmann sympathisierte Mitte der 1960er Jahre mit der sogenannten Neuen Linken. Es war die Neue Linke die sich nach dem “Schlaf in das Sich-Abfinden mit dem Bestehenden” eine Sensibilisierung für das Unrecht thematisierte. Die Neue Linke gab der Gegnern des Vietnamkriegs eine hörbare Stimme. Es war die mehr blochistische als marxistische Utopie die Michael Landmann ansprach. Jedoch hat die Neue Linke, wie kaum eine andere Bewegung, ihr großes Kapital sehr schnell verspielt. Die Stellungnahme der Neuen Linken zu Israel nach dem Sechstagekrieg war die “Hauptfront des Wandels”: “Israel wurde der Neuen Linken zum Schiboleth. Als bei einer Berliner Demonstration 1969 Angehörige der Außerparlamentarischen Opposition sich als Fatah-Leute verkleideten, da war der angebliche Demonstrationszug in Wahrheit ein Leichenzug, in dem eine Hoffnung zu Grabe getragen wurde.”
Die Nationalrevolutionäre von Rudi Dutschke über Bernd Rabehl bis Horst Mahler waren trotz aller internationalistischen Rhetorik weniger neu als deutsch. Um den ersehnten Schulterschluss mit den Eltern vollziehen zu können, musste die Erinnerung an Auschwitz abgewehrt werden, weil dieses “Ereignis” die erhoffte Familienzusammenführung behinderte. “Als wollten sie Freuds These über den Wiederholungszwang von Neurotikern bestätigen, benahmen sich Vertreter der Neuen Linken bei der Abwehr dieser Erinnerung so, als würden sie von einer unsichtbaren Hand aus dem Führerbunker gelenkt. “Die Abwehr der Erinnerung an das Unsägliche, was geschah,” so hatten Max Horkheimer und Theodor Adorno 1959 geschrieben, “bedient sich eben der Motive, welche es bereiten halfen”: antisemitischer Raserei, die sich lediglich neu ausprägt”, schreiben Jan Gerber und Anja Worm im Nachwort von Michel Landmanns Essay. Diesen Zusammenhang zwischen dem Hass auf Israel und dem neulinken Bedürfnis nach der Versöhnung mit den Eltern thematisiert Michael Landmann in seinem 1971 veröffentlichten Essay.
1928 ist Michela Landmann aus der Schweiz nach Deutschland übergesiedelt. Bekannt wurde der Simmel-Herausgeber durch seine Monographie über Philosophische Anthropologie. 1951 wurde der “verspätete Aufklärer” zum Professor für Philosophie der Freien Universität Berlin berufen. Nach vielen Protesten und Gegenreden wider den antizionistischen Schriften des AStA oder des SDS erklärte Michael Landmann prophetisch, dass diese Protestbewegung zum Teil “faschistische Züge” trage. Nur fünf Jahre nach der Veröffentlichung von “Das Israelpseudos der Pseudolinken” entführte ein Kommando aus deutschen und palästinensischen Linken, in einer durchweg faschistischen Aktion, ein Flugzeug der Air France über Athen und selektierte die jüdischen von den nichtjüdischen Insassen. Während die nichtjüdischen Passagiere freigelassen wurden, blieben die jüdischen Fluggäste unter menschenunwürdigen Bedingungen bis zur Erstürmung, während der Operation Thunderbolt in Entebbe, in der Hand der antizionistischen Entführer. Der Antiisraelismus, so schrieb Landmann bereits damals, ist die moderne Form des Antisemitismus. Im Herbst 1978 wanderte Michael Landmann, nicht zuletzt wegen dem Antisemitismus vieler seiner pseudolinken Studenten nach Israel aus, wo er am 25. Januar 1984 in Haifa starb.
