Menschlichkeit

Täglich begegnen wir Menschen, egal wo wir sind: sobald wir das Haus verlassen, queren andere Menschen unseren Weg: Nachbarn, Freunde, Bekannte, Fremde, Familienmitglieder, Erwachsene, Kinder.

Manche sind uns sympathisch, manche weniger. Das ist menschlich. Nicht jeder Mensch ist uns so sympathisch, dass wir mit ihm befreundet sein möchten und das ist ok so. Auch das ist menschlich.

Jeder Mensch hat eine ganz persönliche Geschichte, Erlebnisse, Erfahrungen, Glück, Traurigkeit. Und jeder einzelne Mensch hat es verdient, wahrgenommen zu werden, beachtet zu werden.

Wenn ich durch unsere Straßen gehe und Menschen begegne, lächle ich sie an - aus Freundlichkeit, aus Nächstenliebe, aus Höflichkeit, einfach so. Nur ganz selten lächelt jemand zurück - die meisten Menschen verziehen keine Miene. Das macht mich traurig und nachdenklich. Alle Menschen scheinen in Eile, Stress, Hektik, müssen eben mal schnell noch dies erledigen und haben keine Zeit für ein Lächeln oder freundliches Wort. Dabei nimmt das keine zusätzliche Zeit in Anspruch, es dauert genauso lange, ob ich lächle oder nicht. Aber ich kann durch diese einfache kleine Geste oder ein freundliches Wort etwas bewirken. Ist das die normale Entwicklung der Welt - wie Dani vom Blog "Glucke und so" sagt, dass sich die Welt verändert? Oder können wir etwas daran tun, dass die Entwicklung wieder menschlicher wird und wir wieder mehr aufeinander achten?

Ich bin in einem Dorf groß geworden, in dem jeder jeden kannte - auch wenn nicht jeder jeden mochte, hat jeder jeden auf der Straße gegrüßt. Zumindest ein "Guten Morgen, guten Tag" und vielleicht sogar noch ein "Geht's Dir gut?" war selbstverständlich. Ich habe dies immer beibehalten, auch wenn die Städte, in denen ich wohnte und wohne, unpersönlicher geworden sind, weil eben nicht jeder jeden kennt.

Ich wohne nun in einer Stadt mit knapp 160.000 Einwohnern - allerdings in einem Stadtteil mit Dorfcharakter. Wenn ich unsere kleine Fußgängerzone betrete, fühle ich mich erinnert an das Dorf, in dem ich groß geworden bin. Die Mitarbeiter der Geschäfte, in denen wir regelmäßig sind oder an denen wir regelmäßig vorbeigehen, kennen uns. Meine Kinder winken beim Vorbeilaufen und meistens wird auch zurück gewunken.

Auf unserem Weg durch das Dorf begegnen uns Menschen:

  • der Straßenkehrer, der dafür sorgt, dass der Müll von anderen Menschen, aber auch Staub und Blätter von unserem Gehweg frei geräumt sind.
  • die Mitarbeiterinnen der Reinigung, die die Hemden von meinem Mann viel besser waschen, reinigen und bügeln können als ich es jemals könnte.
  • die alte Dame,die Pfandflaschen aus den Mülleimern zusammen sucht, weil ihr Geld scheinbar nicht zum Leben reicht.
  • der Mann, der schon früh morgens zum Kiosk geht und mit einer Flasche Bier in der Hand zurück kommt.
  • die Eltern, die ihre Kinder in den Kindergarten bringen, in den auch ganz bald meine Große gehen wird.
  • die nette Mitarbeiterin im Eiscafé, die mich immer freundlich anlächelt, auch wenn ich meistens nur vorbei gehe
  • die Taxifahrer, die darauf warten, dass jemand mit ihnen fahren möchte.
  • der Rollstuhlfahrer, der gemütlich und scheinbar ziellos durch die Fußgängerzone fährt.
  • der Musiker, der an Markttagen dafür sorgt, dass wir von (meist) schönen Liedern beim Einkauf begleitet werden.

Ich könnte diese Liste noch unendlich fortsetzen. All diese Menschen gehören für mich zum Dorfleben, zum Stadtleben, zu dieser Welt. Jeder einzelne Fußgänger und Radfahrer und Autofahrer - alle gehören dazu, alle haben ihre Geschichte, jeder Mensch möchte doch irgendwie wahrgenommen werden und ich weiß nicht, ob sie wissen, dass ich sie tatsächlich wahrnehme und dass mir etwas fehlt, wenn ich ihnen mal nicht begegne. Ich wünsche mir, dass auch ich nicht nur irgendein Mensch bin, sondern dass ich wahrgenommen werde und für die Menschen, denen ich begegne, auch irgendwie dazu gehöre. Und ich wünsche mir, dass meine Kinder auch freundlich und aufgeschlossen den Menschen begegnen und sie wahrnehmen. Sie leben das weiter, was wir ihnen vorleben und mitgeben.

Deshalb höre ich nicht auf, die Menschen, denen ich begegne, anzulächeln, ihnen einen guten Morgen oder guten Tag zu wünschen. Es ist mir zwar nicht egal, dass sie keine Miene verziehen - ich werde trotzdem weitermachen. Vielleicht kommt irgendwann ein Lächeln zurück, vielleicht bleibe ich dadurch den Menschen im Gedächtnis, vielleicht bin ich genau dadurch nicht irgendeine, die durch's Dorf geht und einkauft, sondern die, die immer so freundlich grüßt und lächelt. Lasst uns die Menschen achten und beachten und nicht einfach achtlos an ihnen vorüber gehen. Sie gehören dazu - genau wie Du und ich. Eure Renate

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