Stefan Liebich zum Antisemitismusbeschluss der Linksfraktion / Liebich ist Bundestagsabgeordneter und Mitbegründer des Forums Demokratischer Sozialismus in der Linkspartei
ND: Die Linksfraktion hat sich am Dienstag Verhaltensmaßregeln zum Thema Antisemitismus gegeben. Ruhe hat das nicht gebracht.
Liebich: Jedem Abgeordneten stand es frei, sich zu den angesprochenen Fragen zu positionieren oder nicht teilzunehmen. Die Reaktionen zeigen: Es gibt weiter unterschiedliche Auffassungen. Ich finde, es sollte nicht weiter Öl ins Feuer gegossen werden.
Ist denn Ruhe um jeden Preis ein vernünftiges Ziel für die LINKE?
Es wäre falsch, aus dem Beschluss Denkverbote abzuleiten. Es wird ja auf die existierende Meinungsvielfalt extra hingewiesen. Allerdings sind aus meiner Sicht Selbstverständlichkeiten beschlossen worden.
Was hat denn den Beschluss dann notwendig gemacht?
Im Beschluss steht, dass wir uns nicht an Initiativen für Einstaatenlösungen beteiligen – dazu gab es den aktuellen Anlass einer so betitelten Veranstaltung in Hamburg, die von der Hamburger LINKEN unterstützt wurde. Wir beteiligen uns nicht an Boykottaktionen gegen israelische Waren – von LINKEN in Bremen und in Duisburg wurden solche unterstützt. Meine Kollegin Inge Höger hat auf einem Podium einen Schal getragen, mit einer Karte des Nahen Ostens, auf der Israel fehlte. Das lässt Sensibilität vermissen.
Und wodurch wird die Ablehnung der Gazaflottille ausgelöst, an der vor einem Jahr noch drei Politiker der LINKEN teilnahmen?
Ich habe das auch vor einem Jahr schon nicht richtig gefunden. Die Durchbrechung einer militärischen Seeblockade mit Zivilisten an Bord ist problematisch. Aber die Lage hat sich seitdem auch geändert. Zwar gibt es immer noch die von uns allen verurteilte Blockade des Gazastreifens durch Israel, aber es gibt zugleich Bewegung. Zum Beispiel die angekündigte Öffnung des Grenzübergangs Rafah. Deshalb ist es richtig, dass unsere Fraktion sagt: Wir beteiligen uns nicht.
Ist es antisemitisch, die Gazaflottille zu unterstützen?
Nein. Ob es auch Antisemiten auf den Schiffen gab, will ich nicht beurteilen. Den Vorwurf, dass Bundestagsabgeordnete der LINKEN Antisemiten seien, habe ich immer zurückgewiesen, denn wenn das stimmte, müsste ich ihren Ausschluss fordern. Antisemiten haben bei uns nichts zu suchen.
Vor einem Jahr fanden Sie die Flottille ungeeignet, jetzt wegen der Öffnung eines Grenzübergangs falsch. Für die Bevölkerung in Gaza ist die Lage nicht besser.
Ich war vor einem Jahr in Gaza und habe weiter Kontakte dorthin. Die Lage hat sich schon verbessert, wenn auch viel zu wenig. Ich sage nicht, dass man den Schiffskonvoi nicht für richtig halten kann. Aber es gibt auch andere Mittel. Und jeder hat das Recht, die Politik von Staaten, natürlich auch von Israel, zu kritisieren. Die Fraktion allerdings hat nun festgestellt, dass sie die Flottille nicht unterstützt.
Warum aber musste sie das?
Unser Fraktionsvorsitzender Gregor Gysi wird gefragt, ob wir uns daran beteiligen. Selbst in unserem Arbeitskreis Internationales war es nicht möglich, darüber Klarheit zu schaffen. Deshalb ist es gut, dass es die jetzt gibt.
Ging es nicht vielmehr um eine Handlungsanweisung?
Das wird behauptet. Aber es ist falsch, eine Disziplinierung hineinzudeuten. Diskussionen und demokratische Abstimmungen halte ich für normal. Zu diesem Thema zeigen sie immer wieder, dass die Mehrheiten in der Partei klar sind.
