„Megaritual am 26. Juni in Berlin“: Wo sind die Beweise?

Ein Zwischenruf an die alternative Szene, nicht jede Verschwörungstheorie kritiklos aufzunehmen und zu glauben.

Eine unheilvolle Voraussagung aus dem Internet schürt derzeit Angst: Das Gerücht von einem angeblich geplanten Terroranschlag am 26. Juni 2011 in Berlin, der von westlichen Geheimdiensten durchgeführt werden soll. Dafür gibt es mehrere Videos, die die These beweisen sollen. Mittlerweile hat auch eine Anwaltskanzlei einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Das Thema wurde mittlerweile sehr emotionalisiert. Die Angst vor einem Anschlag in Deutschland, der sehr viele Menschen das Leben kosten würde, macht eine ruhige Analyse für viele Menschen natürlich schwer.

Ich wurde von vielen verunsicherten Menschen angeschrieben, die mich nach meiner Einschätzung gefragt haben. Deshalb versuche ich hier eine nicht emotionale, sondern möglichst ruhige Betrachtung der Sachlage.

Sehen wir uns die angeblichen „Indizien“ und „Beweise“ etwas näher an und untersuchen sie auf ihre Glaubwürdigkeit:

  • Woher kommt das Datum?

Bis jetzt ist mir nicht bekannt, woher das Datum ursprünglich stammt. Es tauchte zuerst in dem obigen Video auf, Ansätze für den 26.6.2011 gab es vorher nicht. Auch der Ersteller des Videos gibt nicht preis, wie er das erste Mal auf das Datum gestoßen ist. Doch er benennt daraufhin einige „Hinweise“, die angeblich alle seine Theorie bestätigen.

  • Zahlen/Daten konstruieren

Aus Standbildern werden Lichter gezählt, Zahlen addiert, subtrahiert und multipliziert, bis das passende Ergebnis rauskommt.

Diese Zahlenspiele haben jedoch wenig mit seriöser Recherche zu tun, sondern vielmehr mit dem Konstruieren von „Beweisen“. Mit Zahlen kann man bekanntlich eine Menge machen und wenn man sucht, findet man auch die entsprechenden Hinweise. Zu den Zahlen finden Sie am Ende des Artikels noch ein Musikvideo namens „23″.

  • Notrufnummern 911 und 112

Ein weiteres Zahlenspiel findet mit den Notrufnummern statt. Die Notrufnummer in Amerika ist 911. Die amerikanische Schreibweise für das Datum „11. September“ ist 9/11. Sehen Sie diese Übereinstimmung? Sicher wurden nur deshalb die Ereignisse auf den 11.9.2001 gelegt, um diese Parallele zu erzeugen. Da die Nummer 112 in Filmen wie „2012″ auftaucht, soll dies ein Hinweis auf einen Anschlag in Deutschland sein. Wie absurd ist das bitte?!

  • Alles Zufall?

Nun stellen die Vertreter der Theorie häufig die Frage, ob dies alles Zufall sei. Natürlich ist es das nicht. Denn wenn man gezielt nach Indizien für ein Datum (oder eine Zahlenreihe) sucht, findet man diese auch. So kann sich man für jedes Datum Hinweise aus zahlreichen Hollywoodfilmen konstruieren. Einen größeren Wahrheitsgehalt liefert dieses Modulieren von „Beweisen“ jedoch nicht.

  • 9/11: Voraussagungen im Nachhinein hineininterpretieren

Angeblich habe es auch vor den Anschlägen von 9/11 solche Hinweise gegeben. Aber auch dort gilt: im Nachhinein lässt sich sehr viel interpretieren und deuten. (Mehr oder weniger) zufällige Anordnungen werden mit 9/11 in Verbindung gebracht, obwohl diese Verbindungen alle sehr weit hergeholt sind. Trotzdem werden sie als „Beweise“ angesehen.