Nach dem Brandanschlag am 13. Februar 1970 auf das Jüdische Altenheim München in der Reichenbachstraße 27 gaben SDS und das ISRA-CA am 17. Februar eine gemeinsame Erklärung ab, in der es hieß, der Bundesrepublik kämen solche Anschläge gelegen, “weil sie eine zusätzliche Rechtfertigung für die Unterstützung des zionistischen Staates Israel seien.” “Links ist gleich antiisraelisch” ist in diesen Zeiten eine unreflektierte Selbstverständlichkeit. In diesem Klima, zu einer Zeit als Deutschland und Westberlin von einer antizionistischen Krawall- und Terrorwelle überrollt wurde, veröffentlichte Michael Landmann seinen Text über das Israelpseudos der Pseudolinken.
Auf stereotype Behauptungen wie “Die Juden haben den Arabern das Land weggenommen” macht Landmann ruhig und in gut aufklärerischer Manier unter anderem darauf aufmerksam, dass Juden das Land lange vor den Arabern bewohnten, dass zu Palästina auch das nach dem ersten Weltkrieg abgetrennte Transjordanien gehörte, was dreiviertel des Gebietes ausmachte. Vierzehn arabische Staaten dehnen sich über Gebiete von insgesamt elf Millionen Quadratkilometern aus. Das ist eine Fläche, die um eine Million Quadratkilometer größer ist als ganz Europa, die europäische Sowjetunion miteingeschlossen. Der Staat Israel war bis zum Sechstagekrieg 27.000 Quadratkilometer groß. Das sind zwei Tausendstel des enormen arabischen Raumes. Es bleiben immer noch 99,80 Prozent aller arabischen Gebiete in arabischem Besitz, von denen der größte Teil unbebaut ist. Die gängige Mythologie ist, Israel sei auf dem Boden eines arabischen Staates durch dessen gewaltsame Teilung entstanden. Aber nie gab es einen palästinensischen arabischen Staat. Palästina war, als die zionistische Besiedlung begann, eine Provinz des ottomanischen Reiches. Das bebaute Land wurde rechtlich erworben. Es war zum großen Teil türkisches Kronland, aus dem damals siebzig Prozent des Territoriums bestanden. Die arabisch-Deutschersche Behauptung, die Araber seien ausersehen worden, den Preis für die Verbrechen Europas an den Juden zu bezahlen, löst sich im Licht der Geschichte in ein Gespinst auf.
Beispielsweise gegen den Imperialismusvorwurf der Neuen Linken schreibt Landmann: “Zu einem guten Teil beruht das Israelpseudos der Pseudolinken auf der mechanischen Übertragung eines allgemeinen Denkschemas auf eine ihm unangemessene Situation. Statt den geschichtlich singulären Prozess zu analysieren, verfällt sie, so wie sie überhaupt geschichtsfremd ist, einer oberflächlichen Analogie. An der komplexen Konkretion geprüft, lösen ihre Argumente sich auf.” Landmann belegt, dass Israel nicht mit Hilfe des “westlichen Imperialismus” entstanden ist, sondern umgekehrt gegen ihn. Der Nahostkonflikt wurde bis zum Ende des Kalten Krieges durch den Ost-West-Konflikt nur überlagert. Dem Vorurteil, im Nahen Osten stehe einem israelischen Imperialismus ein arabischer Sozialismus gegenüber, begegnet Landmann mit dem Verweis auf die sozialistischen Traditionen der Kibbuz-Bewegung, den Feudalismus in zahlreichen arabischen Staaten, die Sklaverei in Saudi-Arabien und die Begeisterung für den Nationalsozialismus in Ägypten und in der Baath-Partei. Wer die Beweise für die arabischen Vernichtungsdrohungen gegen Israel nicht sehe, so Landmann, “will sie nicht sehen”. Landmann belegt, dass der Israelfeind nicht an den Fakten interessiert ist und es ihm weder um eine Analyse noch um eine Lösung des Nahostkonfliktes gehe. Unter den Motiven, die die Neue Linke an die Seite der Palästinenser treiben, ist das antiimperialistische zwar das hervorstechendste, aber nicht das einzige. Von der “Europamüdigkeit” bis zur “Geschichtsfremdheit” reichen die begründeten Vorwürfe Landmanns an die Pseudolinke. “Bis zum Sechstagekrieg erschienen die Israelis als die underdogs, die man verteidigen muss. Nach ihrem Sieg verlagert sich das natürliche Mitgefühl auf die Unterlegenen. – Dieses Mitgefühl ist kurzsichtig. Israel kann Schlachten gewinnen, aber nicht verhindern, dass die Araber erneut gegen es rüsten. Je mehr sie sich modernisieren, um so mehr wird ihre zahlenmäßige Überlegenheit ins Gewicht fallen. Sie empfangen große Waffenlieferungen nicht nur des Ostens. Während Israels Siege nur Waffensiege sind, die die Existenz der arabischen Staaten und Völker nicht bedrohen, wäre der arabische Sieg eine Staats- und Volksvernichtung”, so Landmann.
