MENSCHENRECHTE IM IRAN

07.02.2012Politik & Gesellschaft erstellt von Bettina Fettich / Amnesty International Erlangen

ERLANGEN, 28.01.2011. Etwa 150 Besucher kamen am letzten Donnerstag zum „Themenabend Iran“ der Erlanger Hochschulgruppe von Amnesty International.

MENSCHENRECHTE IM IRAN

Um Menschenrechtsverletzungen in der Islamischen Republik Iran drehte sich das Podiumsgespräch mit dem Physiker Dr. Behrooz Bayat und dem Erlanger Professor Heiner Bielefeldt im Pacelli-Haus. Bayat, externer Berater der Internationalen Atomenergiebehörde in Wien, sieht die Würde des Menschen vielfach angetastet, wegen öffentlicher Hinrichtungen und Körperstrafen ebenso wie durch Schauprozesse und grausame Behandlung in Gefängnissen. Die Todesstrafe werde bei 19 Delikten verhängt, so dass der Iran „Weltmeister in Exekutionen per Capita“ ist. Der Alltag der iranischen Bevölkerung sei durchdrungen von strikten Regeln und der Kontrolle der Sittenwächter.

Was dies konkret bedeutet, zeigte die Videobotschaft von Mohsen Farzin. Im Jahr 2002 floh er über die Türkei und Griechenland aus dem Iran, ständig von der Furcht begleitet, wieder zurückkehren zu müssen. Seit anderthalb Jahren lebt er nun in Erlangen. Bielefeldt, Professor für Menschenrechte an der FAU, nahm dies zum Anlass, auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs gegen Griechenland und Belgien wegen der Behandlung von Flüchtlingen hinzuweisen: „Zumindest indirekt ist damit die ganze EU verurteilt worden.“

Den Iran sieht Bielefeldt, der im letzten Jahr zum UN-Sonderberichterstatter für Religionsfreiheit ernannt wurde, als „ein Land der Widersprüche“. Auf der einen Seite stehe ein Regime mit totalitärem Anspruch, auf der anderen die iranische Gesellschaft – „quirlig, lebendig, mit Hunger auf Auseinandersetzung.“ Dies hätten die Proteste nach den umstrittenen Wahlen 2009 ebenso gezeigt wie mutige Frauenzeitschriften oder die Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi. Bayat stimmte zu, dass der Widerspruch zwischen der modernen Gesellschaft und der „archaischen Verfassung“ Widerstand erzeugt. Er befürchtet aber, die internationale Gemeinschaft könne sich wegen der Konzentration auf das iranische Nuklearprogramm mit dem Regime arrangieren. „Die Delegitimation im Inneren muss sich auch im Ausland auswirken.“ Beide Redner plädierten deswegen für weltweite Solidarität, wenn es um Menschenrechte im Iran geht.

AMNESTY INTERNATIONAL ist eine von Regierungen, politischen Parteien, Ideologien, Wirtschafts- interessen und Religionen unabhängige Menschenrechtsorganisation. Amnesty kämpft seit 1961 mit Aktionen, Appellbriefen und Dokumentationen für die Opfer von Menschenrechtsverletzungen auf der ganzen Welt. Die Organisation hat weltweit 2,2 Millionen Unterstützer. 1977 erhielt Amnesty den Friedensnobelpreis.PRESSEINFORMATION

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ZUSATZINFORMATIONEN

TEILNEHMER AM PODIUMSGESPRÄCH

Dr. Behrooz Bayat studierte in Teheran und Frankfurt a.M. Physik. Nach der Promotion in Marburg arbeitete er an Universitäten und bei Siemens. Er ist freier Berater der Internationalen Atomenergiebehörde in Wien und sowohl in der „Union für eine säkulare und demokratische Republik Iran“ als auch im „Komitee zur Verteidigung der Menschenrechte im Iran“ aktiv.

Professor Dr. Heiner Bielefeldt ist Inhaber des Lehrstuhls für Menschenrechte und Menschenrechtspolitik der Friedrich-Alexander-Universität (FAU) in Erlangen. Nach dem Diplom-Abschluss in katholischer Theologie promovierte und habilitierte er in Philosophie. Professor Bielefeldt lehrte an den Universitäten in Mannheim, Heidelberg, Toronto, Bremen und Bielefeld. Bevor er im Winter 2009 zur FAU kam, arbeitete er als Direktor des Deutschen Instituts für Menschenrechte in Berlin. Im vergangenen Jahr wurde er zum UN- Sonderberichterstatter für Religionsfreiheit ernannt.

Moderator des Themenabends, Dr. Thomas Demmelhuber, ist Wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl für Politik und Zeitgeschichte des Nahen Ostens der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Er studierte hier und an der University of California in Berkely Politische Wissenschaft und Middle Eastern Studies. Im Jahr 2009 wurde Dr. Demmelhuber mit dem Dissertationspreis der Deutschen Arbeitsgemeinschaft Vorderer Orient ausgezeichnet.

Mohsen Farzin, geboren 1982 in Teheran, floh im Alter von zwanzig Jahren mit seiner Mutter und seinem Bruder aus dem Iran. Ihr Weg führte sie erst in die Türkei und nach Griechenland, vor anderthalb Jahren zog Mohsen Farzin nach Erlangen.