  • Einstweilige Anordnung der Kanzlei Van Geest

Ist die Meinung von einer Person automatisch glaubwürdiger, nur weil sie (durch den Beruf bedingt) eine einstweilige Verfügung stellt? Nur weil ein Anwalt aus seiner privaten Meinung die Konsequenz zieht, diese auch beruflich einfließen zu lassen, bekommt sie damit nicht mehr Wahrheitsgehalt, auch wenn der Beruf des Anwalts die Sache glaubwürdiger erscheinen lässt. Um es zuzuspitzen: Wird der Antrag auf Verhaftung der EHEC-Bakterien weniger sinnfrei, nur weil er von einem Anwalt kommt? Oder der Ruf nach Internetzensur von Politikern, weil sie Kinderpornos sperren wollen?

  • Website zum „Megaritual“

Mittlerweile gibt es auch eine Website, die vor dem „Megaritual 2011″ warnt. Neben den angeblichen Vorwarnungen zu 9/11 findet man unter 26-06-2011.de auch eine Uhr, die die angeblich noch „verbleibende Zeit“ anzeigt. Das erzeugt genauso Angst wie die Bilder von (nuklearen) Explosionen sowie die Überschrift „Auftakt zum 3. Weltkrieg?“. Fakten und Beweise sucht man jedoch auch auf der Website vergeblich.

  • Angebliche Sicherheitsübung des Kampfmittelräumdienstes

Ich habe dazu die zuständige Stelle kontaktiert, die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin. Dort war nichts von einer Übung des KRD am 26. Juni bekannt. Auf meine Nachfrage hieß es, dass jede derartige Übung vorher bei der Senatsverwaltung bekannt sein würde. Für den 26. Juni liege aber keine Übung vor.

  • DFB-Trailer zur Frauen-WM

Dass man in einen harmlosen Werbespot Dinge hineininterpretiert, die nicht da sind, zeigt dieses Beispiel. Zu sehen ist ein DFB-Spot für die Frauen-WM. Aus einem Forum zitiere ich: „Also dieses Video finde ich extrem merkwürdig. Es fällt einem gar nicht gleich auf, aber behaltet mal die muslima im Auge, die im Hintergrund angelaufen kommt.“ Das ist natürlich „extrem merkwürdig“, dass da ein Mädchen mit einem Kopftuch zu sehen ist. Denn in der deutschen Frauennationalelf spielen ja keine Menschen mit anderem Glauben und der DFB kämpft nicht seit Jahren gegen die Ausgrenzung von Ausländern. Nein, dieser Spot ist ein Hinweis darauf, dass die in dem Spot angeblich als Außenseiterin dargestellte Muslima (stellvertretend für den gesamten Islam) für den Anschlag am 26. Juni verantwortlich ist oder gemacht wird.


  • TV-Spot von Nike

Auch ein TV-Spot des Sportartikelherstellers Nike soll vor einem „Megaritual“ warnen. Dabei werden einige Elemente des Kurzfilmes so dargestellt, als könnten sie nur auf einen Anschlag hindeuten und für nichts anderes stehen. Die rosanen Bengalofeuer stehen für genauso für den Anschlag wie die Lautschrift „Bang“ auf den Fußbällen. Und die gezeichnete Mannschaft, die jubelt, hat in Wahrheit schmerzverzerrte Gesichter. So werden „Beweise“ aus dem Nichts konstruiert.

  • TV-Spot der Deutschen Bahn

Als weiteren Hinweis auf einen Anschlag um 19 Uhr wird ein TV-Spot der Deutschen Bahn gesehen. Sie merken schon, alle möglichen Videos werden jetzt als „Beweise“ herangezogen, weil in ihnen allen versteckte Botschaften auf ein „Megaritual“ zu sehen sind. Die beiden Uhren, die 19:00 Uhr anzeigen, stehen dafür nicht für den Aktionsstart der DB, sondern für den Zeitpunkt der Bombendetonation. Völlig absurd wird es dann, wenn der Slogan „Ab 19 Uhr sind alle weg“ auf eine Atombombe bezogen wird und man die Hintergrundmusik als Warnung versteht, „raus aus der Stadt [Berlin] zu gehen“, weil dort eine Explosion stattfindet, deren Druckwelle durch den Wind im Video angedeutet wird. Das Skelett im Hörsaal ist keine einfache Requisite, sondern ein Zeichen für den Tod, den die Deutsche Bahn durch den Ausfall ihrer Klimaanlagen bringt. ;-)

