Maria Montessori über die Aufgabe der Eltern

In den letzten Tag habe ich das Buch “Kinder sind anders” von Maria Montessori fertig gelesen. Das ich das Buch erst jetzt, nach dem es Monate im Bücherregal stand, gelesen habe, ärgert mich ein bisschen, denn es ist ein wahnsinnig interessantes und fesselndes Buch. Ich habe so viele Denkanstöße durch dieses Buch bekommen und muss sagen, dass es mich auch in Richtung meines Sohnes sehr beruhigt hat – ohne das ich sagen kann warum.

Das wir heute zwar in Sachen Erziehung und Eingehen auf Kinder weiter sind, als zu Zeiten von Maria Montessori mag sicher stimmen, aber das es heute immer noch Situationen gibt, die Maria Montessori damals bei den Eltern und generell Erwachsenen bemängelte, zeigt, dass wir noch lange nicht am Ziel sind.

Heutzutage werden Kinder immer noch zu oft klein gehalten, oft wird ihnen nicht zugetraut einen Glaskrug Wasser zu tragen oder den Tisch zu decken. Viele sehen Kinder immer noch als unfertige Wesen, die es nach den eigenen Vorstellungen zu formen gilt.

Auf Spielplätzen sehe ich, wie Kinder von hochmotivierten Müttern zum gehen “motiviert” werden, obwohl sie sich kaum auf den Beinen halten können. Dabei wird mit einer anderen Mutter diskutiert, wie enttäuscht der Partner sein wird, wenn er von der U6 erfährt und das die Kleine jetzt kaum gewachsen ist.

In Babykursen sind mir immer wieder Mädchen aufgefallen, die süße Kleidchen getragen haben. Leider haben genau diese die Kleinen beim krabbeln gestört, weil sie nämlich immer mit den Knien am Kleidchen fest hingen. Als die Kursleiterin eine Mutter mal direkt ansprach und vorschlug das Kleidchen auszuziehen, damit die kleine ungestört krabbeln konnte, weigerte sich die Mutter, weil “die Kleine in dem Kleidchen so süß aussieht” und sie es deswegen nicht ausziehen wird.

Vor kurzem war ich auf einer Geburtstagsfeier und habe einen Jungen im Vorschulalter gesehen, der einen großen Holzstock im Wald gefunden hat. Er stolzierte damit zurück zur Gaststätte und legte ihn vor der Tür ab. Als die Mutter dann Mann und Kind abends zum Aufbruch ermahnte und der Kleine den Stock mit nach Hause nehmen wollte, herrschte sie ihn an, “das er wohl spinnt und dieser Stock nicht mit in ihr Auto kommt, weil sicher eine Katze drauf gepinkelt hat.” Die Tonart und die Wortwahl machten mich wütend, denn es war doch nur ein Stock. Bei dieser Szene viel mir das Gejammer der Mutter ein, dass sie ihren Sohn zum Kuscheln immer anbetteln müsste. In Kombination mit anderen Interaktionen, die ich zwischen ihr und dem Kind mitbekommen habe, ist das ein klassischer Fall von Ursache und Wirkung.

In dem letzten Jahr, dass ich erstmalig als Mutter erlebt habe, durfte ich unzählige, teils überflüssige Situationen miterleben, an die ich beim Lesen des Buches “Kinder sind anders” immer wieder erinnert wurde. Ich nehme mich hier nicht aus und weiß, dass es auch bei mir einige Baustellen gibt, an denen ich noch sehr, sehr stark an mir arbeiten muss und dieses Buch hilft mir dabei. Besonders das vorletzte Kapitel ist bei mir hängen geblieben. In diesem Kapitel wendet sich Maria Montessori direkt an die Eltern und ich finde, dass ist ein Aufruf, den ich hier einfach wiedergeben muss:

Die Eltern sind die Wächter des Kindes, aber nicht seine Bauherren. Sie müssen es pflegen und beschützen im tiefsten Sinne dieser Wörter, gleich einem, der eine heilige Aufgabe übernimmt, die über Anliegen und Begriffe des äußeren Lebens hinausreicht. Die Eltern sind über-natürliche Wächter wie die Schutzengel, von denen die Religion spricht, und sie unterstehen ausschließlich und unmittelbar dem Gebot des Himmels, sind stärker als alle menschliche Autorität und mit dem Kind durch Bande vereint, die unlöslich sind, mögen sie auch unsichtbar sein. Zu solcher Aufgabe müssen die Eltern die Liebe, die von der Natur ihnen in die Seele gelegt wurde, läutern und sie müssen verstehen, dass diese Liebe der bewusste Teil eines noch tieferen Gefühls ist, das nicht durch Egoismus oder Trägheit des Herzens verdorben werden darf. Die Eltern müssen mit Offenheit und Bereitschaft dem brennendsten Sozialproblem begegnen: Ich meine den Kampf um die Anerkennung der Rechte des Kindes.

Viel ist in letzter Zeit von den Menschenrechten gesprochen worden, besonders vom Recht des Arbeiters, nun aber ist der Augenblick da, in dem von den sozialen Rechten des Kindes die Rede sein muss. Die Arbeitsfrage legte den Grund zu sozialen Veränderungen, lebt doch die Menschheit einzig und allein von der menschlichen Arbeit, also hing von der Lösung jenes Problems das materielle Leben der gesamten Menschheit ab. Wenn aber der Arbeiter das erzeugt, was der Mensch verbraucht – ein Hervorbringen äußerer Dinger -, so erzeugt das Kind nichts Geringeres als die Menschheit selbst und darum verlangt die Rücksicht auf seine Rechts umso dringendere soziale Umgestaltungen. Es bedarf keines Hinweises, dass die Gesellschaft den Kindern die vollkommenste und weiseste Fürsorge angedeihen lassen müsste – denn sie sind es doch, von denen wir mehr Energie und größere Möglichkeiten für die Menschheit von morgen erhoffen. Dass die Rechte des Kindes vergessen und missachtet worden sind, dass man das Kind misshandelt, ja zugrunde gerichtet hat, dass man auch weiterhin seinen Wert, seine Macht und seine Natur verkennt, dies alles sollte der Menschheit Anlass zu ernsthafter Besinnung werden.”

Auch wenn gerade der zweite Part davon zeugt, dass diese Worte schon fast 100 Jahre alt sind, so finden sich doch im ersten Teil nahezu zeitlose Worte für den Umgang mit Kindern.

Ich kann dieses Buch nur wirklich jedem empfehlen, der sich für Maria Montessori interessiert und sich näher in das Konzept von ihr einlesen möchte. Es ist teilweise doch sehr anspruchsvoll und ich denke, dass es hilfreich sein könnte, schon andere Bücher über das Montessori Konzept gelesen zu haben, bevor man mit diesem beginnt.


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