ist ein Roman der Erfolgsautorin Megan Abbott, der 2012 veröffentlicht wurde. 2019 adaptierte sie das Buch als gleichnamige TV-Serie im Auftrag des US-amerikanischen Fernsehsenders USA Network. Sie unterstütze beim Verfassen der Drehbücher, agierte als ausführende Produzentin und leitete die Dreharbeiten als Showrunner gemeinsam mit Gina Fattore. In Deutschland feierte die Serie unter dem Titel „Wage es nicht" (eine sinnverfälschende Titelübersetzung) im März 2020 mit der ersten Staffel auf Netflix Premiere. Leider wird es wohl bei einer Staffel bleiben. USA Network setzte die Serie ab: Trotz positiver Kritiken waren die Einschaltquoten bescheiden. Außerdem möchte sich der Sender künftig auf Reality-TV-Formate konzentrieren. Hoffnungen, dass Netflix „Dare Me" als Eigenproduktion übernimmt und fortführt, wurden bisher nicht erfüllt. Für Fans der Serie ist das bedauerlich, denn die erste Staffel umfasst inhaltlich nur etwa die Hälfte des Buches. Ich rate deshalb dazu, die Romanvorlage zu bevorzugen.
Sie sind ein Team. Sie sind eine Gemeinschaft. Auf der Matte sind sie Kriegerinnen. Gegen ihre Körper, gegen die Schwerkraft. Junge Frauen, die nichts zu verlieren haben außer ihrer Jugend. Doch als das Cheer-Team eine neue Trainerin bekommt, verdoppelt sich der Einsatz. Colette French entfesselt verborgene Rivalitäten und treibt die Mädchen zu immer riskanteren Höchstleistungen an. Sie überschreitet Grenzen - und das Team liebt sie dafür. Auch wenn es bedeutet, ihrer Anführerin Beth den Rücken zu kehren. Addy spürt die Veränderung. Sie heißt sie willkommen, sehnt sich nach ihr. Sie lechzt danach, gesehen, wahrgenommen zu werden. Sie ignoriert Beth' Warnungen. Berauscht von Ehrgeiz und Bewunderung lässt sie sich auf ein gefährliches Spiel ein und vergisst darüber die Grundregel des Cheerleading: Je höher du fliegst, desto tiefer fällst du.
Wenn ein Buch jemals mit allen Vorurteilen aufräumte, die über junge Frauen und Cheerleading existieren, dann ist es von Megan Abbott. Denken wir an Cheerleading, denken wir meist an enthusiastische Mädchen, die in kurzen Röcken am Spielfeldrand Pompons schwingen und das (überwiegend) männliche Team anfeuern. Dieses Bild entspricht heutzutage nicht mehr der Realität. Cheerleading auf High-School- und College-Niveau ist ein Hochleistungssport, eine Mischung aus Tanz, Akrobatik und Gymnastik, der meiner Ansicht nach viel mit Ballett gemeinsam hat. An einigen Schulen in den USA ist das Cheer-Team die erfolgreichste Schulmannschaft. Wer sich für eine Laufbahn als Wettkampf-Cheerleader entscheidet, nimmt diesen extrem anspruchsvollen Sport ernst. Wie ernst, zeigt dieser Roman realistisch und eindringlich. Megan Abbott porträtiert eine Welt, in der Glitzer und Düsternis koexistieren. Aus der Ich-Perspektive der Protagonistin Addy illustriert sie, dass der Stereotyp des immer fröhlichen, unschuldigen Cheerleaders längst überholt ist. beschreibt einen Mikrokosmos, in dem der Sport eine religiös anmutende Hingabe und Opferbereitschaft hervorruft. Addys Team besteht ausschließlich aus konkurrenzbetonten, ambitionierten, manipulativen, sexuell erwachten jungen Frauen, die sich ihrer Wirkung und Ausstrahlung vollkommen bewusst sind und untereinander zu erschütternd grausamer, psychischer Gewalt fähig sind. Ihre Dynamik ist widersprüchlich und kompliziert; als ihre neue Trainerin Colette French diesen Mikrokosmos betritt, spitzt sich ihr schwieriges, tendenziell ungesundes Verhältnis weiter zu, was Abbott eindrucksvoll in der Beziehung zwischen Addy und ihrer besten Freundin Beth demonstriert. Beth erkennt in Mrs. French eine Bedrohung für jeden Aspekt ihrer Identität, vor allem sieht sie jedoch ihre Freundschaft mit Addy gefährdet. Addy hingegen genießt die Anerkennung und Aufmerksamkeit einer Erwachsenen, die sie bewundert und nutzt die Chance, aus Beth' Schatten auszubrechen. Es ist nicht einfach, nachzuvollziehen, was innerhalb dieser bizarren, unvereinbaren Dreiecksbeziehung unter der Oberfläche geschieht, weil sich keine der Figuren selbstreflektiert verhält und die Autorin eher Hinweise bereitstellt, statt Antworten auf dem Silbertablett zu liefern. Megan Abbott erwartet von ihren Leser_innen, eigenständig tief in die Metaebene vorzudringen und sich den finsteren Facetten von allein zu stellen. Ich musste mich anstrengen, um das Benehmen der Charaktere zwischen den Zeilen zu deuten und daraus abzuleiten, warum der Konflikt der Geschichte brutal eskaliert, welche Bedürfnisse, Erwartungen und Sehnsüchte sich darin spiegeln. Dennoch faszinierte mich diese Herausforderung, weil die neurotische Zwanghaftigkeit der Verhaltensweisen einen hypnotischen Sog entwickelte. Ich fühlte mich von der Atmosphäre sinnlicher Fatalität in angezogen und konnte ihr nicht widerstehen. Es war eine intensive Lektüre voller emotionaler Fallstricke, die ich sehr genossen habe.
ist definitiv kein Buch zum Abschalten. Leser_innen, die einen bequemen Roman erwarten, der freigiebig präzise Begründungen und einleuchtende Erklärungen bietet, sollten lieber eine andere Lektüre wählen. Ebenso muss ich davor warnen, dass Megan Abbott kein sehr schmeichelhaftes Bild junger Cheerleader zeichnet. Mit Beschönigungen oder Verklärungen hält sie sich nicht auf, sie zeigt schonungslos die Realität von lebensgefährlichen Risiken, ungesundem Körperkult und toxischen Freundschaften. Daraus ergibt sich eine Geschichte, die sich weder um Tabus noch um Konventionen schert, sondern ehrlich beschreibt, wozu Frauen untereinander fähig sind. Mich hat das Buch sehr beeindruckt. Wenn ihr beim Lesen gern analysiert und keine Angst habt, Stereotypen zu hinterfragen, liegt ihr mit richtig. Wagt es. Wagt euch in eine Welt, in der sich hinter Pompons, Pailletten und Pferdeschwänzen tödlicher Ehrgeiz verbirgt.