  • Die Neujahrsansprache von Angela Merkel

Angela Merkel erwähnte in ihrer Neujahrsansprache das Eröffnungsspiel der Frauen-WM in Deutschland. Das komische daran sei, dass sie sagt, sie freue sich auf das Eröffnungsspiel und nicht auf das gesamte Turnier. Nun ist es müßig, sich über eine solche Formulierung den Kopf zu zerbrechen. Das Eröffnungsspiel ist nunmal die erste Gala eines solchen Turnieres, auf das alle Menschen vor dem Turnier erwartungsfroh blicken. Dass Bundeskanzlerin Merkel das Eröffnungsspiel in ihrer Neujahrsansprache so betont hat, weil sie sich auf einen Anschlag an diesem Tag freut, ist ebenfalls völlig aus der Luft gegriffen.

  • Absurde Vergleiche

Weitere Vergleiche, die an den Haaren herbeigezogen sind, werden mit Bildern aus der Zeichentrickserie „Simpsons“ gezogen. Weil dort Bilder gespiegelt sind und man eine solche Spiegelung auch auf einem Bild des Olympiastadions wiederfindet, wäre das wieder ein Hinweis auf einen Anschlag, weil in der Zeichentrickserie eine Atombombe explodiert. Genauer will ich jedoch nicht auf die ganzen Vergleiche eingehen, denn sie lassen sich alle folgendermaßen zusammenfassen:

„Wer suchet, der findet.“ Wer krampfhaft Parallelen aus irgendwelchen Hollywoodfilmen zu Logos/Bildern/Daten sucht, wird auch welche finden. Ein direkter Zusammenhang besteht aber nicht wirklich, sondern wird hineininterpretiert und -fantasiert. Wirkliche Fakten habe ich bis heute nicht gesehen.

Bei den Zahlenspielen musste ich mit einem breiten Grinsen an dieses Lied hier denken, welches die Absurdität dieser gleich zu Beginn aufzeigt. Die 23 ist doch tatsächlich überall… ;-)

Fazit:

Es gibt faktisch keinen einzigen glaubwürdigen Beweis für einen geplanten Anschlag am 26. Juni in Berlin. Hier wurde aus Indizien sowie an den Haaren herbeigezogenen Zahlenspielen und Vergleichen eine Verschwörungstheorie konstruiert, die leider von einigen Menschen tatsächlich geglaubt wird. Diese Entwicklung hin zu frei erfundenen Verschwörungstheorien wie „Die dritte Wahrheit“ über den 11. September 2001 ist erschreckend. Das hat nichts mehr mit kritischem Denken und Hinterfragen zu tun, sondern ist einfach nur blindes Glauben von Theorien aus der alternativen Szene, wie absurd diese auch sein mögen. Haltet euch doch endlich mal wieder an Fakten statt an Spekulationen, auch wenn das aufwändiger ist und dann vielleicht nicht mehr alles sofort so unglaublich gut zusammenpasst. Denn die Realität ist wesentlich komplizierter und vielschichtiger, als die Anhänger solcher Theorien es sich wünschen.

Ich selbst werde am 26. Juni natürlich nicht extra nach Berlin fahren und rate es auch keinem anderen. Das hängt aber weniger mit der Angst vor einem „Megaritual“, als vielmehr mit dem zu erwartenden Polizeiaufgebot, den grölenden Fußballfans und dem „Großereignis“ Frauen-WM an sich zusammen.

Dieser Beitrag wurde geschrieben von am 7. Juni 2011 um 21:20 und eingeordnet unter www.TheRealStories.wordpress.com. Du kannst den Antworten zu diesem Eintrag mit Hilfe des RSS-2.0-Feeds folgen. Du kannst eine Antwort schreiben oder einen Trackback von deiner eigenen Seite schicken.


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