Menschenrechte in Iran - schlichtweg katastrophal

Menschenrechte in Iran - schlichtweg katastrophal

28.05.2011Artikel zu Iran Aktionen erstellt von Dr. Hale Enayati

Vortrag während der Pressekonferenz "Menschen, Rechte, Freiheit - Iran" am 3. Mai in Frankfurt.

Menschenrechte in Iran - schlichtweg katastrophal

Dr. Hale Enayati

Vielen Dank für die Einladung und die Organisation dieser Konferenz. Gerade in diesen Tagen, wo die Medien sich schwerpunktmäßig mit Problemen in anderen Staaten als dem Iran beschäftigen, ist es wichtig, solche Veranstaltungen abzuhalten, um den Menschen im Iran zu zeigen, dass ihr Leid nicht unbeobachtet bleibt und auch den Machthabern im Iran zu signalisieren, dass es uns hier in Deutschland nicht gleichgültig ist, was im Iran passiert, dass wir das Geschehen auch von hier – so gut es uns möglich ist – beobachten und versuchen andere darüber zu informieren.

Die Situation der Menschenrechte im Iran ist – man kann es nicht anders bezeichnen – schlichtweg katastrophal: der Umgang der Regierung mit Menschen– und Frauenrechtsverteidigern, die Hinrichtungen von politisch Andersdenkenden, die eingeschränkte Presse- und Meinungsfreiheit, die strukturelle Diskriminierung der Frauen, die Massenverhaftungen seit den Wahlen 2009 sind einige Beispiele und die Liste könnte noch lange fortgesetzt werden.

Ich werde gleich auf die aktuelle Situation der Bahá’í im Iran eingehen. Zuvor wollte ich aber einen anderen Aspekt ansprechen: Was für ein Problem haben die Machthaber im Iran mit den Bahá’í, die mit 300.000 Mitgliedern die größte religiöse Minderheit im Land darstellen?

Von Seiten der Regierung wird den Bahá’í immer wieder vorgeworfen eine „perverse politische Sekte“ zu sein, „Zionisten“, „Spione“ oder „Destabilisierende der islamischen Ordnung“, sie gelten als eine „Gefahr für die nationale Sicherheit“.

Wer den Bahá’í-Glauben etwas kennt, weiß wie haltlos solche Anschuldigungen sind. Der iranische Staat hat von den Bahá’í nichts zu befürchten, schreiben doch ihre eigenen Glaubensgrundsätze den Bahá’í vor, sich an die Gesetze des Landes zu halten, in dem sie leben. Die Bahá’í setzen sich für den Fortschritt ihres Landes, für ihre Rechte und die der anderen ein, aber immer innerhalb des Rahmens, denen ihnen die Gesetze gewähren.

Das haben die Bahá’í im Iran getan, tun es und werden es auch weiter tun.

Natürlich findet die Loyalität gegenüber der Regierung dort ihre Grenzen, wo von den Bahá’í verlangt wird, ihrem Glauben abzuschwören.

Das haben die Bahá’í nicht getan, tun es nicht und werden es auch nicht tun.

Was also ist es, dass die Machthaber im Iran an den Bahá’í so erzürnt? Was ist es, dass dazu geführt hat, dass die Bahá’í-Gemeinde seit ihrem Entstehen im 19. Jahrhundert in ihrem Geburtsland Verfolgungen ausgesetzt ist, die immer bestanden – mal mehr, mal weniger – und in den letzten Jahren wieder verstärkt zugenommen haben.

Die Antwort ist eindeutig: Es ist die Tatsache ihres Bestehens selbst, ihres Anspruches und ihrer fortschrittlichen Lehren, die im Kontrast zur traditionell-orthodoxen islamischen Auffassung stehen. Nach traditionell-orthodoxer Auffassung kann es und darf es eine solche Religion nicht geben.

