Alle Fotorechte liegen bei Tom Tautz. Vielen Dank für die Nutzung :-).
Kennt Ihr Bergen in Norwegen? Ich bisher auch nicht. Vor Kurzem durfte ich ein paar Tage mit tollen Leuten zusammen in dieser wirklich schönen Stadt verbringen. Bergen ist die zweitgrößte Stadt Norwegens. Ja, es gibt tatsächlich noch Leben außerhalb Oslos! „Das Tor zu den Fjords" hat mich begeistert, obwohl es dort im Schnitt 231 Regentage pro Jahr gibt. Ein Leben in Hamburg ist da nicht die schlechteste Vorbereitung. Als ich jetzt dort war habe ich allerdings fast keinen Tropfen gesehen. Wenn Ihr also auch mal nach Bergen wollt, solltet Ihr im Mai und keinesfalls im Oktober fahren. Doch selbst wenn es dann 23 Tage regnet, könnt Ihr in der reizvollen Hafenstadt der bunten Holzhäuser mit den sieben Hügeln viele entzückende Cafés und eine atemberaubende Fjord-Landschaft entdecken. Doch vor allem solltet Ihr den Weg in den hohen Norden wegen des unglaublichen Angebotes an frischem Fisch auf Euch nehmen. Und das war auch der Grund meiner Reise zu den Wikingern.
Norwegen ist ein Paradies für Fischliebhaber
Noch nie habe ich soviel Fisch wie in diesen drei Tagen gegessen. Und das will etwas heißen wenn man wie ich aus Vancouver kommt und in Hamburg lebt. In Norwegens kaltem und klaren Wasser tummeln sich rund 180 verschiedene Süß- und Salzwasserfischarten und unglaubliche Mengen an Meeresfrüchten. Bei meiner Ankunft in Bergen ging es gleich per Boot auf eine Insel namens Holmen ins Cornelius Seafood Restaurant. Es liegt direkt am Wasser und bietet einen spektakulären Blick auf das Meer mit Fjord, Fjell und vorbeifahrenden Booten. Im Restaurant von Besitzer Alf mit dem Spitznamen „Oyster Dundee", dem „Cowboy der Meere" bogen sich die Tische unter selbstgeernten Jaobkobsmuscheln, Langusten, Miesmuscheln und Riesenkrabben. Der Star unter den Meeresbewohnern ist aber der Lachs. Und sogar Fisch-Snobs bestellen dort Lachs von der Farm.
Wie umweltfreundlich ist eine Lachsfarm?
Auf den Besuch der Lachsfarm war ich am meisten gespannt. Sind Lachsfarmen ein Fluch oder ein Segen? Diese Frage habe ich mir schon lange gestellt. Und nach meinem Aufenthalt antworte ich mit einem klaren „Sowohl-als-auch". Vor- und Nachteile halten sich die Waage. Es geht los mit der Verfügbarkeit. Lachs aus dem Atlantik ist eine fast ausgerottete Spezie, die außerdem nur während der Saison gefangen werden kann. Wer also nicht in Alaska oder im Nordwesten Kanadas lebt, wo der Lachs praktisch morgens mit der Zeitung vor die Tür gelegt wird, hat kaum noch die Möglichkeit, frischen Atlantik-Lachs zu essen. Wenn man von wildem Lachs spricht ist das heute vornehmlich der Pazifische Lachs. Dank Lachsfarmen ist Atlantik-Lachs überhaupt verfügbar und zwar das ganze Jahr über. Ein weiterer Vorteil ist der Preis. Farmlachs ist nicht sehr teuer. Außerdem ist er aufgrund seines hohen Fettgehaltes nicht nur schmackhaft, sondern auch gut geeignet zum Kochen. Selbst wenn er etwas zu lange gekocht wird, trocknet er nicht so schnell aus. Übrigens kommt der meiste Lachs in deutschen Supermärkten von solchen Fischfarmen aus Norwegen.
