Nun ist es also bald so weit: Computeralgorithmen können und sollen Fotografen und Bildredakteuren dabei helfen, große Bildarchive nach besonders ansprechenden Bildern zu durchsuchen. Aber ist es wirklich so trivial?
Ein Programm, welches bei der Auswahl und Beurteilung von Fotografien neben dem Inhalt auch ästhetische Aspekte berücksichtigen soll? Entwickler am Xerox Research Center Europe in Grenoble jedenfalls arbeiten daran und glauben: Ja, es funktioniert!
Es ist nicht neu, dass Algorithmen für eine „visuelle Beurteilung“ nach inhaltlichen Kriterien verwendet werden. Beispielsweise sortiert das von Prof. Dr. Kai Uwe Barthels Team entworfene Programm „ImageSorter“ Bilder auf der Basis einer Kombination von inhaltsbasierter Bildersuche mit einer für den Anwender gut nachvollziehbaren Anordnung. Das Ergebnis ist eine auf einer 2D-Landkarte oder Kugel automatisierte Systematisierung, die ähnliche Bilder dicht beieinander liegend darstellt (Quelle und weitere Informationen).
Neu - aber derzeit noch in der Prototyp-Phase - ist allerdings, dass nun offenbar auch ästhetische Merkmale wie „Ausleuchtung, Bildausschnitt und Motivruhe“ (Quelle) berücksichtigt werden können. Es soll also ein Computer darüber entscheiden, was wir Menschen als „schön“ empfinden?
Im Prinzip: Ja! Und es scheint durchaus möglich zu sein: Grundlage des Verfahrens seien entsprechend der französischen Entwickler positive Bewertungen von Bildern aus Online-Diensten wie z.B. facebook oder flickr. Gestützt werden diese Einschätzungen von Expertenmeinungen zu visuell ansprechendem Material. Also immerhin: Es entscheidet offensichtlich eine breite Masse von Menschen über „Schönheit“ und keine isolierte „Elite“. Dennoch: Das „Schöne“ und „Ansprechende“ bleibt stets subjektiv und deswegen kann der Algorithmus nur als Unterstützung zur persönlichen Meinung gesehen werden.
So viel zur Basis der Einschätzung von „Schönheit“. Das eigentliche Verfahren - also der Algorithmus - wird (verständlicherweise) als Black-Box behandelt und ist z.Z. leider nicht in Form eines Quellcodes einsehbar. Das macht eine Beurteilung der Leistungsfähigkeit natürlich schwierig. Die Software wird sich also an den Ergebnissen messen lassen können (und müssen).
Grundsätzlich ist an beiden Verfahren nichts auszusetzen. Aber: Wenn z.B. kommerzielle Bildagenturen die gleichen Arbeitsabläufe wie Privatanwender zur Filterung von visuellem Material verwenden, stellt sich dann nicht eine potentielle Manipulation unserer Wahrnehmung und Bildkompetenz durch (automatisierte) Selektionsprozesse ein? Besonders bei bildjournalistischem Material und dessen publizistischer Funktion zeigen sich Schwierigkeiten. Zwar kommt es hierbei zu einem gewissen Teil auf Ästhetik an, aber häufig auch darauf, was inhaltlich gezeigt werden soll. Und das hat bekanntlich nicht immer etwas mit Schönheit zu tun ... Welche Rolle spielen also „visuelle Automatismen“ bei der Erfüllung von massenmedialen (Bild-)Funktionen? Und welche potentielle Rolle spielt das Verfahren im Gegensatz dazu im privaten Bereich?
Es bleibt also spannend, in welche Richtung sich die Entwicklung der einzelnen Algorithmen zur Beurteilung von Visualität bewegen und wie dies vom (Bilder-)Markt angenommen wird.