Im zweiten Teil seines Essays geht Michael Landmann auf die haltlosen Vorwürfe der trotzkistischen Flugschrift “Der israelisch-arabische Konflikt” des Trotzki-Biografen Isaac Deutscher ein. Zum Sechstagekrieg schreibt Landmann beispielshalber: “In arabischen Ländern blüht der Antisemitismus, von dem uns seit Hitler noch in Erinnerung blieb, dass er nicht nur eine “Weltanschauung” ist, sondern ein kompaktes Ziel zu verwirklichen sucht. Die Araber erklären dem Fremden gern, sie seien Gegner nur des Staates Israel, nicht der Juden. Die Tatsachen sprechen eine andere Sprache. Hitlers Saat ist noch einmal aufgegangen. Seine Massenvernichtung der Juden findet in Literatur und Presse überall beredte Verteidiger, während andererseits Nasser in einem Interview mit der Deutschen National- und Soldatenzeitung sagte, “niemand nimmt die Lüge von den sechs Millionen ermordeten Juden ernst”. Nicht umsonst gingen Hunderte ehemaliger Nazis nach Ägypten. Araber vertreten die Authentizität der “Protokolle der Weisen von Zion”, die einst zu den russischen Pogromen führten und auch von Hitler benutzt wurden. Wie bisher nur im Dritten Reich, gibt es von ihnen in Ägypten eine offizielle Ausgabe, und auch in Auszügen, in Radiosendungen und Lehrbüchern werden sie wiedergegeben. Das Ritualmordmärchen wird wieder ausgegraben. Am 24. April 1970 strahlte der Sender der Palästinensischen Befreiungsfront von Kairo her die Nachricht aus, die Juden hätten in Gaza – die Bevölkerung sei Zeuge – arabischen Kindern die Kehle durchschnitten, um aus dem Blut Mazze herzustellen. (…)
Immer ist es die Methode des Faschismus, angestaute Aggressionstriebe innerhalb eines Volkes auf einen “Volksfeind” nach außen umzuadressieren. Wie der Antisemitismus unter Hitler dazu diente, Widersprüche des Systems zu überspielen, so dient der arabische Antiisraelismus dem gleichen Zweck. Wie er die unter sich zerstrittenen arabischen Staaten aneinander bindet, so bindet er die arabischen Massen gegen ihr eigenes Interesse an ihre Feudalherren und Militäroligarchien. Er blockiert damit auf faschistische Weise die Inangriffnahme der in den arabischen Staaten überfälligen Reformen: Kanonen statt Sozialismus. Da anderseits die Ungelöstheit ihrer eigenen Probleme verdrängt auf den arabischen Völkern lastet und sie zugleich in Israel einen effizienten progressiven Staat vor sich sehen, der für sie einen beständigen Vorwurf bedeutet, steigert sich der Haß gegen Israel zu doppelter Virulenz. Inversiv wird es rückständig, imperialistisch, rassistisch etc. genannt, während die wahre Fortschrittlichkeit erst von einem arabischen Palästina zu erwarten sei. Dass sich in den arabischen Staaten dieser massenpsychologische faschistische Mechanismus abspielt, ist, da auch so viel höher entwickelte europäische Staaten ihm verfielen, vielleicht nicht zu verwundern. Zu verwundern aber ist, dass die zuverlässig antifaschistische Neue Linke diesen