Heute zur Abwechslung mal ein Musiktipp.
Es ist kaum zu fassen, dass dieser Text schon fast 90 Jahre alt ist. Man könnte ein paar Wörter auswechseln (z. .b. “Kernkraftwerke” statt “Kohlenfelder” usw.) und schon ist alles brandaktuell.
Zum Anhören einfach auf den Link klicken.
Merkt ihr nischt?
Merkt ihr nischt –?
Eine ganze Industrie
schluckt die dicken Gelder,
treibt die Preise hoch – denn sie
hat die Kohlenfelder.
Sie kann schröpfen und sie schröpft
euch, die Konsumenten;
von dem Geld, euch abgeknöpft,
zahlt sie die Agenten …
Presse, Kinos, süß gemischt –
Merkt ihr nischt?
Käseblätter schelten brav
auf die Republike.
Und es tapst das deutsche Schaf
nach der Preßmusike.
Weil der Bauer profitiert
von den Feldgewächsen:
loben Filme – wie geschmiert! –
Fridericus Rexn.
Warum wird das aufgetischt?
Merkt ihr nischt –?
Was mit offnen Mäulern prahlt:
»Wir – wir sind die Stärkern!«
Das ist alles bar bezahlt –
und von euern Märkern!
Vorn der Militärsoldat
und die Ideale –
hinten steht ein Syndikat:
Zahle, Dummkopf, zahle!
Von der Welt könnt ihr nichts wissen.
Ach, wie seid ihr angelogen!
Und sie zahlen blutige Zinsen.
Und die Bauernfänger grinsen,
weil ihr alldeutsch aufgefrischt …
Merkt ihr nischt –?
Kurt Tucholsky, 1922