Medien heizen religiöses Klima auf

Medien sind geil auf Einschaltquoten, neigen zum Dramatisieren und verstärken somit ein ohnehin schon hochexplosives Klima. Dies gilt auch besonders für den Bereich des Religiösen.

Dazu ein Beispiel

Im Bundestag: Religionsfreiheit und die Rolle der Medien

von Thomas Schirrmacher

(MEDRUM) Bonn, 28. Oktober 2010 – In meiner gestrigen Aussage als Sachverständiger im Menschenrechtsausschuss des Deutschen Bundestages wurde besonders meine Aussage zur Rolle der Medien diskutiert.

Viel zu wenig berücksichtigt wird meines Erachtens, dass es vor allem die Medien im weiten Sinne sind, die darüber bestimmen werden, ob die Diskussion über die Integration islamischer Glaubensgemeinschaften in Europa zu einem sinnvollen Ergebnis führt oder nicht. Dies hat die Mediendiskussion rund um das Buch von Thilo Sarrazin oder einen Satz in der Rede des Bundespräsidenten gerade eben wieder bewiesen.

Ein Beispiel ist die Rolle der internationalen (auch der deutschen) Medien im Umgang mit einem verrücken und isolierten Prediger in den USA, der die Verbrennung eines Korans ankündigte, in einer Welt von 2,5 Milliarden Muslimen und Christen aller Schattierungen ein völlig bedeutungsloser Vorgang, wären denn da nicht die Medien. Man wollte unbedingt endlich die friedlichen Evangelikalen im Kulturkrieg mit den Muslimen sehen – Fundamentalisten gegen Fundamentalisten, da waren die Einschaltquoten sicher. (Mein Kronzeuge ist dabei ein tiefschürfender Kommentar des ‚Spiegels‘ im Rückblick.) Schnell rechnete man Gewalttaten von Muslimen in Afghanistan und anderen Ländern daz. Ob die wirklich im Zusammenhang mit der angekündigten Koranverbrennung standen, konnte so schnell sicher niemand prüfen, aber für die Medien stand es fest. Dass man dabei tatsächlich die Gefahr von Mord und Totschlag in Kauf nahm, interessierte nicht. Die 420 Mio. Mitglieder starke Weltweite Evangelische Allianz hatte sich dagegen längst empört und lautstark gegen die Koranverbrennung gewandt (und diese übrigens auch konkret verhindert). Und keiner von ihnen verbrannte einen Koran. (Dass zeitgleich ständig weltweit Bibeln und Kirchen, ja bisweilen sogar Christen, oder im Iran Baha’ischriften und in Indien Korane verbrannt werden, war bisher übrigens kaum einer Medienanstalt eine Meldung wert.)

So tragen die Medien nicht zum sozialen Frieden zwischen Religionen bei, sondern für den billigen Effekt der Einschaltquoten und Leserzahlen zur emotionalen Aufladung zwischen religiösen Gruppen. Die Rolle der Medien in Belgien oder orthodoxen Ländern oder der Türkei liefert viele Beispiele, dass die Medien gerne Religionskonflikte anheizen oder ausnutzen, um dann hinterher den moralischen Richter zu geben.

Die Medien werden eine wesentliche Rolle dabei spielen, ob religiöse Spannungen zwischen großen Religionen oder gegenüber religiösen Minderheiten zunehmen oder abnehmen. Denn Übergriffe gegenüber anderen Religionen setzen oft voraus, dass zuvor böswillig Falschdarstellungen oder Verallgemeinerungen (‚Juso biss wehrloses Kind‘) verbreitet werden und die Menschen sich an Pauschalierungen gewöhnen und die enorm differenzierte und aufgefächerte Welt des Islam (oder der Evangelikalen) allesamt in einen Topf werfen und auf handliche Stammtischnenner bringen. Hier sollte gerade Deutschland die Geschichte der Judenhetze studieren, die der Judenvernichtung voranging.

Wer die Evangelikalen als gewalttätig, die Yezidis als „Teufelsanbeter”, katholische Geistliche als Kinderschänder aufgrund des Zölibats und Muslime als zur ‚Lüge‘ gegenüber Ungläubigen berechtigt darstellt oder jedes Mal, wenn das Wort Islam im Fernsehen fällt, Bilder vom 11. September 2001 zeigt, und beim Wort ‚Evangelikale‘ ein Bild von George Bush einblendet und den Irakkrieg zeigt, bereitet religiöse Gruppierungen zum ‚Abschuss‘ vor, indem er durch ständige Wiederholung die Bevölkerung gegen sie einnimmt.

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