Große Sorgen in Hamburg um die Fortsetzung der Nato-Offensive in Libyen. Drei Wochen nach der vollständigen Vernichtung der Gaddafi-Luftwaffe, zwei nach der Errichtung einer wasserdichten Flugverbotszone und drei Tage nach dem letzten Angebot an den Mitte März als "Diktator" enttarnten früher so gern gesehenen Staatsgast, sein Amt aufzugeben, treibt den"Spiegel" die Angst um, der "Hightech-Krieg gegen Gaddafi" könne nach gerademal 800 erfolgreichen Bombenangriffen zum Schutz der Menschenrechte "schon ins Stocken" geraten, weil den Allierten "die lasergesteuerten Präzisionsbomben für den Nato-Einsatz" ausgehen. Das als "Sturmgeschütz der Demokratie" (Rudolf Augstein) traditionell militärisch denkende Magazin verweist auf große Vorräte der USA an moderner Munition. Doch die passe nicht zu den europäischen Jets.
Es ist das alte Dilemma vieler großer Armeen, dass die Vielfalt der verwendeten Waffen dazu führt, dass Überbewaffnung zu sinkender Feuerkraft führt. Die Militärzeitschrift von der Elbe zitiert einen besorgten Waffenexperten, der der "Washington Post" gesagt habe: "Wenn den Europäern schon zu so einem frühen Zeitpunkt in so einer kleinen Mission die Munition ausgeht, fragt man sich, auf welche Art von Krieg sie sich vorbereitet haben." Libyen sei "kein großer Krieg", aber "vielleicht wollten sie ihre Luftwaffen nur bei Flugshows einsetzen".
Die Wirkung wäre zumindest in etwa dieselbe gewesen, denn der Versuch, Gaddafi mit Hilfe von ferngelenktem Beschuss pünktlich zum 66. Jahrestag der Bombardierung Nordhausens durch allierte Bomber ähnlich in die Knie zu zwingen wie seinerzeit den deutschen Machthaber Adolf Hitler scheint gescheitert. "Nato-Bomben fallen auf Tripolis, doch die Märkte sind voll und die Leute scheinbar ohne Sorgen", berichtet die "Presse" über einen neuen, äußerst gerissenen Propaganda-Trick des Regimes. Diesmal hat der trotzige Despot von Tripolis trotz der bereits zehn Tage zurückliegenden Vernichtung eines Drittels seiner Armee und von rund 30 Prozent seiner veralteten Kampfpanzer eine ganz große Inszenierung bestellt: "Im Souk schlendern die Menschen. Alles ist zu haben", heißt es in der "Presse" und der "Zeit" gleichlautend. Vom Bürgerkrieg sei nichts zu spüren. „Alles super, alles gut in Tripolis“, höre man von Taxlern oder Passanten.
Der Tyrann klammert sich an seine Macht und "tatsächlich", bemerken die deutschen Reporter kaum Spuren der Bombardements, die vielleicht aus Munitionsmangel auch gar nicht stattgefunden haben: "Die Läden sind offen, auf den Straßen chaotischer Verkehr, den Verkehrspolizisten, wie in anderen arabischen Großstädten, vergeblich zu regeln versuchen. Die blau Uniformierten sind sie einzigen sichtbaren Vertreter der Staatsgewalt. Keine Straßensperren, kein Militär."
"Sind die europäischen Nato-Partner nicht in der Lage, einen relativ kleinen Einsatz ohne die US-Streitkräfte zu bestreiten?", fragt der "Spiegel" folglich mit Fug und Recht. Werden die Franzosen durch ihre gleichzeitig an der Elfenbeinküste erforderlichen Bombenangriffe abgelenkt? Fehlen die nahkampferfahrenen deutschen Truppen? Müssen die USA, die nach Angaben des damaligen SPD-Generalsekretär Hubertus Heil bereits mit den einsätzen in Afghanistan und dem Irak einen "Flächenbrand im Nahen Osten" ausgelöst hatten, "an die vorderste Front im Kampf gegen das Gaddafi-Regime" (Spiegel) zurückkehren?