Die Bahá’í lehren, dass die Kette der Religionsstifter bzw. Gottesboten mit Muhammad nicht geendet hat, sondern dass weiterhin Gottesboten erscheinen werden – wie es eben mit Bahá’u’lláh – dem Stifter der Bahá’í-Religion – geschehen ist und auch in Zukunft mit anderen Gottesboten geschehen wird. Nach traditionell-orthodox-islamischer Auffassung ist aber das Erscheinen eines Religionsstifters nach Muhammad nicht möglich.

Zudem lehrt der Bahá’í-Glaube moderne Prinzipien – ich werde jetzt nur zwei davon erwähnen – wie die Gleichberechtigung von Frauen und Männern, welches nicht nur eine geistige Gleichwertigkeit, sondern eine Gleichberechtigung bedeutet, die es erfordert, dass Frauen und Männern tatsächlich gleiche Rechte und Möglichkeiten gewährt werden.

Auch die Gemeindeordnung der Bahá’í ist ein sehr neuartiges System: Sie verzichtet auf Priester, auf Mullahs, auf Ayatollahs, auf Parteien oder individuelle Machtansprüche. Die Gemeinden werden verwaltet durch demokratisch gewählte Räte (im Iran sind diese seit 1983 verboten, aber sonst überall rund um den Globus bestehen sie).

All das ist den iranischen Machthabern ein Dorn im Auge. Nach dem Motto, dass das, was nicht sein darf, auch nicht sein kann[1], wird systematisch versucht den Bahá’í-Glauben im Keime zu ersticken. Dahinter steckt natürlich auch die Angst der iranischen Machthaber, dass die Menschen im Iran an einem solchen Glauben Gefallen finden könnten.

Die Verfolgungen sind systematisch. Das weiß die Weltöffentlichkeit spätestens seit 1993, als das Golpaygani-Memorandum von der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen als authentisch verifiziert und veröffentlicht wurde. Die Verfolgungen finden auf allen Ebenen und mit einer Vielzahl von Methoden statt.

Zu den Mitteln zählen nicht nur die üblichen Verfolgungsmethoden wie Verhaftungen und Verurteilungen. Die Verfolgung beginnt auf der untersten Ebene mit dem Verbreiten von falschen Nachrichten, mit systematischen Desinformationen über die Bahá’í, die das Ziel haben, die Bevölkerung gegen die Bahá’í aufzuhetzen. „In einigen Städten haben die aufrührerischen Hasspredigten der muslimischen Geistlichkeit bereits die Bevölkerung gegen die Bahá’í aufgehetzt. So werden in einigen Städten Petitionen gegen die Bahá’í ausgelegt und bei Freitagsgebeten vor den Moscheen Unterschriften gegen die Bahá’í gesammelt. … Staatliche Medienunternehmen veröffentlichen regelmäßig Hasssendungen gegen die Bahá’í.“[2] Und selbst vor den Schulbüchern macht die Diffamierung und Desinformation nicht halt.1

Es wundert daher nicht, dass sich Berichte häufen, „wonach Häuser und Geschäfte der Bahá’í mit Hassparolen beschmiert werden und mit Molotow-Cocktails bewaffnete Unbekannte Bahá’í-Wohnungen angreifen2.

Ein Baha´‘í im Iran hat es nicht leicht – selbst wenn er nicht zu jenen gehören sollte, die verhaftet werden – ist doch sein Leben von Kindheit bis zu seinem Tod und selbst danach noch von Ausgrenzung und Verleumdung gekennzeichnet:

Es „treffen regelmäßig Berichte von Kindern und Jugendlichen ein, die nicht an Schulen und sogar an Grundschulen zugelassen werden oder von Lehrern und anderen Beamten schikaniert werden.2

Einer Vielzahl der jährlich durchschnittlich 1.000 Bahá’í Studienbewerber im Iran bleibt der Zugang zu den Universitäten … gänzlich verwehrt.“2 Diejenigen denen der Zugang gelingt werden zu späteren Zeitpunkten exmatrikuliert.

