Merkel droht mit “Wachstums-Agenda”

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Auf dem grossen Kreuzfahrtschiff der EU steht Deutschland in seiner Luxuskabine am Bug und trinkt Champagner. Besonders gut ist die Aussicht übers Meer heute, weil der Bug ungewöhnlich hoch liegt. Das wiederum liegt daran, dass das Heck bereits abgesoffen ist. An der Bugwand des Luxusliners steht in riesigen roten Lettern “Titanic”. Angela scheint jetzt etwas gemerkelt zu haben, denn Europas oberste Spar-Domina schiebt ihrem “unverhandelbaren Fiskalpakt” nun eine “Wachstums-Agenda” nach, die sie im Juni von ihren Kollegen absegnen lassen will.

In einem Interview mit der Leipziger Volkszeitung sagt sie auf die Frage “Also keine zusätzlichen Wachstumsimpulse?”:

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Die stehen in der EU schon seit letztem Jahr auf der Tagesordnung. Mehrere Europäische Räte haben sich bereits sehr konkret damit beschäftigt, für den Juni-Rat bereiten wir eine Wachstums-Agenda vor. Schon heute können zum Beispiel Länder die Strukturfonds flexibler nutzen, um mittelständischen Unternehmen zu helfen. Unsere Politik zur Überwindung der Staatsschuldenkrise beruht auf zwei Säulen: zum einen auf einer soliden Finanzpolitik, ohne die es keine Befreiung aus der Schuldenkrise geben wird, die allein aber nicht ausreicht. Deshalb muss daneben zum zweiten auch eine Politik stehen, die Wachstum und Beschäftigung fördert, die die Staaten wieder wettbewerbsfähig macht, aber nicht wieder ein Wachstum auf Pump. Neue staatliche Konjunkturprogramme würden Europa nicht helfen. Was wir brauchen, sind Strukturreformen. Wir müssen die Hemmnisse für eine gute wirtschaftliche Entwicklung abbauen. Wir in Deutschland haben doch selbst erfahren, wie wirksam durchgreifende Arbeitsmarktreformen für echtes, nachhaltiges Wachstum sind. Ich kann mir auch vorstellen, dass wir die Möglichkeiten der Europäischen Investitionsbank noch verstärken.
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Millionen prekäre Arbeitsverhältnisse zu schaffen sind also wichtig für echtes, nachhaltiges Wachstum. Deutschland hat es vorgemacht, jetzt werden alle anderen gezwungen, diesen Schritt nachzuvollziehen. Doch die “Strukturreformen”, die Griechenland schon ins Elend gestürzt haben, und das in Spanien, Portugal und Irland (merke: Irland liegt nicht im Süden Europas!) gerade auch bewerkstelligen, schaffen kein Wachstum. Auch keine Jobs, wie Mariano Rajoy gerade aufgefallen ist, bevor er kundtat, dass “in dieser Legislaturperiode 500.000 Arbeitsplätze verlorengehen werden” nach seiner drastischen Arbeitsmarktreform.

Angela Merkel beginnt zu begreifen, wenn auch langsam, dass Deutschlands Stern sinken muss, wenn überall rundherum die Kunden wegbrechen für die exorbitanten deutschen Exporte. Sie hat angefangen zu verstehen, dass die Luxuskabine am Bug die Rechnung für die gesamte Havarie zahlen wird, wenn die Musterschüler unter den EU-Regierungschefs weiterhin brav mithelfen, ein Land nach dem anderen kaputtzusparen. Denn ob die EZB sackweise Staatsanleihen von Spanien oder Italien kaufen muss – Länder, deren Wirtschaft zu gross ist, um “gerettet” werden zu können – oder ob, wie zu vermuten ist, dass die Bundeskanzlerin am Ende den Euro-Bonds doch zustimmen muss: In beiden Fällen wird Deutschland die Rechnung für alle zahlen, so oder so.

Deswegen will Merkel jetzt die “Wachstums-Agenda” im Juni durchbringen. Aber ohne auf die Kaputtsparerei – pardon Strukturreformen – zu verzichten.  Also Wachstumsprogramme und knallharter Sparkurs gleichzeitig.  Die Quadratur des Kreises.  Sie wird wissen, wovon sie redet – wie immer. Wahrscheinlich ist es schon der erste “Hollande-Effekt”, der sich in Berlin bemerkbar macht.


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