Fragen: Uwe Kalbe
Neues Deutschland, 11.6.2011
ND: Die Linksfraktion hat sich am Dienstag Verhaltensmaßregeln zum Thema Antisemitismus gegeben. Ruhe hat das nicht gebracht.
Liebich: Jedem Abgeordneten stand es frei, sich zu den angesprochenen Fragen zu positionieren oder nicht teilzunehmen. Die Reaktionen zeigen: Es gibt weiter unterschiedliche Auffassungen. Ich finde, es sollte nicht weiter Öl ins Feuer gegossen werden.
Ist denn Ruhe um jeden Preis ein vernünftiges Ziel für die LINKE?
Es wäre falsch, aus dem Beschluss Denkverbote abzuleiten. Es wird ja auf die existierende Meinungsvielfalt extra hingewiesen. Allerdings sind aus meiner Sicht Selbstverständlichkeiten beschlossen worden.
Was hat denn den Beschluss dann notwendig gemacht?
Im Beschluss steht, dass wir uns nicht an Initiativen für Einstaatenlösungen beteiligen – dazu gab es den aktuellen Anlass einer so betitelten Veranstaltung in Hamburg, die von der Hamburger LINKEN unterstützt wurde. Wir beteiligen uns nicht an Boykottaktionen gegen israelische Waren – von LINKEN in Bremen und in Duisburg wurden solche unterstützt. Meine Kollegin Inge Höger hat auf einem Podium einen Schal getragen, mit einer Karte des Nahen Ostens, auf der Israel fehlte. Das lässt Sensibilität vermissen.
Und wodurch wird die Ablehnung der Gazaflottille ausgelöst, an der vor einem Jahr noch drei Politiker der LINKEN teilnahmen?
Ich habe das auch vor einem Jahr schon nicht richtig gefunden. Die Durchbrechung einer militärischen Seeblockade mit Zivilisten an Bord ist problematisch. Aber die Lage hat sich seitdem auch geändert. Zwar gibt es immer noch die von uns allen verurteilte Blockade des Gazastreifens durch Israel, aber es gibt zugleich Bewegung. Zum Beispiel die angekündigte Öffnung des Grenzübergangs Rafah. Deshalb ist es richtig, dass unsere Fraktion sagt: Wir beteiligen uns nicht.
Ist es antisemitisch, die Gazaflottille zu unterstützen?
Nein. Ob es auch Antisemiten auf den Schiffen gab, will ich nicht beurteilen. Den Vorwurf, dass Bundestagsabgeordnete der LINKEN Antisemiten seien, habe ich immer zurückgewiesen, denn wenn das stimmte, müsste ich ihren Ausschluss fordern. Antisemiten haben bei uns nichts zu suchen.
Vor einem Jahr fanden Sie die Flottille ungeeignet, jetzt wegen der Öffnung eines Grenzübergangs falsch. Für die Bevölkerung in Gaza ist die Lage nicht besser.
Ich war vor einem Jahr in Gaza und habe weiter Kontakte dorthin. Die Lage hat sich schon verbessert, wenn auch viel zu wenig. Ich sage nicht, dass man den Schiffskonvoi nicht für richtig halten kann. Aber es gibt auch andere Mittel. Und jeder hat das Recht, die Politik von Staaten, natürlich auch von Israel, zu kritisieren. Die Fraktion allerdings hat nun festgestellt, dass sie die Flottille nicht unterstützt.
Warum aber musste sie das?
Unser Fraktionsvorsitzender Gregor Gysi wird gefragt, ob wir uns daran beteiligen. Selbst in unserem Arbeitskreis Internationales war es nicht möglich, darüber Klarheit zu schaffen. Deshalb ist es gut, dass es die jetzt gibt.
Ging es nicht vielmehr um eine Handlungsanweisung?
Das wird behauptet. Aber es ist falsch, eine Disziplinierung hineinzudeuten. Diskussionen und demokratische Abstimmungen halte ich für normal. Zu diesem Thema zeigen sie immer wieder, dass die Mehrheiten in der Partei klar sind.
Fragen: Uwe Kalbe
Neues Deutschland, 11.6.2011