Auch bei der Sorge um den Lebensunterhalt sind die Bahá‘í großen Schwierigkeiten ausgesetzt. „Allein in der Provinz Teheran gibt es für die Bahá’í in 25 Branchen Berufsverbote.“ Sie „erhalten grundsätzlich keine Anstellung im öffentlichen Dienst, und Muslime werden unter Druck gesetzt ihre Bahá’í Angestellten zu entlassen.“2

Die Ausgrenzung eines Bahá’í setzt sich nach seinem Tod in Form der Entweihung von Friedhöfen oder Schikanen bei Bahá’í Beerdigungen fort. Allein „im vergangenen Jahr wurden Bahá’í Friedhöfe in Teheran, Ghaemshahr, Marvdasht, Semnan, Sari und Isfahan verunstaltet, dem Erdboden gleich gemacht oder sonst der Bahá’í Gemeinde unzugänglich gemacht.2

Ich komme nun zu dem weltweit und in Deutschland bekanntesten Beispiel der aktuellen Verfolgungen – zu der Verurteilung des Führungsgremiums der Bahá’í zu 20 Jahren Haft.

Fariba Kamalabadi, Jamaloddin Khanjani, Afif Naeimi, Saeid Rezaie, Mahvash Sabet, Behrouz Tavakkoli und Vahid Tizfahm waren Mitglieder einer informellen Koordinierungsgruppe, die sich um die notwendigsten Belange der 300.000 Mitglieder zählenden iranischen Bahá‘í-Gemeinde kümmerte. Die Bahá‘í repräsentieren die größte religiöse Minderheit des Landes, der es jedoch seit 1983 verboten ist, sich in demokratisch gewählten Gremien zu konstituieren. Seitdem hatte ein informelles Gremium, dessen Mitglieder die Verurteilten waren, ein Teil der Aufgaben übernommen, ehe auch dieses im Zuge der Verhaftungen aufgelöst werden musste.2 Die Maßnahme, ein solches informelles Gremium einzusetzen, „war im vollem Wissen der Regierung getroffen worden. Seit 1983 fanden regelmäßige Treffen zwischen der Regierung und der Koordinierungsgruppe statt.[3]

Schon vor der Verkündigung des Urteils im August waren die Festnahme, die Inhaftierung und der Prozess gegen die sieben Bahá’í nicht nur nach internationalem Recht, sondern sogar auch nach der iranischen Verfassung unzulässig und gesetzwidrig.

„Selbst nach iranischem Recht müssen Inhaftierte zügig und offiziell angeklagt werden. Die sieben Bahá’í Führer waren hingegen schon mehr als neun Monate ohne ein Wort der Anklage inhaftiert, darunter mehrere Monate in Isolationshaft, als die Anklagepunkte gegen sie auf einer Pressekonferenz und nicht vor Gericht vorgebracht wurden. Die Angeklagten hatten lange Zeit keinen Rechtsbeistand. Als sie endlich ihre Anwälte, Mitglieder des Defenders of Human Rights Center in Teheran, das von Nobelpreisträgerin Shirin Ebadi mitbegründet wurde, kontaktieren durften, dauerte das Treffen kaum eine Stunde. Auch wurden ihre rechtmäßigen Anträge auf Freilassung gegen Kaution abgewiesen.

