Mein erster Internet Sabbat

Anfang August haben wir eine Woche bei meinen Eltern verbracht. In dieser Woche war ich den ganzen Tag im Garten, habe Nepomuks Küche gestrichen, dem Kleinen beim Planschen zugeschaut und mit ihm im Sand gebuddelt. Wenn er geschlafen hat, habe ich gelesen – zum Beispiel das Buch „Ich bin dann mal offline“. Ein Buch über 30 Tage Onlineabstinenz. Rückwirkend kann ich sagen, dass sowohl die „Offline Zeit“ im Garten meiner Eltern, als auch die Offline Lektüre stark dazu beigetragen haben, meinen Internetkonsum zu überdenken.

In dem besagten Buch besucht der Autor einen Rabbiner und lässt sich von ihm den Sabbat erklären. Der Autor beschloss daraufhin einen Internet Sabbat einzulegen. Ob er es gemacht hat, weiß ich nicht, denn das Buch ist ja nun auch schon wieder fünf Jahre alt. Wichtiger war, dass ich mir vorgenommen habe, ab nun immer samstags auf das Internet zu verzichten. Und vergangenen Samstag, den 15. August, war es soweit: Ich war 24 Stunden offline.

Die Stunden vor dem Offline Modus

Ich muss zugeben, dass ich schon die ganze Woche mal mehr mal weniger absichtlich mein iPhone zuhause habe liegen lassen. Es waren die perfekten Sommertage, ich habe Elternzeit und sah mehr Sinn darin mit Nepomuk durch den Sand zu krabbeln und Burggräben zu bauen, als apathisch am Spielplatzrand zu sitzen und immer verstohlen auf mein iPhone zu schielen. So gesehen, war ich eigentlich schon gut auf den Samstag vorbereitet.

Die Stunden bevor ich mich in den Offline Modus begab, richtete ich mir noch eine Übersicht bei Feedly ein, in der ich alle für mich wichtigen Minimalismus Blogs auf einem Blick habe. Ein paar Mamiblogs sind auch noch dabei, mehr aber nicht. Möchte mich in nächster Zeit doch eher auf meinen Blog und aufs Schreiben konzentrieren. Nennt es selektive Wahrnehmung, aber gerade am Freitag ist mir der Blogpost von M21 aufgefallen, in dem sie schreiben, dass sie erstmal in den „Offline Modus“ gehen. Recht haben sie. J

Nach der Feedly Aktion habe ich noch mein Gmail-Postfach aufgeräumt. Ich war die Mailanzeige auf meinem iPhone leid. Dort stand wirklich eine rot hinterlegte 3.124. Ich hatte also 3.124 ungelesene Mails. Holy Shit. Aber am Freitag wollte ich keinen roten Punkt an irgendeiner App kleben haben, also musste ich aufräumen. Das ging sehr schnell. Ich habe einfach alles gelöscht, was nicht von meinem Freund war oder Mails die offensichtlich wichtig waren. Nach gut einer Stunde war ich bei 0 ungelesenen Mails angelangt. Es war mittlerweile 23:00 Uhr und ich bereit, meinen Rechner runterzufahren und das iPhone auszuschalten.

Ja, fuck! Den Apple Jünger erkennt man übrigens daran, dass er nicht weiß wie man das iPhone ausschaltet. Mein Freund hat es mir gezeigt und ich kam mir ehrlich gesagt etwas blöd vor. Naja, jetzt weiß ich es und kann es mir hoffentlich bis nächsten Samstag merken. 😉

Kaffee statt kaltem Entzug, Bügelbrett statt Newsfeed

Nepomuk weckte uns um 7:30 Uhr. Zu spät für Fitnessstudio oder Laufen. Also hieß es aufstehen. Normalerweise ist das iPhone das Dritte was ich am Morgen zu sehen bekomme: nach Nepomuk und meinem Freund. Dieses Mal nicht und ehrlich: Es hat mich nicht gejuckt. Nicht ein wenig. Ich hatte meinen Kaffee und das war das Wichtigste.

