Meine persönliche Hassliebe zum W123

Ich habe ihn gehasst,
jetzt will ich wieder haben,

ja hört sich wirklich komisch an – da hasst einer das Objekt seiner Begierde und nun will er einen haben. Aber erst mal kurz der Höflichkeit genügen. Meine Name ist Hendrik Steinacker und ich bin recht neu im 123 Club. Meine Absicht ? Ich will wieder einen haben.

Mercedes Benz W123 230Mercedes Benz W123 230 Bj. 1976 109 PS

Aber wieso Hass ? Nun meine 123er Geschichte beginnt als 15 Jähriger Junge, der voller Stolz aber heimlich in der väterlichen Garage hinter dem Lenkrad des gerade neu angeschafften Jahreswagen Platz nahm und in einer Art Trockensimulartor vom Fahren eines 123 träumte. Bei dem Übungsgerät handeltet es sich um einen Sahara gelben 240 D Bj 1977, giftgrüne Polster und jede Menge Extras: Klimaanlage in Schiebedachausführung mit Windabweiser ! Heizbare Heckscheibe. Das Becker Monoradio hat mein Vater wahrscheinlich noch aus der Flosse über zwei /8 in den 123 gerettet. Aber Werner Höfer’s Frühschoppen kam im 123 auch über diese HiFi Anlage im gewohnten Klang ans Ohr der Mitfahrer. Schließlich beherrschte der OM 616 ab 120 Km/h die Geräuschkulisse. Eine optische Kuriosität in der grünen Polsterlandschaft war der Recaro Sitz, den mein Vater für seinen Rücken angeschafft hatte. Er war ein schwarzes Technikmonster in diesem Auto. Vollelektrisch mit Sitzheizung und aufblasbaren Kammern im Rückenteil. So einen, sagte mein Vater hat nicht mal Walter Rörl in seinem Quadro, als wir den originalen Fahrersitz, wohl verpackt auf den Dachboden hieften. Eine Servolenkung vermisste eigentlich nur meine Mutter, aber die fuhr nur zum Wochenmarkt oder die schwierigen Passagen auf den bevorzugt italienischen Autobahnen !

Meinem Vater diente der 123 als Vertreterfahrzeug. Er hatte sich erfolgreich gegen die aus dem Hause Ford stammende Firmenflotte, zur Wehr gesetzt. Da ich später, als Führerscheinneuling, Bekanntschaft mit dem nicht immer pflegeleichten Ford Granada eines Nachbarn machen durfte, kann ich die Entscheidung gegen das Kölner Autohaus nachvollziehen. Obwohl die V6 Maschine, in Kombination mit der Butterautomatik, im Vergleich zum 123 240D, ein wenig temperamentvoller zur Sache ging. Dafür durfte ich aber auch sehr oft dieses Auto einer Niederlassung vorstellen, die sehr verständnisvoll und bemüht waren, den fetten hellblauen Kölner Schlitten in Bewegung zu halten.

Mercedes Benz W123 230Mercedes Benz W123 230

Mein Familienvorstand setzte dagegen seinen 240iger nicht im Schongang ein. Samstägliche Waschorgien vor der heimischen Garage oder gar die Berührung mit Wachs und Politur durfte dieses Auto nicht erfahren, vielmehr wurden die heimischen Wälder auf der Suche nach Kaminholz durchforstet. Als kargen Lohn gab es eine Basiswäsche bei einer Billig – Waschanlage und 50 Pf pro 5 Min für den Münzsauger. Die Farbeimer, Lederkoffer und Schweinehälften, die Rohde und Koch in Ihrer Abhandlungen zum Kofferraum des /8 erwähnten, darf hiermit um Baumstämme
und Kleinholz in Agrarmengen für den 123iger ergänzt werden. Sie wurden auf abendlichen Raubzügen in den Wäldern rund um den Essener Süden verladen, bis die Federbeine knarrten.

1095 Tage später war es dann endlich soweit. 14 Tage nach meinem 18ten Geburtstag hatte ich meinen Führerschein von der Klasse IV auf I und III erweitert. Mein Schöpfer hatte auch schon einen genialen Plan: Nun sollte der Junior ihn mal schön auf seinen überwiegend innerstädtischen Vertretertouren Kreuz und quer durch das Ruhrgebiet, in seinem 123iger kutschieren.
Nicht der Fiat Ritmo meiner Fahrschule brachte mir das Autofahren bei, vielmehr lernte ich es final auf dem Recaro des 240D unter den strengen Augen und Ohren eines Handelsvertreters. Alleinfahrten ohne raue Ansagen gab es so gut wie nicht. Automobile Freiheit, in Form von zwei Strich Achtern, musste ich mir selber erarbeiten. Natürlich waren es beides Diesel – ein 200D und ein 240D. Jedoch fehlte diesen Autos etwas ganz entscheidendes: Kraft im Motorraum und die Leichtigkeit in der Lenkung. Aber 1981 war unser 240iger erst 4 Jahre alt als ich hinter das Steuer durfte. Heute würde man wohl cool oder so was sagen, damals genoss man es einfach still für sich. Und heute wäre die Vorstellung sicherlich sehr reizvoll einen so jungen W123 zu chauffieren, oder ?


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