Mehr ist immer weniger

Vor sieben Jahren hatte der SPD-Arbeiterführer und gerade amtierende Finanzminister Hans Eichel eine geradezu grandiose Idee. Um den maroden Staatshaushalt endlich zu sanieren, würde er die Tabaksteuer erhöhen. Zwei Effekte waren geplant: Einerseits würde die Zahl der Raucher zurückgehen. Andererseits würden die Steuereinnahmen steigen. "Die Mehreinnahmen in Milliardenhöhe", hieß es im Hauptquartier der später als Dienstwagenfahrerin bekanntgewordenen Gesundheitsministerin Ulla Schmidt stolz, "sollen in die Finanzierung der Gesundheitsreform fließen". "Ich habe den Eindruck, dass in der Bevölkerung akzeptiert wird, dass die Raucher hier einen Beitrag leisten", imaginierte die seinerzeit führende Grüne Krista Sager.

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Photo: SuperFantastic


Damit nicht zu viele Menschen einfach mit dem Rauchen aufhören, hatte das rot-grüne Kabinett einen raffinierten Fahrplan ausgearbeitet. Eine "zeitliche Streckung" (Schmidt) würde verhindern, dass Raucher vermehrt zu Schmuggel-Zigaretten greifen und die Steuereinnahmen aus der erhöhten Steuer sinken. Modell Frosch im Kochtopf: Ins heiße Wasser geworfen, stirbt er, in kalte gesetzt, das langsam erhitzt wird, ist er irgendwann zwar auch tot. Er hat es aber vorher nicht gemerkt.
Es ging immerhin um jährliche Zusatzeinnahmen von 4,5 Milliarden Euro. Die nun trotzdem nicht nur ausgeblieben sind, sondern seit der Steuererhöhung beständig sinken. Deutschlands Raucher verweigern sich der Solidarität mit dem Staat: Nach der dritten Stufe der Tabaksteuererhöhung, die den Steueranteil pro Zigarette von 8 auf 14 Cent erhöhte, werden die Einnahmen aus der Tabaksteuer im Jahr 2010 bei etwa 13,6 Milliarden Euro liegen - und damit rund rund 400 Millionen Euro niedriger als vor der ersten Er
höhungsrunde im Jahr 2003.

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Dass höhere Steuern nicht automatisch zu höheren Einnahmen führen, darf damit ein weiteres Mal als erwiesen gelten, wenn auch in diesem Fall die Profiteure der klugen Maßnahme jenseits der deutschen Grenzen sitzen. Allein im zweiten Quartal 2010 ging der Umsatz im Tabakhandel nach Angaben des Statistischen Bundesamt in Wiesbaden um sechs Prozent zurück, weil "immer mehr Raucher auf losen Tabak zum Selberdrehen und auf Schmuggelzigaretten umsteigen". Der steuerbegünstigte Drehtabak verkaufte sich um 5,3 Prozent besser, den fehlenden Rest liefern Moskauer Edelhersteller wie "Jin Ling" sogar ganz steuerfrei.
Alle fehlenden Einnahmen flossen in den wackligen Staatshaushalt von Eichel-Nachfolger-Nachfolger Schäuble. Konsequenterweise setzt dessen Finanzministerium nun "zur Sanierung des Bundeshaushaltes" auf bewährte Maßnahmen: Die Kolition erwägt eine Erhöhung der Tabaksteuer.

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