Mechanismus nicht durchschaut und dass sie als Ausdruck von Sozialismus nimmt, was in Wahrheit mit zu dem Zweck erfunden wurde, Sozialismus zu hintertreiben. Im Unterschied zu einer breiten Strömung im arabischen Lager ist die Neue Linke nicht antisemitisch. Die Israelgegner in ihr sind “nur” gegen Israel. Aber an Israel haftet, nachdem die Religion als Bindeglied schwächer wird, heute die Identität des Judentums. Wird Israel morgen zerstört, so gibt es übermorgen kein Judentum mehr. Der Antiisraelismus, der sich durch die Abwehr des Antisemitismus als honorig darstellen möchte, ist daher diesem nicht so unähnlich, wie er glaubt. Er bildet die moderne Form des Antisemitismus. Er hat die Stelle erspäht, an der er das Judentum als Ganzes tödlich treffen kann. (…)
Der Wille zur Ausradierung Israels ist die Konstante der arabischen Politik. Es besteht keinerlei Grund, die Ernsthaftigkeit des tausendmal Proklamierten herunterzuspielen. Hier nur wenige repräsentative Äußerungen Nassers: “Unser Ziel ist die Schaffung eines vereinten und ununterbrochenen arabischen Raumes, in welchem Israel ausgemerzt sein wird”. (Botschaft an die arabische Studentenversammlung, London, 15. Mai 1965) “Das nationale arabische Endziel ist die Ausrottung Israels”. (Gemeinsames Kommunique mit dem Präsidenten des Irak, 25. Mai 1965) “Unser Ziel ist die Vernichtung des israelischen Staates”. (Rede in Kairo, 18. November 1965) “Die Existenz Israels an sich ist Aggression.” (Pressekonferenz Kairo, 28. Mai 1967) Aber auch der “gemäßigte” Hussein ließ eine Briefmarke drucken, die ein hashemitisches Königreich bis zum Mittelmeer zeigt, in dem Israel nicht mehr existiert. Das ägyptische Artilleriefeuer, sagte der Korrespondent des Beiruter Daily Al-Muharrer, tönt “wie Mozarts (!) Neunte Symphonie”.
Beim Staatsmord allein soll es aber nicht bleiben. Ihm soll ein Volksmord hinzugefügt werden. Der unversöhnliche Hass gegen Israel richtet sich auch gegen die Israelis und konvergiert so mit dem Vernichtungsantisemitismus. “Der Hass, den wir unsern Kindern einprägen, ist ein heiliger Hass”, sagte der syrische Unterrichtsminister. Eine UNESCO-Kommission begutachtete arabische Schulbücher: sie empfahl die Rücknahme von acht und die Änderung von 59 Ausgaben. In vielen von ihnen wird die Sprache des internationalen Antisemitismus geführt. In einem Rechenbuch entdeckte sie die Aufgabe: “Du tötest von 10 israelischen Kindern 4, wie viel bleiben dann noch?”. (..)
Was die arabischen Staaten irgend tun konnten, um ihre Drohungen in die Tat umzusetzen, haben sie getan. Sie fielen am Tage nach seiner Gründung von allen Seiten über den jungen Staat her. Zurückgeschlagen, verhängten sie den Wirtschaftsboykott, durch den Israel erdrosselt werden sollte. Es kam zur Sperrung des Suezkanals für israelische Schiffe und zu dem Plan, das für Israel lebenswichtige Jordanwasser abzuleiten und großenteils ungenutzt versickern zu lassen.
