Wenn, dann aber alle! Je bunter die Vielfalt deutscher Medien im Internet wird, desto einstimmiger wird der Chor, der die Farbe besingt. Allerdings immer hintereinander: Heute hüh und morgen hott, gestern gelb und nächste Woche rot. Die sprichwörtliche "Sau", die schon in grauer, unelektrischer Vorzeit zur Nachrichtenerschaffung durch sprichwörtliche "Dörfer" gejagt werden musste, ist inzwischen zur gentechnisch optimierten Binär-Sau geworden. Sie läuft, wenn sie läuft, auf allen Kanälen. Läuft sie aber nicht, gibt es sie auch nicht.
"Alle oder keiner", sang der Liedermacher Gerhard Gundermann in einer grostesken Umdichtung des Neil-Young-Mittelwerkes "Rocking in the free world". Und er, der noch nicht viel vom Internet wissen konnte, behielt recht damit. Es gibt nicht mehr halb und ein bisschen, wie damals, als Nicole sich nach einem bisschen Frieden sehnte, weil zu viel ohnehin den Sack zerreißt, wie ihr Entertainerkollege O.F. Weidling seinem Landesvater Erich Honecker einmal in großer Runde anvertraut hatte. Es gibt nur noch ganz oder gar nicht, heile Welt oder Weltuntergang, schweig fein still oder lautes Gebrüll.
Dassviele Ehec-Tote nie mehr ganz gesund werden, ist so traurig, dass sämtlichen deutschen Medienhäuser die irrwitzige Zeile übernahmen, obwohl doch die gemüsebrühedünne Nachrichtenquelle kein anderer war als Karl Lauterbach, ein Talkshowstammgast, der erst im Alter von 48 Jahren seine Zulassung als Arzt erhalten hatte. Und dann noch diese Überschrift! Macht ja nichts, merkt ja keiner.
Und so kam es auch. Während von den bunten Seiten der "Bild"-Zeitung abgesehen nicht ein einziges deutsches Medienorgan seinen Lesern zur Kenntnis brachte, dass sich in der Schweiz dieobskure Gruppe der Bilderberger trifft, schaffte es die Nachricht über die bedrohte Zukunft der Ehec-Toten prominent auf alle Nachrichtenportale. Die über das Weltgipfeltreffen der Reichen und Mächtigen brachte es nicht einmal zu einer kurzen Notiz.
Zufall oder ein ganz klein bisschen Glück? Freudiger Anlass, die infantile Einstimmigkeit der bei jeder Gelegenheit auf ihre Einzigartig verweisenden deutschen Qualitätszeitschriften zu beklagen? Oder nur ein weiterer Offenbarungseid einer Branche, die unter "Inhalteproduktion" dasselbe versteht wie die Plattenfirma von T.Rex: Dieselben 30 Lieder immer wieder neu abmischen, eintüten, verpacken, verkaufen und die ganze Zeit hoffen, dass es niemand merkt.
Billig muss es sein, schnell muss es gehen und kein Leser, der morgens aufgestanden ist, um sich erzählen zu lassen, dass die Welt noch im Lot oder aber schon lange am Ende ist, darf enttäuscht werden. Da braucht es klare Schuldzuschreibungen, Schwarz und Weiß und knappe Zitate, am besten von Typen wie Lauterbach, von denen zwar keiner weiß, was und wer sei eigentlich sind. Die aber jedem das Gefühl geben, sie seien schon immer da gewesen, um zuverlässig wichtige Sätze wechselnden Inhalts in Mikrophone zu sprechen.
Ein Kettenkarussell, von dem die Schaukeln fliegen würden, drehte auch nur einer in die andere Richtung. So aber, ein Forscherkollektiv vom An-Institut für Angewandte Entropie der Bundeskulturstiftung in Halle um den Medienwissenschaftler Hans Achtelbuscher hat das anhand des grassierenden Themensterbens in der deutschen Medienlandschaft nachgewiesen, heißt es im gundermannschen Sinne "Alle oder keiner". Exklusiv ist, was jeder druckt, so fehlt es bei keinem und niemand beschwert sich. Nachrichtenproduktion findet auf dem Niveau des Spieles "Stille Post" statt: Karl oder Heiner Lauterbach, Olli Kahn oder ein anderer Titan sprechen dieser oder jener Zeitung über dieses oder jenes Leiden, über Triumph und Willen. Und hastunichtgesehen steht derselbe Satz dank der einzig wahren allumfassenden Nachrichtenagentur dpa mit ein paar kleinen, je nach Ausbildungsstand der jeweiligen Praktikanten mehr oder weniger gelungenen Verweisen auf Lebenswerk und Wesensart des Urhebers auf allen Portalen, in allen Regalen, auf jeder Seite. Nachrichtenwert Null. Aber was man hat, das hat man.
Einstimmig:
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