Menschenrechte im Iran müssen mehr Raum in der politischen Agenda bekommen

Menschenrechte im Iran müssen mehr Raum in der politischen Agenda bekommen

01.03.2010Aktionen erstellt von Hila Hossain, Helmut N. Gabel

Solidarität mit der Zivilgesellschaft im Iran. In Berlin fand die Konferenz "Die Menschenrechte im Iran - Unterstützung der Zivilgesellschaft aus Europa statt".

Menschenrechte im Iran müssen mehr Raum in der politischen Agenda bekommen

Am 19.Februar 2010 hat mehriran.de im Haus der Demokratie und Menschenrechte in Berlin eine Konferenz mit dem Titel „Die Menschenrechte im Iran – Unterstützung der Zivilgesellschaft aus Europa“ veranstaltet. Es ging um die Frage, wie die iranische Zivilgesellschaft aus Europa unterstützt werden kann, ohne dass sie weiteren Repressionen und Gefahren vom eigenen Regime ausgesetzt wird. Die Veranstaltung moderierte Dr. Carsten Wieland, der seine außenpolitische Erfahrungen mit Syrien und dem gesamten Nahen Osten mitbrachte. 

1. Der bekannte Soziologe und Politologe Wahied Wahdad-Hagh gab zunächst einen Einblick in den Prozess, durch welchen sich die totalitäre Diktatur im Iran zugespitzt hat. Typische Merkmale der religiös legitimierten totalitären Diktatur im Iran seien das Führerprinzip, die islamistische Propaganda, totalitäre Organe wie der Wächterrat, nationale Sicherheitsrat, Geheimdienst und Revolutionsgardisten, Bassidschi, Vielfalt von Organisationen ohne Parteien, Massenmobilisierungen, Massenbewegungen, Terror nach innen und nach außen, Revolutionsexport, Verfolgung von religiösen Minderheiten und Frauen. Diese Faktoren des neuen Totalitarismus seien sowohl vor Khatami als auch nach Khatami erhalten geblieben und äußerten sich heute mit Ahmadinedschad in einer verschärften Form, bspw. erscheinen die Pasadaran in einer militärischen Form: sie haben Geheimdienste im Ausland installiert  und verschiedene Ausbildungslager errichtet. Auch die spezielle Verfolgung von Bahai und Frauen markiert die zunehmend totalitäre Herrschaftsform. Die Unterstützung der iranischen Zivilgesellschaft könne zunächst über eine Schärfung des Bewusstseins dafür, dass im Iran eine totalitäre Diktatur herrscht, was sowohl national als auch international ein Problem darstellt, erreicht werden. Eine Aufklärungsarbeit in europäischen Ländern über diese Tatsache sei hier vonnöten. Sogenannte Soft Sanctions, die auch bereits von der Nobelpreisträgerin Shirin Ebadi gefordert werden, seien eine große Unterstützung. Ein Beispiel für solche politische Sanktionen sei die Verhinderung des Auftritts des iranischen Staatsorchesters in Deutschland, Schließung von Bankkonten von Regierungsmitgliedern im Ausland sowie die Verhinderung einer selbstverständlichen Einreise von Politikern, die offensichtlich in Menschenrechtsverletzungen involviert sind. 

2. Die Soziologin und Publizistin Saba Farzan bezeichnete die Vorgänge im Iran seit den Präsidentschaftswahlen im Juni 2009 als eine Revolution, die sich besonders im Internet, in der Rock und Hip und Hop Musik, die einen sehr starken politischen Charakter hat, sowie auf sexueller Ebene niederschlägt und in den Protesten auf den Straßen präsent ist. Die iranische Zivilgesellschaft sei somit auf dem Weg in eine unmittelbar demokratische Zukunft, dabei reiche eine moralische Unterstützung aus Europa längst nicht mehr aus. Vielmehr muss auf Basis von Sanktionen ein aktives Bündnis aus Europa und den USA mit den zivilgesellschaftlichen Kräften, die sich im Iran friedlich für ihre freiheitlich-demokratischen Rechte einsetzen, entstehen. Als mögliche Form der Sanktionen fordert Farzan beispielsweise die Ausweitung des Deutsche Welle Programms auf Persisch, die Einstufung der Passadaran als terroristische Gruppierung, wirtschaftliche Sanktionen sowie die Einfrierung von diplomatischen Beziehungen auf ein Minimum. Auch auf  Soft Sanctions, wie die jüngsten Proteste gegen eine Regimetreue Iran Konferenz in Hamburg zum Jahrestag der islamischen Revolution am 11. Februar 2010, sprach Farzan als Unterstützung der iranischen Zivilgesellschaft an. Farzan sprach sich ebenso gegen die oft geäußerte Annahme, dass stärkere Sanktionen aus dem Ausland zur Annährung der Bevölkerung an das Regime führen könnten. Die zwar zurückhaltenden UN-Resolutionen zum Atomprogramm haben das Regime in Bedrängnis gebracht, doch es sei keine Annährung der Bevölkerung an das Regime ersichtlich. Das iranische Volk sei fertig mit dem Regime Ahmadinedschads, es sei nun nur noch die Frage, wann das Regime endgültig außer Kraft gesetzt wird. Der friedliche Weg der iranischen Zivilgesellschaft ihre bürgerlichen Rechte ein zu fordern benötige daher nun eine aktive Unterstützung. 