Farmlachs enthält weniger Schadstoffe als wilder Lachs
Vielleicht seid Ihr auch genauso überrascht wie ich wenn Ihr hört, dass Farmlachs weniger Schadstoffe (z.B. Dioxine und Polychlorierte Biphenyle, PCB) aufweist als der wilde Kollege, der durch die Verschmutzung der Meere viele Schadstoffe zu sich nimmt. Wilder Lachs enthält dagegen mehr Nährstoffe und Omega-3-Fette als die gezüchteten Kraftbolzen. Das liegt an der Nahrung der Farmlachse. Sie werden mit pflanzlichem Öl und Proteinen gefüttert, die hauptsächlich aus Soja und Rapsöl stammen. Mir wurde versichert, dass das aus Südamerika stammende Soja nicht gen-modifiziert ist. Doch es wird bereits daran geforscht, die Lachse künftig mit getrockneten und gemahlenen Insekten und Algen als Protein- und Omega-3-Fettsäure-Lieferanten zu füttern. Das sorgt für mehr Nachhaltigkeit und einen kleineren CO2-Fußbabdruck (Carbon Footprint). Natürlich wollen die Lachsfarmer Geld verdienen. Doch bei meinem Besuch auf der Lachsfarm wurde mir klar, dass der Druck der Verbraucher auf nachhaltige Fischerei mittlerweile so groß ist, dass viel dafür getan wird, um ein nachhaltiges Lebensmittel zu erzeugen. Klar ist aber auch, dass wir es mit einem Massenmarkt zu tun haben. Und da reicht es nicht mehr, die Angel ins Wasser zu halten, wenn wir weiterhin Fisch genießen wollen.
Auf der Lachsfarm wird auch Abfall verwertet
Der liebste Schwabe hat mich gefragt, warum es gerade in Norwegen Lachsfarmen gibt. Das liegt am klaren Wasser und der Strömung, die dort vorherrscht. Die Lachse sind Spitzensportler, die sich bewegen müssen in dem sie gegen die Strömung schwimmen. Die Geschwindigkeit in der sie das tun ist unglaublich. Am meisten überrascht hat mich aber die Tatsache, dass selbst der Kot der Lachse wiederverwendet wird. Das muß auch so sein, damit der Sauerstoffgehalt des Wassers ausgeglichen bleibt. Also werden die Fäkalien, die auf den Meeresboden sinken eingesammelt, getrocknet und als Dünger eingesetzt. Lachsfarmen werden aber auch von Hobby-Fischern mit ihren Booten frequentiert. Denn rund um die Farm tummeln sich andere, faule Fische, die sich von dem „Bio-Müll" und übriggebliebenem Futter der Lachse ernähren. Doch auch hier wird daran gearbeitet, andere natürliche Entsorgungswege zu gehen. So können Austern, Muscheln und andere Weichtiere genauso wie Algen oder Seegurken eingesetzt werden, die als Filter das Wasser sauber halten.
Wie funktioniert eine Lachsfarm? Vom Rogen bis zur Kühlteke
Der Fischrogen
Fischrogen sind die Eier, die in der Aquakultur in einem Inkubator liegen. Genauso wie bei wildem Lachs wird der Fischrogen zuerst in Süßwasser befruchtet. Das Wasser hat acht Grad und nach 60 Tagen schlüpfen die Lachsbrütlinge.
Die Brut
Den Dottersack kennt Ihr vielleicht noch aus dem Biologie-Unterricht. Den tragen die Brütlinge mit sich herum und ernähren sich daraus. Sie bleiben vier bis sechs Wochen im Inkubator bevor sie in Süßwassertanks umgesetzt werden.
Der Smolt
Die kleinen Lachse (60-100 Gramm) dürfen nach 10-16 Monaten ins Salzwasser. Sie sind jetzt in der Lage durch ihre Kiemen und Nieren Wasser zu filten. Wer im Meer überleben will muß das drauf haben.
Die Farmlachse
Eine Lachsfarm ist eigentlich nur ein Netzgehege, das im Fjord liegt. Die Lachse verbringen 14-22 Monate darin und wiegen bis zu 11 Kilogramm. So ein Netzgehe hat einen Durchmesser von 50 Metern. Doch es gibt auch richtig große Netze mit 200 Metern. Die Gehege hängen in flachem Gewässer mit hoher Strömung. Pro Netz dürfen maximal 200.00 Lachse gehalten werden, damit sie sich ausreichend bewegen können.
Der ausgewachsene Lachs
Die ausgewachsenen Lachse werden in ein Wasserbecken auf einem Schiff gepumpt und an Land gebracht. Der Transport muss für die Lachse stressfrei ablaufen, damit das Fleisch keinen Schaden nimmt. In der Produktion geht es dann sehr industriell zu. Über ein riesiges Rohr werden die Lachse mit dem Wasser in große Tanks geführt bevor sie aus dem Wasser kommen und ausgenommen werden. Es dauert nur drei Stunden bis sie vom Wasser auf die Kühltecke oder gefroren auf den Transport in die ganze Welt kommen.
