lena Pritscher / pixelio.de
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„Es ist doch klar, dass sich Zuwanderer aus anderen Kulturkreisen wie aus der Türkei und arabischen Ländern insgesamt schwerer tun. Daraus ziehe ich auf jeden Fall den Schluss, dass wir keine zusätzliche Zuwanderung aus anderen Kulturkreisen brauchen.“ so der bayerische Landes-Horst gegenüber dem „Focus“.
Und weil er gerade so schön in Fahrt war, bekamen auch gleich noch die Hartz-IV-Empfänger ihr Fett weg – und dies nicht zum ersten Mal, man weiss ja, was man seiner Klientel schuldig ist: Wer ein Arbeitsplatzangebot oder eine Qualifizierung ablehne, dem müssten die Sozialleistungen gekürzt und im Wiederholungsfall gestrichen werden.
Ach ja, natürlich seien die meisten Zuwanderer gut integriert, aber die Integrationsverweigerer müsse man härter anpacken. Im Klartext: Türken und Araber wollen wir nicht, und wer sich faul auf seinem Hartz-IV ausruht (hoch genug ist es ja nch der vor kurzem vorgestellten massiven Erhöhung…), der bekommt eben garnichts mehr (was scheren uns da ein paar Grundrechtsgarantien…).
Danach erfolgte der sicherlich einkalkulierte kollektive Aufschrei, aber tatsächlich nicht nur der üblichen Gutmenschen und linken Gesellschaftsutopisten, sondern auch von solchen, die sich eigentlich auch im konservativen Lager – und damit auf dem Boden der Realität – verorten.
Aber das kümmert doch unsere Populisten aus dem tiefen Süden nicht, wenn sie auf Wählerfang gehen: der bayerische Umweltminister Markus Söder (in seiner Position nachgeradezu prädestiniert für dieses Thema) holzte noch einmal kräftig nach: „Natürlich braucht Deutschland Zuwanderer – aber die, die Deutschland nützen.“; und der CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt hatte auch noch etwas beizusteuern: „“Es darf in Deutschland künftig keine zusätzliche Zuwanderung aus Kulturkreisen geben, die unsere deutsche Leitkultur ablehnen. Deutschland ist ein Land mit einer christlich geprägten Kultur, und das soll auch so bleiben.“ (Da versteht man doch, warum wir Christen in Teilen der islamisch geprägten Welt immer noch „Kreuzzügler“ genannt werden)
So macht man dann aus einer an sich sinnvollen Debatte um die Integration von Migranten kurzerhand mal eine rechtspopulistische Schlacht jenseits der tatsächlichen Probleme in unserem Land, aber voll und ganz auf Bierzeltniveau. Und bei solchen schrillen Tönen, die sicherlich an vielen Stammtischen gerne gehört werden, können sich die kritischen Stimmen kaum durchsetzen: was nützt es da, wenn der Parlamentarische Staatssekretär Ole Schröder, der aufgrund seiner Parteizugehörigkeit eher unverdächtig sein dürfte (er ist nämlich ein CDU-Mann), die richtige Richtung einschlägt: „Unser Problem ist vor allem die schlechte Integration der Migranten, die in dritter und vierter Generation in Deutschland leben.“; schliesslich tut er dies in der „Financial Times Deutschland“ (FTD), also nicht gerade in einem der Mainstream-Blätter.
Natürlich braucht die Bundesrepublik Zuwanderung, und dabei sollte es sich um Menschen handeln, die unserem Land positiv gegenüberstehen und bereit sind, sich zu integrieren. Und natürlich hat das Christentum unser Land nachhaltig geprägt. Aber rechtfertigen diese beiden Selbstverständlichkeiten solche platten Anbiederungen an rechte Wählerkreise. Nein, denn eine wichtige Errungenschaft unseres christlich geprägten Landes ist eben auch die Toleranz gegenüber anderen Kulturen und gegenüber anderen Religionen; deswegen hat die ganze Diskussion über die Integration überhaupt nichts mit der Religion eines Menschens zu tun, sondern damit, jedem Menschen in unserer Gesellschaft eine faire Chance auf Entfaltung seiner Persönlichkeit zu geben; dazu gehört zB. eine faire Teilhabe an Bildung und damit eine reelle Chance auf Eingliederung in den Arbeitsmarkt, eine gerechte Möglichkeit, seine Kultur in die unsere einzubringen und unsere Kultur kennen zu lernen. Doch die Möglichkeiten haben wir in der Vergangenheit leider weitgehend verpasst, und deswegen haben wir jetzt Migranten in der 3. und 4. Generation, die so enttäuscht sind aufgrund ihrer Erfahrungen in unserer Gesellschaft, dass sie sich einer Integration verweigern – dies muss man kritisch hinterfragen, aber es gehört sich nicht, diese Menschen zu verdammen, sondern man muss nach den Ursachen dieser Fehlentwicklungen suchen und sie abstellen.
Letztendlich sind es diejenigen, die jetzt solche unsäglichen Diskussionen lostreten, die jahrzehntelang die falsche Ausländerpolitik betrieben haben. Doch jetzt gestehen sie nicht etwa ihre Fehler ein und verändern die Rahmenbedingungen, nein, jetzt dreschen sie auch noch verbal auf diejenigen ein, die doch eigentlich die Opfer ihrer falschen Politik sind. Über die tatsächliche Integration von Menschen, die in unserem Land geboren sind, aber denen immer noch ein freier Zugang zu unserer Gesellschaft verwehrt wird, wollen Herr Seehofer und seine Freunde lieber nicht diskutieren – denn dann würden sie von ihren eigenen Versäumnissen in den letzten Jahrzehnten bitter eingeholt.
Eines sei all den Politiker, die sich jetzt um die Integration Gedanken machen, unter Berücksichtigung der heutigen Photos der Bundeskanzlerin in der Kabine der deutschen Nationalmannschaft deutlich gesagt: Es reicht nicht, den Rettern des teutonischen Fussballs vor den Osmanen, den Herren Ösil (türkischstämmig und Moslem), Khedira (Halbtunesier) und Klose (polnischstämmig) kamerawirksam zuzujubeln, sondern es ist dringend erforderlich, endlich die richtigen Integrationsprozesse in Gang zu setzen, damit tatsächlich jeder in unserem Land eine reelle Chance erhält – auch wenn das eine Menge Geld kosten wird und vielleicht kurzfristig weniger Wählerstimmen am rechten Rand des Meinungsspektrums bringt!