Meena & Erja Lyytinen
Es ist Dienstagabend in Bonn- Endenich, in dem ich mich dank einer halbstündigen wie verzweifelten Parkplatzsuche mittlerweile sehr gut zurecht finde. Aber mein Ziel heißt ja nicht umsonst „Harmonie“, so dass sich kurz nach deren Betreten so etwas wie der sanfte Mantel des Vergessens um die frustrierende Odyssee nach einer Abstellmöglichkeit für mein Bluesmobil legt.
Dieser Ort ist eine Kulturoase, an der regelmäßig auch die von Thomas Ruf initiierte Blueskarawane einen Stopp einlegt.
So kommt auch so etwas wie Blues Caravan Feeling light auf, denn die beiden Hauptakteurinnen der „Double Trouble“ Tour sind ehemalige Mitreisende der Karawane in Sachen Blues.
Meena und ihren Gitarristen Chris Fillmore sah ich zuletzt beim grandiosen Festival in Schöppingen, Erja habe ich mittlerweile seit zwei Jahren nicht mehr gesehen.
Das erste Set heute Abend bestreitet die stimmgewaltige Meena, an ihrer Seite stehen, wie schon gesagt, der fantastische Chris Fillmore an der Gitarre, am Bass der Brite Roger Inniss, einer der großartigsten Spieler im Tieftonsektor und immer wieder gern angeheuerter Sideman zum Beispiel bei Joanne Shaw Taylor, Shakura S’Aida, Oli Brown oder Deborah Coleman. An den Drums sehen wir heute Abend Miri Miettinen aus Finland, den ich letztes Jahr schon mit Ben Granfelt ebenfalls in Schöppingen bewundern durfte.
„You Can Have My Husband, But Please Don’t Take My Man“ ist Meena’s Opener. Schnörkellos und sofort auf dem Punkt. Die Kapelle rockt, die Harmonie gleich mit und Meena überstrahlt all dies mit ihrer kräftigen, variantenreichen Stimme. In einigen Momenten erinnert ihre Stimme leicht an das Timbre von Janis Joplin.
Beim Etta James Klassiker „I’d Rather Go Blind“, von dem es bereits viele hervorragende Interpretationen gibt, hat Meena schon bei ihrem ersten Silberling bewiesen, dass sie hier durchaus mithalten kann, doch die heutige Live- Version setzt dem noch ein Sahnehäubchen auf.
Chris Fillmore tut das Seinige an der Gitarre, um dem Ganzen zum Hörgenuss zu verhelfen. Ob im Rhythmus- oder im Solospiel, ob an der Fender Stratocaster oder an der Dobro – hier wird nicht an Facettenreichtum gespart, technisch auf sehr hohem Niveau und dennoch versehen mit einer gehörigen Portion an Feeling. Das ist es eben, was einen perfekten Sideman wie Chris Fillmore auszeichnet.
Über das Soundfundament braucht man sich auch keine Sorgen zu machen: Roger Inniss und Miri Miettinen harmonieren aufs Beste. Was will man also mehr?
Das erste Set vergeht im Fluge, keine Sekunde Langeweile, dem Publikum, das ruhig etwas größer hätte sein dürfen, gefällt’s. So sollen sich die ärgern, die dann doch lieber zu Hause geblieben sind. Denn allein schon bis hierher hat sich der Weg nebst und trotz nerviger Parkplatzsuche gelohnt.
Kurze Pause.
Das „Drum ’n’ Bass“- Fundament bleibt das Gleiche, dazu betreten nun der Gitarrist Davide Floreno und Erja Lyytinen die Bühne.
Natürlich hat Erja ihre aktuelle CD „Voracious Love“ im Gepäck, die mir persönlich in der Produktion ein wenig zu poppig geschliffen geraten ist. Naja.
Was soll’s? Im Live- Gewand klingen „Can’t Fall In Love“ oder „Birds“ um einiges rauer und ungeschliffener. Und das ist auch gut so.
Dass Erja eine ausgezeichnete Slidegitarristin ist, konnte ich schon oft feststellen. Mittlerweile hat sie allerdings auch im Standardspiel mächtig zugelegt. In den Soli dieser Spielart verblüfft sie mich mit vielen gelungenen Ideen, die mit ihren nicht erwarteten Wendungen immer wieder in ihren Bann ziehen. Hats off, Mylady.
Es macht einfach Freude, ihrem Spiel zuzusehen. Der Nachteil vom Ganzen: Auch hier rauscht die Zeit wie nichts vorbei und schon sehen wir uns am Ende ihres Sets. Nicht unerwähnt lassen möchte ich Davide Floreno’s solide Rhythmusarbeit auf der Telecaster. Sein wahres Können allerdings blitzt in einem brillanten Solo auf, für das er in einem Titel den nötigen Raum bekommt.
Wie auch beim Blues Caravan gewohnt versammeln sich alle Beteiligten zum grande Finale auf der Bühne.
„Soul Of A Man“ ist einer der Songs, die alle gemeinsam interpretieren. Die Unterschiedlichkeit der einzelnen Künstler fügt sich hier zu einer eigenen Einheit zusammen. Zugaberufe, die mehr als berechtigt sind, werden erhört.
Nach dem Konzert trifft man sich am zum Smalltalk am Merchandisingstand. Zufriedene Gesichter bei den Zuschauern aber auch bei den MusikerInnen.
So hoffe ich, dass es keine weitern zwei Jahre dauert, bis es das nächste Wiedersehen und –hören mit Erja gibt.
Dass doppelter Ärger in Form von „Double Trouble“ überhaupt und dann auch gleich doppelt Spaß macht, ist eine wohltuende neue Erfahrung für mich.
So begebe ich mich nach einem herzlichen Abschied hinaus in die herbstliche Bonner Nacht zu meinem Auto, da irgendwo in einer Seitenstraße, den Kopf voll mit guter Musik und in dem Wissen, dass ich sicher etwas verpasst hätte, wenn ich diesen Abend daheim geblieben wäre.