Abwechslung gilt auch für Fisch
Das National Institute of Nutrion and Seafood Research (NIFES) ist die Prüfinstanz in Norwegen, die für die Qualität und die Einhaltung der Regularien verantwortlich ist. Die NIFES-Spezialisten testen den Fisch auf Pestizide, Medikamente, schwere Mineralien, Vitamine und so weiter. Uns wurde erklärt, dass heutzutage auch jeder Apfel eine bestimmte Menge an ungewünschten Substanzen beinhaltet. Sie meinten auch, dass zu viel Fisch und vor allem von derselben Art auch nicht gut für den Körper ist. Wie immer ist Abwechslung das oberste Gebot. Die Prüfer empfehlen 1-2 Mal pro Woche ein Fischgericht mit unterschiedlichen Fischarten. Fisch enthält Jod, das wichtig für die Gehirnfunktionen ist. Jod könnt Ihr auch über Salz und Milchprodukte zu Euch nehmen. Das wird auch empfohlen, da der Jodgehalt bei Fisch stark variieren kann je nach Beschaffenheit des Meeresbodens, der für den Jodgehalt ursprünglich verantwortlich ist. Und noch ein Tipp: wenn Ihr viel Omega-3-Fett zu Euch nehmen wollt ist Makrele das Beste was Ihr essen könnt. Ein Omega-3-Fett-Mangel führt zu unglaublich vielen Krankheiten. Deswegen ist es eine gute Idee, 1-2 Mal pro Woche Fisch zu essen. Und genau das habe ich in Bergen gemacht.
Schlemmen im Michelin-Restaurant
Der gefühlte Höhepunkt meiner Reise war ein 7-Gänge-Menü im Top-Restaurant Lysverket im Kunstmuseum, das das einzige Restaurant in Bergen ist, das im Guide Michelin Erwähnung findet. Das Essen war eine Kombination aus alltäglichen und fast schon poetischen Kreationen. Chefkoch Christopher Haatuft verwendet natürlich den vor der Haustür frisch gefangenen Fisch und saisonales Gemüse mit einer unglaublichen Vielfalt an Farben, Texturen und Aromen. Mehr über das Menü könnt Ihr hier bei Annette von culinary pixel lesen, die auch dabei war.
Mehr Restaurant und Hotel Tipps in Bergen
Ich kann Euch noch das Colonialen Café in Litteraturhuset in Østre Skostredet ans Herz legen. Wir hatten dort auch ein fantastisches Menü. Und falls es Euch interessiert, wo wir übernachtet haben, dann war das Det Hanseatiske Hotel. Mir hat es super gefallen, weil es ein ursprüngliches Gebäude aus dem 18. Jahrhundert ist und damit die einzigartige Atmosphäre von Bergen widerspiegelt. Außerdem liegt es nur zwei Gehminuten vom malerischen Bryggen Wharf entfernt. Das ist die Kulisse aus bunten Holzhäusern am Hafen. Ich empfehle Euch auch einen kleinen Spaziergang von dort den Hügel hinauf, dann habt Ihr einen wunderschönen Blick auf die Dächer von Bergen.
Was ist Eure Meinung zu Lachsfarmen?
Lachsfarmen sind kein einfaches Thema. Vor allem für Tier- und Umweltschützer. Doch wenn Fisch weiterhin auf der Speisekarte stehen soll, kommen wir an diesen „Industriebetrieben" wohl nicht vorbei. Ich habe den Eindruck gewonnen, dass die Fischfarmen in Norwegen sehr genau überwacht und kontrolliert werden. Zum Beispiel durch Organisationen wie das norwegische National Institut of Nutrition and Seafood Research (kontrolliert von der EU), die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und das Institut of Marine Research (IMAR). Aktuell werden auch keine Lizenzen für neue Betriebe vergeben. Das liegt daran, dass es noch andere Probleme gibt. Zum Beispiel werden die Lachse von Seeläusen befallen. Ihr Biß zerstört das Hautgewebe und schwächt das Immunsystem der Fische was wiederum Infektionen zur Folge haben kann. Außerdem sind die Lachse gestresst und das wirkt sich negativ auf das Fischfleisch aus. Befallene Fische kommen aber nicht in den Handel. Künftig ist geplant, sogenannte „Reinigungsfische" einzusetzen, die die Läuse gerne fressen und die Plage beseitigen. Der Eingriff in die Natur ist natürlich immer so eine Sache und hat meist Folgen, mit denen man sich wieder auseinandersetzen muß. Was ist Eure Meinung? Schreibt mir was Ihr von Lachsfarmen haltet und wie Euch mein Erlebnisbericht gefallen hat.
Ich freue mich auf Eure Kommentare und wünche „God Middag" was soviel wie „Guten Appetit" auf Norwegisch heißt.
Ich möchte mich auch noch einmal herzlich bei Tom Tautz für seine wunderschönen Fotos bedanken, die ich verwenden durfte.