Statt Leere fühlte ich mich toll. Ich bereitete Nepomuk das Frühstück vor und ertrug den Abgesang meines Freundes auf die Eierbecher im Schweizer Design. Die fielen der Aufräumaktion vor einigen Wochen zum Opfer und liegen vielleicht jetzt noch auf dem Wertstoffhof. Hatte ich damals ja nicht gewusst, dass wir Nepomuk mal ein gekochtes Ei anbieten wollen. Er wollte es nicht und ich wusste, warum wir die scheiß Eierbecher weggeschmissen haben.

Nach dem Frühstück haben sich die beiden Männer wieder hingelegt und ich hatte so Bock auf bügeln. Der Wäschekorb quoll schon über und ich bügelte über eine Stunde lang – ohne Pause und ohne Ablenkung. Hätte ich mein iPhone in der Nähe gehabt, hätte ich sicher nach jedem zweiten Shirt und jeder dritten Hose auf Instagram geschaut, auf Facebook und vielleicht auf Twitter. Stattdessen bügelte ich und fragte mich, wie effizient wir Menschen wohl wären ohne diese ständigen Ablenkungen aus dem Netz. Ich habe zum ersten Mal verstanden, warum manche Unternehmen sich gegen die Freischaltung von Facebook oder anderen Seiten gewehrt haben. Aber wahrscheinlich wäre es ohne soziale Netzwerke nicht wirklich effizienter, denn wir finden ja immer was, um uns von den Aufgaben im Job abzulenken. Und Kaffee trinken mit Kollegen ist ja auch super. :-)

Nach dem Bügeln war ich total fertig, aber stolz wie Bolle. Als Belohnung gönnte ich mir eine ausgedehnte Beauty Session im Bad – ohne Ablenkung. Pünktlich zum Ende meiner Beauty Session wurden die Herren der Schöpfung wieder wach. Nachdem dann alle gebadet und geduscht haben, ging es Richtung Spielplatz.

Keine Selfies auf dem Spielplatz

Der Samstag war ein Feiertag in München. Alles war ruhig und selbst auf dem Spielplatz war nichts los. Mein Freund hatte sich sicherheitshalber sein Surface mit eingepackt, nur für den Fall, dass er neben Sandburgen bauen und Sandspielzeug verteidigen Zeit gehabt hätte, Mails zu lesen.

Der Sandkasten war, wie der Rest des Spielplatzes kaum besucht. Also breiteten wir uns auf einer Seite aus und budelten, bauten Straßen oder Burggräben. Irgendwann hatte Nepomuk keine Lust mehr und wir gingen schaukeln. Das war übrigens die Zeit, in der mein Freund sich auf die Bank zurückzog und Mails checkte. Ich testete mit Nepomuk jedes Geräte auf dem Spielplatz und irgendwann war er einfach nur noch k.o. In der Zwischenzeit hatten sich andere an unserem Sandspielzeug bedient, weil der Papa lieber Mails las, als das Spielzeug zusammenzuräumen. Boah, und natürlich fehlte dann ein Förmchen. Nicht irgendeins, sondern das süße Seepferdchen Förmchen. Ich budelte wie eine Irre, aber ich fand es nicht mehr. Der Vater, der auf der Nachbarbank saß, dachte sich bestimmt auch, dass ich nicht mehr alle Latten am Zaun habe, aber das war mir egal. Naja, nach ein paar Minuten war mir klar, dass das Seepferdchen entweder in die Tiefen des Sandkasten abgetaucht ist oder es wurde gnadenlos von einem anderen abgefischt. Und so gingen wir weiter Richtung Glockenbachviertel. Wir wählten diesmal einen anderen Weg und liefen durch einen Park, den ich noch nie zuvor gesehen habe, obwohl er nur einen Steinwurf von meiner Joggingstrecke entfernt ist.

Im Glockenbach gab es wieder ein Straßenfest, diesmal feierte die Hanns-Sachs-Straße. Für uns war es leider zu voll und so richtig für Kinder ist das mit der lauten Musik und dem vielen Alkohol auch nichts. Früher wäre das für mich und meinen Freund perfekt gewesen. Schon nachmittags ohne schlechtes Gewissen Alkohol trinken – super. Aber als Eltern ist man doch irgendwie weiter. Und ich muss sagen: Mein neues Leben als Mutter gefällt mir sehr gut.