3. Der Sprecher der Iran- Koordinationsgruppe von amnesty international Dieter Karg forderte die Thematisierung der Menschenrechtslage des Iran in politischen Verhandlungen, denn Menschenrechtsverletzungen habe es im Iran auch schon vor den jüngsten Ereignissen gegeben. Neu sei  allerdings die Dimension, in der diese Verletzungen stattfinden und zutage treten. In früheren Jahren haben Vergewaltigungsopfer aus Schamgefühl und aus Angst vor Entehrung nicht auf ihnen zugefügtes Leid aufmerksam gemacht. Seit den jüngsten Ereignissen sind auch immer mehr Männer, die während der Haft Vergewaltigungsopfer wurden, bereit, davon zu erzählen und auf diese Menschenrechtsverletzung aufmerksam zu machen. Um diese Menschenrechtsverletzungen zu unterbinden, müssen eben auch Lieferungen von Instrumenten, die Menschenrechtsverletzungen erzeugen, wie Schlagstöcke oder Fahrzeuge der Basdijmilizen, unterbunden werden. Amnesty international hat zur Unterstützung der iranischen Bevölkerung Emailkontakte eingerichtet, über welche Iraner von Menschenrechtsverletzungen berichten können, und so das Geheimhaltungsprinzip der Regierung umgangen werden kann. Zudem werden Menschenrechtsverteidiger und Anwälte in ihrer Arbeit von amnesty aktiv gefördert. 
Karg wies jedoch auch daraufhin, dass die islamische Republik Iran aufgrund des Rückhalts in z.B. Libyen, Kuba, Russland und China leider immer noch eine gewisse internationale Solidarität erfährt, zudem gebe es einen unterschwelligen Zusammenhalt von islamischen Ländern, die eine internationale Schwächung der islamischen Republik Iran erschwert. 

4. Der iranische Religionswissenschaftler Dr. Seyed Azmayesh aus Paris bemängelte, dass es in Europa immer eine falsche Vorstellung vom Islam und eine falsche Vorstellung vom Islam im Iran gegeben hat. Das iranische Regime habe jahrelang ein falsches Bild nach außen geliefert, um  seine Basis nach innen zu stärken. Im iranischen Gesetz wird jeder Paragraph als islamisch interpretiert, obwohl dies nicht richtig sei. Laut einer Umfrage unter Theologen wurde festgestellt, dass Steinigung in den islamischen Quellen nicht vorkommt. Folglich wurden Steinigungen zwar aus den Gesetzen entfernt, trotzdem würden sie noch durchgeführt werden. Die Menschenrechtsverletzungen, die bereits seit langer Zeit unter dem Regime stattfanden, wurden nach außen hin verneint. Doch durch die Ereignisse nach den Präsidentschaftswahlen im Juni 2009 habe ein Teil des Systems den anderen Teil entlarvt, denn sogar Ayatollah Chamenei habe Folter zugegeben und habe aus diesem Grund die Haftanstalt Kahrizak geschlossen. Nun seien auch Muslime im Nahen Osten hellhörig geworden, sie sehen, dass das System der islamischen Republik gescheitert ist und möchten dieses nicht auf die eigenen Länder übertragen, so Azmayesh. 
Die Ideologie des Regimes basiert auf der These, dass man die Lage für das Kommen des 12.Imams vorbereiten müsse. Wenn ein Regime seine Ideologie auf solch eine (apokalyptische) These gründet, dann spiele es keine Rolle wofür das Atomprogramm letztendlich genutzt wird. (Nach schiitischem Glauben wird der 12.Imam Mahdi, als Erlöser auf die Welt kommen und Wahrheit und Gerechtigkeit auf die Welt bringen). 
Der religiöse Faschismus, so müsse das System im Iran genannt werden, habe die Unterstützung der Massen verloren und je schwächer das System im inneren werde, desto eher werde es versuchen, nach außen Stärke zu zeigen.
Die islamische Republik Iran habe internationale Konventionen unterschrieben und sei zu ihrer Einhaltung verpflichtet. Es sei wichtig in Europa auf die Relevanz der Ereignisse im Iran für den Westen aufmerksam zu machen und die Gesellschaft über die Hintergründe und festgeschriebenen Absichten zu informieren und der iranischen Freiheitsbewegung mehr Raum in den Berichterstattungen einzuräumen.
Es gab eine rege Diskussion mit den Teilnehmern der Konferenz. Manche brachten immer wieder auch die Nuklearforschungen Irans ins Feld und verliessen den Rahmen der Menschenrechte. Dr. Azmayesh betonte jedoch, dass der Streit um die Nuklearforschungen vom Westen nicht gewonnen werden könne und es viel wichtiger sei die Einhaltung der Menschenrechte im Iran einzufordern, da das Regime an diesem Punkt empfindlich sei. 
Am Schluß waren sich alle einig, dass es noch weiterer Konferenzen und Aktionen zu Iran und als Unterstützung der Freiheitsbewegung im Iran bedürfe.

 

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