Auch die arabischen Dispositionen im Mai/Juni 1967 waren nicht nur defensiv: das lässt sich anhand erbeuteter militärischer Befehle beweisen. Nach der Erneuerung der Blockade der Meerenge von Tiran, womit er ein internationales Abkommen umstieß, erklärte Nasser am 20. Mai im Radio Kairo: “Mit der Schließung des Golfes von Akaba steht Israel zwei Alternativen gegenüber, von denen jede es zerstören wird. Es wird entweder zu Tode gewürgt durch die arabische ökonomische Blockade, oder es wird vernichtet werden unter dem Feuer der arabischen militärischen Kräfte.” Am 24. Mai sekundierte die Kairoer Tageszeitung Al Ahram: “Israel wird die Schließung der Meeresstraße nicht hinnehmen, deshalb kann der Krieg jeden Augenblick ausbrechen.” Nasser am 26. Mai: “Es wird sich diesmal um einen totalen Krieg handeln und unser Ziel ist die Vernichtung Israels.” Er verkündete eine allgemeine Mobilmachung und brachte seine Armeen in Sinai bis auf sechzig Kilometer an Tel Aviv heran. Er errichtete ein einheitliches Militärkommando mit Syrien, Jordanien und anderen arabischen Staaten, die ebenfalls ihre Truppen entlang den Grenzen mit Israel zusammenzogen. Zusammen wurden Hunderttausende von Soldaten, weit über tausend Panzer, tausend Kampfflugzeuge um den leicht verletzbaren Staat Israel – Husseins Kanonen standen nur fünfzehn Kilometer von Tel Aviv – konzentriert. Die Syrer verstärkten ihr Artilleriefeuer auf landwirtschaftliche Siedlungen im Jordantal. Die von ihnen organisierten Terrorakte wurden täglich tödlicher. Der ganzen Welt wurde mitgeteilt, dass die Auslöschung des jüdischen Staates unmittelbar bevorstünde. Die jordanische Armee gab Anweisungen, sämtliche Einwohner eroberter Ortschaften auszurotten.
Wie kann Deutscher es wagen, angesichts dieser unverhüllten und auf Eroberung gerichteten Einkreisungsstrategie der Nachbarstaaten von der “Aggressivität” Israels zu sprechen? Hätte Israel sich damals nicht verteidigt, so existierte es nicht mehr. Die Redeweise vom israelischen “Aggressor” ist eine arabisch-sowjetische Gemeinschaftslüge, nach dem Rezept gefertigt, dass Lügen ein gewisses Größenmaß überschreiten müssen, um dann wieder Gehör zu finden. Die Sowjetunion widerspricht sich selbst, denn 1956 legte sie einem Sonderausschuss der UNO folgende Definition vor: “In einem internationalen Konflikt wird der Staat als Angreifer erklärt, der als erster folgende Taten ausführt: … Unterstützung von bewaffneten Banden, die aus seinem eigenen Territorium organisiert wurden und die in das Territorium eines andern Staates eindringen.” Die Lüge ist aber sowohl bei Arabern wie Russen wie auch bei de Gaulle, der sich ihr anschloss, wenigstens eine politisch motivierte Lüge. Es blieb der Neuen Linken vorbehalten, sie als höhere Wahrheit für Eingeweihte anzubieten. Was dort erklärlich und aus der Perspektive des Handelnden gerechtfertigt sein mag, erfüllt hier nur den Tatbestand der böswilligen Verleumdung.