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MENSCHENRECHTSVERLETZUNGEN IM IRAN aus dem Amnesty Report 2010 (Berichtszeitraum: 1. Januar bis 31. Dezember 2009)

Vier Studenten der Teheraner Universität Amir Kabir wurden am 24. Februar 2009 in ihren Wohnungen festgenommen, weil sie sich am Tag zuvor an einer friedlichen Demonstration beteiligt hatten. Die Kundgebung richtete sich gegen einen Beschluss der Regierung, die sterblichen Überreste von Soldaten auf dem Campus beizusetzen und damit den Basij-Milizen und anderen Sicherheitskräften uneingeschränkten Zugang zum Universitätsgelände zu gestatten.

Übergriffe im Zusammenhang mit den Präsidentschaftswahlen

Die Behörden gingen im Umfeld der Präsidentenwahlen im Juni 2009 mit großer Härte gegen politische Proteste vor. Die seit vielen Jahren andauernde Repression erreichte dabei einen neuen Höhepunkt. Die Sicherheitskräfte, allen voran die Basij-Milizen, wandten exzessive Gewalt gegen Demonstranten an. Nach offiziellen Angaben wurden bei den Protesten 43 Personen getötet. Aus Kreisen der Opposition hieß es, wahrscheinlich seien über 100 Menschen ums Leben gekommen.

Bis Ende 2009 wurden mehr als 5000 Personen inhaftiert. Viele wurden gefoltert, einige sollen im Gewahrsam vergewaltigt oder in anderer Weise misshandelt worden sein. Mehrere Häftlinge erlagen ihren Verletzungen. Ab August fanden „Massenschauprozesse“ statt, die in keiner Weise den Standards für faire Gerichtsverfahren entsprachen. Den meisten, wenn nicht sogar allen Angeklagten wurde der Zugang zu einem Rechtsbeistand verweigert. Die Verhandlungen fanden hinter verschlossenen Türen statt, doch zeigte das staatliche Fernsehen Ausschnitte. Darin waren Angeklagte zu sehen, die offenbar erzwungene „Geständnisse“ ablegten. Mehr als 80 Personen wurden für schuldig befunden und zu Gefängnisstrafen von bis zu 15 Jahren verurteilt. Gegen mindestens sechs Angeklagte erging die Todesstrafe.

Todesstrafe

Der Iran gehörte nach wie vor zu den Staaten mit den meisten Hinrichtungen. Außerdem zählte er zu den wenigen Ländern, die noch immer jugendliche Straftäter hinrichten. 2009 wurden mindestens 388 Menschen exekutiert, unter ihnen ein Mann, der zu Tode gesteinigt wurde. Mindestens fünf der Hingerichteten waren zur Tatzeit noch minderjährig gewesen.

Die Zahl der bekannt gewordenen Hinrichtungen stieg in der Zeit der politischen Unruhen drastisch an. Im Zeitraum zwischen den Präsidentschaftswahlen am 12. Juni und der Amtseinführung von Mahmoud Ahmadinedschad am 5. August 2009 wurden 112 Hinrichtungen bekannt.

Meinungs- und Pressefreiheit

Die Behörden schränkten das Recht auf freie Meinungsäußerung in bislang ungekanntem Maße ein, indem sie Mobilfunk-, Festnetz- und Internetverbindungen blockierten. Im April warnten die Behörden SMS-Nutzer, infolge eines Gesetzes zur „Internetkriminalität“ würden alle SMS-Mitteilungen „kontrolliert“. Kritische Journalisten wurden verfolgt, unabhängige Gruppierungen der Zivilgesellschaft bespitzelt. Hunderte Studenten durften aufgrund ihrer politischen Aktivitäten auf dem Campus nicht mehr an den Vorlesungen teilnehmen.

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Diskriminierung

Frauen unterlagen weiterhin gesetzlicher Diskriminierung, auch wenn es einige geringfügige Verbesserungen gab. Frauenrechtlerinnen, die sich mit der Kampagne „Eine Million Unterschriften“ für ein Ende der rechtlichen Diskriminierung von Frauen einsetzten, wurden schikaniert, in Haft genommen, vor Gericht gebracht und mit Reiseverboten belegt.

Ethnische und religiöse Minderheiten litten ebenfalls unter Diskriminierung. Unter denen, die ins Visier der Behörden gerieten, befanden sich auch sunnitische sowie schiitische Geistliche, die eine Trennung von Staat und Religion forderten. Betroffen waren auch Anhänger der Gemeinschaften der Derwisch und der Ahl-e Haqq, Mitglieder einer philosophischen Gesellschaft namens Al-e Yasin, Christen sowie Anhänger der Glaubensgemeinschaft Baha’i, denen weiterhin der Zugang zu weiterführenden Schulen verwehrt wurde. Menschen, die vom Islam zu anderen Religionen konvertierten, liefen Gefahr, strafrechtlich wegen „Apostasie“ (Abfall vom Glauben) verfolgt zu werden, was im Iran mit der Todesstrafe geahndet werden kann.

Grausame, unmenschliche und erniedrigende Strafen

Iranische Gerichte verhängten Prügel- und Amputationsstrafen, die auch vollstreckt wurden. Im Februar 2009 bestätigte der Oberste Gerichtshof ein Urteil, wonach einem Mann Säure in die Augen geträufelt werden sollte. Der Mann hatte eine Frau auf dieselbe Weise um ihr Augenlicht gebracht.

Amnesty International: Missionen

Die iranischen Behörden verweigerten Amnesty International weiterhin den Zugang zum Land. Der Organisation wurde nach wie vor nicht erlaubt, die Lage der Menschenrechte vor Ort zu untersuchen. Das Einreiseverbot war kurz nach der Revolution im Jahr 1979 ausgesprochen worden.

Quelle: Amnesty International Gruppe Erlangen

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