Die Gerichtsverhandlung bestand aus sechs kurzen Anhörungen, die am 12. Januar 2010 begannen. Die Verhandlung wurde am 14. Juni beendet und das Urteil am 8. August den Anwälten mündlich mitgeteilt. Die Anklagepunkte lauteten u.a. auf Propagandaaktivitäten gegen die islamische Ordnung und Aufbau einer illegalen Organisation. Die Bahá’í wiesen alle Anklagepunkte kategorisch zurück.2

Nachdem am 25. August die Anwälte der zwei Frauen und fünf Männer gegen das Urteil Einspruch einlegten, fällte schließlich ein Berufungsgericht am 12. September 2010 sein Urteil: es widerrief die drei Anklagepunkte, wonach die sieben Bahá’í angeblich in Spionagetätigkeiten verwickelt gewesen waren, mit dem Staat Israel zusammengearbeitet und vertrauliche Staatsdokumente an ausländische Mächte weitergeleitet hätten, um die nationale Sicherheit zu unterminieren. Zugleich urteilte jedoch das Gericht im Grundsatz, dass die Religionszugehörigkeit der Angeklagten sowie ihre Tätigkeit innerhalb der iranischen Bahá’í-Gemeinde illegal gewesen waren. Auf dieser Basis und unter Druck von Offiziellen, die unbedingt einen Schuldspruch herbeiführen wollten, wurde die ursprüngliche zwanzigjährige Haftstrafe auf eine von zehn Jahren reduziert.“2

Nach unseren Informationen wurde die Reduzierung auf eine zehnjährige Haftstrafe, die vom Berufungsgericht am 12. September 2010 festgesetzt wurde, auf Betreiben des Generalstaatsanwaltes rückgängig gemacht. Der Generalstaatsanwalt kann gemäß iranischem Recht gegen jedes gefällte Urteil beim Leiter der iranischen Justiz Einspruch erheben, das seines Erachtens nicht im Einklang mit der Scharia gefällt wurde.“2

Für einige der Gefangenen bedeutet das wohl eine Haft bis zu ihrem Lebensende.

„Seit 2004 wurden nach den uns zur Verfügung stehenden Informationen 380 Bahá’í inhaftiert, unter diesen befinden sich derzeit 77 in iranischer Haft.“2 „Auch im März 2011 nahmen Agenturmeldungen zufolge die Behörden in Bam … eine Anzahl von Bahá’í fest“, denen vorgeworfen wird „in Form von Kindergärten ihre Programme zu verbreiten.“2

Schließlich ist die Verfolgung der Bahá’í im Iran letztlich mit Verfassungsrang normiert.

Artikel 13 der iranischen Verfassung listet abschließend die Religionen auf, die aus Sicht der Staatsreligion Islam „schutzwürdig“ sind; das sind die Zoroastrier, Juden und Christen.

Noch schlimmer könnte die Situation der Bahá‘í, aber auch anderer Gruppierungen werden, wenn das iranische Parlament eine Strafrechtsnovelle verabschiedet, die den Straftatbestand der Apostasie unter die sogenannten hadd-Strafen stellt. „Damit wäre es vollkommen legal und nach orthodoxem islamischen Verständnis ein nicht zu änderndes Gottesurteil, wenn die Bahá’í als Apostaten zum Tode verurteilt werden würden.“2

 


[1] Siehe hierzu Amsler, Peter, Darstellung religiöser Minderheiten in iranischen Medien, Beitrag zur IGMF-Jahreshauptversammlung am 19.März 2011 in Bonn, abrufbar unter: www.igfm.de/Peter-Amsler-Darstellung-religioeser-Minderheiten-in-iranischen.1560.0.html

[2] Aus der Pressemitteilung des Nationalen Geistigen Rates der Bahá’í in Deutschland, Zur Verfolgung der Bahá’í im Iran – Stand: April 2011; die für Mai aktualisierte Pressemitteilung ist abrufbar unter: www.bahai.de/fileadm/files/images/dokumente/Lagebericht_Mai_2011.pdf

[3] Der Nationale Geistige Rat der Bahá’í in Deutschland, Bericht „Unschuldig in allen Anklagepunkten – Der Prozess gegen die sieben iranischen Bahá’í-Führer“, abrufbar unter: www.bahai.de/news/der-prozess-gegen-die-bahai-fuehrungsmitglieder/unschuldig-in-allen-anklagepunkten.html

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