Weder auf dem Spielplatz noch bei unserem Spaziergang durch das Glockenbachviertel habe ich mein iPhone vermisst. Ich hatte nicht das Gefühl, dass ich irgendwas verpasse oder das ich wieder irgendwas posten muss. Nein, ich fühlte mich einfach frei.

Entschleunigt in den Samstagabend

Am späten Nachmittag waren wir wieder zuhause. Der Kleine fordert unsere volle Aufmerksamkeit und ich bin froh drum. Zu groß ist die Angst, dass in den Abendstunden so was wie Langeweile aufkeimt und ich doch noch schwach werde und mein iPhone anschalte. Doch stattdessen beschließe ich einen Kuchen zu machen. Es ist unser geliebter Raw Woodberry Cake. Nepomuk testete von seinem Kinderstuhl jeden einzelnen Produktionsschritt. Dank der Mischung aus Johannisbeeren und Heidelbeeren sah er nach dem Kosten der Füllung aus, wie aus einem Splatterfilm. Also holte ich die Kinderbadewanne, stellte sie in die Küche und ließ ihn baden, während ich alles aufräumte. Es klingt vielleicht verrückt, aber diese Zeit habe ich genossen. Ihn zu beobachten, wie er fast schon meditativ immer wieder das Wasser aus seiner Gießkanne über seine Hände rieseln ließ, war einfach so beruhigend.

Nach dem Bad drehte der Kleine noch mal richtig auf – bis 23 Uhr. Dann bin ich ins Bett gegangen und er zum Glück auch. Vorher hatte ich begonnen, dass Buch „Ohne Netz“ von Alex Rühle zu lesen. Er hat ein halbes Jahr offline gelebt und ein wirklich tolles Buch draus gemacht. Wieder ein Buch, dass mich bestärkt in meinem Denken, dass es auch manchmal ohne Internet geht.

Obwohl Nepomuk uns den ganzen Abend auf Trab gehalten hat, gehe ich doch glücklich und selig ins Bett. Das iPhone und das Macbook sind immer noch ausgeschaltet und ich habe keines von beiden wirklich vermisst.

Der Tag danach

Es ist Sonntag, es ist 6:30 Uhr, es regnet und „ES“ krabbelt über mein Gesicht. Mit „ES“ ist niemand geringeres als Nepomuk gemeint. Obwohl er wach ist, entscheide ich, joggen zu gehen. Das Wetter (ja, es regnet), ist perfekt und ich bin hochmotiviert. Zum Joggen schalte ich mein iPhone ein. Ich brauche meine Musik und mein Runtastic. Während des Laufens, fällt mir auf, dass es bei Runtastic eine neue Stimme gibt, die mir Entfernung, Geschwindigkeit und Zeit ansagt. Die neue Stimme gefällt mir gut, klingt irgendwie euphorischer als die alte, die eher Kategorie „Navi-Stimme“ war. Während des Laufens überlege ich dann die ganze Zeit, ob der Sprecher jede Zahl einsprechen muss. Ich schiebe dies Art der Gedanken auf meinen Internet Sabbat. Früher wäre mir das egal gewesen, aber heute interessiert es mich schon. Mein Freund wird mich am Abend darüber aufklären, dass der Sprecher nur bestimmte Zahlen einsprechen muss. Das beruhigt mich, hatte mir schon Sorgen gemacht, dass er seit Wochen bei Runtastic im Keller sitzt und Zahlen immer wieder sagen muss. :-)

Nach dem Joggen bin ich glücklich. Ich setzte mich, vom Regen durchnässt auf das Sofa und beschließe auch heute auf mein iPhone zu verzichten. Ich schalte es aus (weiß ja nun wie es geht) und lege es in die Schublade zum Macbook, dass dort seit Freitag liegt. Dann geht es in die Dusche und danach räume ich die Wohnung auf, wische alle Böden, mache den Kuchen fertig und bereite Nepomuks Essen vor. Es geht mir so gut, wie lange nicht. Ich höre keine Musik, ich checke keine sozialen Netzwerke oder sinnfreien Internetseiten. Nein, ich bin zum ersten Mal seit langem im Hier und Jetzt. Und das fühlt sich verdammt gut an!

Alles Liebe

Mareike


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