Mein lieber Mann... Teil 7 Ressourcenplanung

An dieser Stelle schreibt unsere Autorin Briefe an „ihren Mann“, den es zwar hoffentlich schon gibt, der aber noch nicht bei ihr geklingelt hat. Die Bilder zu der Serie sind von dem Fotografen Peer Kugler. Die beiden waren vor 30 Jahren ein Paar und haben die meiste Zeit ihrer verliebten 24 Monate im Kino verbracht. Beide wundern sich darüber, dass ihre Freundschaft schon so alt ist wie der Fall der Berliner Mauer. Auf einer gemeinsamen Reise nach Bukarest vor 24 Jahren schlug Stefanie Peer vor, eine Leica mitzunehmen, seither legt er die Kamera nur selten vom Körper ab.

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Teil 7

Ressourcenplanung

Im Juli blühen die Linden und mississippisüße Duftschübe wabern durch unseren Park. Die Blüten ziehen Hummeln an, die sich mit dem Nektar vollsaugen. Anschließend fallen sie wie trunken zu Boden. Mit etwas Glück landen die Hummeln direkt unter den ausladenden Ästen auf der Wiese, um dort ihren Rausch auszuschlafen. Die anderen fallen ungebremst auf den asphaltierten Weg und verenden. Vom Schlaraffenland direkt in den Tod. Tatsächlich plane ich schon im Geiste das Aufspannen von Hummelnetzen. In meinem Viertel würde ich sicher einige Freiwillige dafür aktivieren können. Hummeln und Bienen sind schließlich die Dinosaurier des Anthropozän.

Mein lieber Mann, vielleicht findest Du ein paar tröstende Worte, wenn ich, an einem sonnigen Julitag, über eine Lösung des Artensterbens nachdenke? Eventuell hast Du sogar eine schlaue Erklärung parat, und die Hummeln auf dem Asphalt sind die eigentlichen Gewinner weil sie auf der richtigen Seite abgestürzt sind. 

Du merkst, ich brauche ein starkes Gegengewicht.

Ich frage mich, auf welcher Seite der Linde ich wohl saß während ich emsig meiner eigenen Bestimmung folgte. Offenbar nicht als Königin eines Volkes. Mittendrin in der Rushhour des Lebens, so emsig, habe ich kaum darüber nachgedacht, ob ich noch mit dem richtigen Schwarm unterwegs bin. Thank u, next.

Sagen wir, ich bin neben einer Handvoll Artgenossinnen weich im Gras gelandet. Kleiner Knacks im Flügel, aber noch manövriertauglich. „War dein Aufprall schlimm?“, fragt mich meine Nachbarin interessiert, zwei ihrer sechs Beine sind verstaucht. „Mir brummt der Schädel“, antworte ich und lächle den Schmerz fort. „Das sind nur die Nachwirkungen“, sage ich zu meiner Artgenossin. „Es ist noch nicht alles geschehen, was geschehen kann.“ „Bist du dir da sicher?“, fragt sie ungläubig. 

Mein lieber Mann, ich unterhalte mich nur gelegentlich, dafür aber ausführlich mit meinen Artgenossinnen, wir sind allesamt etwas derangiert. Unsere Kinder sind selbstständig, die Väter der Kinder haben sich partnerschaftlich verjüngt, das Kollagen wird knapper, unsere Zukunftspläne haben eine kürzere Laufzeit. Kauft man da noch eine Miele? Ich jedenfalls nicht. Mental sitze ich auf gepackten Koffern, leichtes Gepäck. An guten Tagen spüre ich den Reichtum meiner Erfahrungen, meine Augen lächeln. Ich schiele dann sogar manchmal auf die andere Seite der Linde und sage mir: aus dem Vollen geschöpft, Du gehörst dir, einatmen, ausatmen, vertrauen. Wenn jetzt eine Böe kommt und ich lande auf der anderen Seite, habe ich nichts mehr zu klären, ich kann vollgesogen einfach fallen.  

Mein lieber Mann, vielleicht knüpfen wir vorher noch ein Netz und retten ein paar Hummeln.

Der Sound zum Brief: „Summerwine“ von Nancy Sinatra und Lee Hazlewood


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