Wie kann Deutscher dafür, dass ein rings umstelltes und mit Extermination konfrontiertes Volk in seiner Not und um zu überleben zu den Waffen greift, Worte gebrauchen wie “jener Wahnsinn aus Kampfeslust, Arroganz und Fanatismus”? Zieht man so mit erhobenem Zeigefinger, kontemplativ und besserwisserisch neben der Geschichte stehend, über Menschen her, die in einer absoluten Situation standen und keine andere Wahl hatten? Dies ist die Methode der Mesquinen, dem, dessen Nase einem nicht gefällt, Ehre und Ruf abzuschneiden, ihn zu diffamieren und der Lächerlichkeit preiszugeben. Ressentiment rächt sich an der Leistung, indem es sie entwertet und verzerrt. Notwehr heißt dann “Wahnsinn”, das Sich-Befreien aus tödlicher Umklammerung “Kampfeslust”. Mit “Arroganz und Fanatismus stießen die Israelis vor”: etwa so wie die Nazis in die Ukraine? Hätten sie sich untätig ermorden lassen sollen? War es ein Verbrechen, dass sie gewannen? Offenbar hätte Deutscher ihre Niederlage lieber gesehen und kann ihnen den Sieg nicht verzeihen.” (…)
Nach über vierzig Jahren hat die Schrift Michael Landmanns nichts von seiner Aktualität verloren. So gut wie jede Verteidigungsaktion Israels wird heutzutage von deutschen Antizionisten abgelehnt und so gut wie jede Terroraktion der Palästinenser und ihrer Verbündeten von Pseudolinken ignoriert, verharmlost, relativiert oder begrüßt. Moderne Antisemiten gedenken jedes Jahr der Reichspogromnacht und polieren Stolpersteine von ermordeten Juden um gleichzeitig für das Recht des Irans auf atomare Bewaffnung einzutreten und jüdische Produkte aus Israel zu boykottieren. Es bleibt nach wie vor das Rätsel unserer Zeit wie sich Pseudolinke für die Gleichberechtigung der Frau in Europa einsetzen können um gleichzeitig die frauenverachtende Politik in den arabischen Staaten zu beschweigen, wie es Pseudolinke schaffen den demokratischen Staat Israel, die Insel der Aufklärung im Nahen Osten, zu delegitimieren und zu dämonisieren um gleichzeitig die islamfaschistische Ideologie, sowie die menschenverachtenden und antisemitisch motivierten Mordtaten von Hamas, Hisbollah und anderer arabischer Terrorregierungen zu verharmlosen oder gar gutzuheißen. Es kann nur als eine ideologische Verwahrlosung bezeichnet werden wenn Pseudolinke den alten „Antiimperialismus“ auf die islamistischen Bewegungen und Regimes übertragen, denn der Islamismus steht gegen alles, wofür eine emanzipatorische Linke jemals eingetreten ist.
Die pseudolinken antizionistischen Studenten der sechziger und siebziger Jahre sind inzwischen, wie es Michael Landmann bereits vor über 40 Jahren befürchtete, “als Lehrer, Publizisten und als Beamte in maßgeblichen Stellungen Multiplikationen”. Der antiisraelische Furor ist längst im politischen Mainstream angekommen in dem die Unterscheidung zwischen “links” und “rechts” kaum noch getroffen werden kann. Um die einschlägigen antizionistischen Vorurteile und Ressentiments zu lesen, muss man nicht unbedingt ein nationalbolschewistisches, antizionistisches Wochenblatt abonnieren, es genügt die Süddeutsche Zeitung aufzuschlagen, einer Debatte im Bundestag über den Nahostkonflikt zu lauschen oder einen Bericht über Israel in 3sat zu sehen.
Michael Landmann gebührt mit Jean Améry das Verdienst bereits vor über vierzig Jahren aus linker Perspektive die ideologische Verwahrlosung dieser Pseudolinken geächtet zu haben. Die Erkenntnisresistenz von Antizionisten und ihren Verteidigern ist mittlerweile sprichwörtlich, so dass die Idee der Emanzipation nur gegen diese Kreise durchgesetzt werden kann. Mit Michael Landmann ist abschließend zu konstatieren: Argumente, die von einer Vernichtungsankündigung begleitet werden, sind keine Argumente. Wer das Gespräch damit eröffnet, dass es in Liquidierung enden soll, ist kein Partner. Indem sich “linke Israelkritiker” mit denen identifizieren, die Israel liquidieren wollen, stiften diese Pseudolinken eine Situation, die keinerlei Gespräch mehr aufkommen lässt.
Quelle: Michael Landmann – Das Israelpseudos der Pseudolinken – Herausgegeben von Jan Gerber und Anja Worm für die » Materialien zur Aufklärung und Kritik« – ça ira Verlag – Oktober 2013, 148 Seiten (“Das Israelpseudos der Pseudolinken” erschien zuerst 1971 im Colloquium-Verlag in Berlin)