Originaltitel: Autobiographie d’une Courgette
Autor: Gilles Paris
Genre: Belletristik
Verlag: Knaus Verlag
Format: Hardcover, 240 Seiten
ISBN:978-3813507706
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Der neunjährige Icare, Spitzname Zucchini, kommt nach dem tragischen Tod seiner Mutter in ein Kinderheim. Hier findet er zum ersten Mal wahre Freunde und auch das Gefühl der Geborgenheit. Es bleibt jedoch auch die Schwere auf seinen Schultern, zu wissen, jetzt ein Waise zu sein, doch trotz aller der traurigen Erlebnisse und Gefühle, die ihm begegnen, merkt er dort auch, dass das Leben ziemlich bunt und aufregend sein kann.
Tatsächlich ist das Buch schon 2004 unter dem Titel „Autobiografie einer Pflaume“ erschienen – nun, da das Buch verfilmt wurde, gibt es natürlich wie so oft, eine Filmausgabe, worüber ich aber dieses Mal ziemlich froh bin, einerseits, weil das Cover jetzt um ein vielfaches ansprechender ist, aber besonders, weil es so überhaupt auf meinem Radar gelandet ist.
Nun verlockt allerdings das neue Cover, anzunehmen, dass es sich um ein Kinderbuch handeln würde, was es nicht ist, wenn der Film paradoxerweise tatsächlich einer ist. Nach dem Buch habe ich mir zügig den Film angesehen und dieser wurde ziemlich entschärft. Viele Szenen wurden gestrichen, Gespräche finden gar nicht statt oder Personen kommen erst gar nicht vor.
Wie man es dreht oder wendet – ob zuerst Film oder Buch, gewiss ist nur, der (Kinder)Film ist eine lockere Unterhaltung, gerne einen Familienausflug wert, das Buch hingegen beinhaltet eine unglaubliche Schwere, allerdings auch einen einzigartigen Witz – allerdings nicht für Kinder geeignet.
Kommen wir jetzt nur kurz noch zum Buch: Zucchini ist ein absolut liebenswerter Junge, alle Charakter in der Geschichte sind es, doch alle verbindet auch, dass sie eine schwere Bürde tragen müssen. Nicht alle Waisenkinder haben keine Eltern mehr, manchmal stehen Dinge wie Drogen oder Gefängnisaufenthalte dazwischen, doch auch gibt es die verwaisten Kinder und sie mischen sich. In dem Buch bekommt jedes Kind Platz für seine Geschichte, wobei Zucchini, aber auch Camille im Fokus stehen.
Das Personal des Kinderheimes, findet auch seinen Platz und man merkt, dass jeder ein Gefühl von Familie geben möchte, dass ihre Arbeit ihnen mehr bedeutet, als nur Arbeit. Sie kümmern sich um die Kinder, die, wie Simon, ein Heimkind sagt, keiner mehr haben will – Zucchini überrascht öfters in der Geschichte, mit klugen Worten, aber noch schöneren Gesten, die mich einfach nur ins Herz trafen. Wie folgendes, was er zu Rosy sagte – einer Heimbetreuerin, die auch dort wohnt und ihr Leben den Kinder verschrieben hat:
Ich schaue Rosy an und ihre Bücher und unsere Zeichnungen überall an den Wänden.
Ich denke mir, dass das alles ist, was Rosy besitzt, dass sie so allein ist wie wir, die Heimkinder, und ich trete zu ihr und gebe ihr ein Küsschen.
Wir sagen beide nicht. Das Küsschen sagt genug. (S.85)
So viel Spaß die Kinder miteinander haben, lauert doch die Schwere an allen Ecken und Enden, manchmal bricht sie hervor und zeigt sich in solchen winzigen Situationen, bei denen ich die Luft anhalten musste, weil das Atmen geschmerzt hätte.
Zucchini stellt viele Fragen, in eine kindlichen Art, weil er einfach die Welt begreifen möchte, doch wer fragt, bringt Erwachsene zum Nachdenken und da stellt er noch etwas sehr wunderbares fest:
Und bei den Erwachsenen ist es auch so.
Lauter Fragezeichen ohne Antworten, weil alles im Kopf eingesperrt bleibt und nie zum Mund herauskommt. Und hinterher kann man auf den Gesichtern die ganzen Fragen lesen, die nie gestellt wurden, und das bedeutet nichts als Unglück und Traurigkeit.
Die Falten sind nichts anderes als eine Kiste voller ungestellter Fragen, die sich im Lauf der vergehenden Zeit gefüllt hat. (S.209)
Aber zwischen diesen Zeilen, liegt eine Weltsicht, wie sie nur Kinder haben können und die ein Lächeln auf meine Lippen gezaubert hat, obwohl was sie sagen, nicht immer lustig ist, so dass ich mich ab und an selbst nach dem Lachen kurz ermahnen musste, doch genau diese Paarung aus Kindlichkeit und Schwere, macht das Buch zu einen unglaublich wertvollen Schatz.
Hätte ich zuerst den Film geschaut, ich hätte niemals zu dem Buch gegriffen, zu seicht wirkte er auf mich, zu eindimensional wirkten die Kinder, zu oberflächlich wurde alles abgehandelt, aber ja, es ist eben ein Film für Kinder, sagen wir ab 8 Jahren und diesen Unterschied muss man deutlich vor Augen haben.
Tatsächlich gehe ich bei dem Buch soweit zu sagen, dass es das Beste war, was ich in diesem Jahr bis jetzt gelesen habe, auch wenn man sich auf den Schreibstil einlassen muss, der aus den Augen eines Kindes kommt, aber eigentlich schon viel weiser ist, als so mancher Erwachsene.