McDonalds Becher oder wie Bodhicitta zum Umweltschutz kam

Von Dzongsar Khyentse Rinpoche

dzongsar2Wahrscheinlich habe ich euch schon 100.000 Male gesagt, wenn ihr Ngöndro praktiziert, dann sind „Die Worte meines vollendeten Lehrers“ der beste begleitende Text. Obwohl ich dieses Buch so viele Male gelesen habe, entdecke ich noch immer viele Dinge darin, die lesenswert sind. Und es ist sehr einfach zu verstehen. Deshalb lehrte es Patrul Rinpoche auch. Er versuchte diese Dinge in einer sehr einfachen Sprache niederzuschreiben. Er benutzte allgemein bekannte Beispiele, die sich auf die tibetische Kultur wie auch die Nomaden beziehen. Und daher können nach einiger Zeit einige der Beispiele für einige uns ziemlich unklar erscheinen. Ich habe noch kein Buch gesehen, das so weitsichtig ist, wie dieses. Es behandelt wirklich alles und bleibt noch immer zeitgemäß. Und der Teil, wo er irgendwie rücksichtslos sarkastisch Lehrern gegenüber ist, ist sehr, sehr zeitgemäß.
Dieses Buch alleine sollte wie ein Wächter des Vajrayana-Buddhismus sein. Es zeigt auf, wie man einen Meister erkennt, wie man einen Meister beurteilt und wie man einen Praktizierenden beurteilt. Natürlich ist jede Seite davon sehr wichtig und obwohl man nicht irgendetwas davon auslassen kann, neigen wir in unserem Geist dazu, dies so zu trennen. Wir meinen: „Dieses oder jenes ist wichtiger.“ Also werde ich ein paar der wichtigen und entscheidenden Anweisungen herausnehmen.
Um die Analogie mit einem Dickicht heranzuziehen, also viele von uns sind nicht wirklich gut darin, einen langen Ausflug im Busch zu unternehmen. Dann wiederum, ich glaube, es gibt ein paar, die auch wenn sie mit einem bestimmten Dickicht vertraut sind, dennoch wissen, wie man damit umgeht. Es ist wie bei einem Alchemisten und man hat eine bestimmte Methode, mit der man Eisen in Gold verwandeln kann. Es kann eine sehr einfache Methode sein, wie die eines Mechanikers beispielsweise. Sagen wir mal, man hat ein Problem mit dem Auto und man versucht das auf allen möglichen Arten zu beheben. Aber dann kommt dieser wirklich geschickte Mechaniker des Weges, der das gewisse Etwas hat, das wie ein Katalysator wirkt. Vielleicht mit einem einzigen Dreh kann man nun das Auto richten und alles ist wieder in Ordnung.
Patrul Rinpoche spricht über die zwei Geisteshaltungen. Seine Art, wie er die Dinge darlegt, ist einfach unglaublich. Wenn wir im Allgemeinen die Situation betrachten, dann meinen wir, dass das Ausreißen der Ignoranz – frei werden von diesem Anhaften an einem Selbst, von diesen scheinbar unendlichen Emotionen, Gewohnheitsmustern, Verklemmtheiten und dem Erlangen der sogenannten Erleuchtung, eben dass man ein allwissendes Wesen wird, ein allmächtiges Wesen – dass diese Dinge außerhalb unserer Reichweite liegen. Sie scheinen schier unerreichbar. Lasst uns mal all diese Emotionen vergessen, nur eine Emotion, ein einziges Gewohnheitsmuster oder ein einziger Hänger – das allein braucht schon Jahre, damit man frei wird davon!
Hier sprechen wir davon, frei von den Tausenden und Millionen dieser unendlichen Emotionen und Gewohnheitsmustern zu werden. Eine einzige erleuchtete Eigenschaft zu erlangen, wie schwierig ist das doch? Oder auch nur eine einzige gute Eigenschaft, einfach ein liebevoller und gütiger Mensch zu sein, das braucht wirklich ganz schön lange, um das zu erreichen. Also in diesem Leben Erleuchtung zu erlangen oder Erleuchtung im nächsten Leben, das ist wie ein Wunschdenken. Da gibt es das gesamte allgemeine Fahrzeug, bei dem der Pfad uns einlädt, uns unseres Heimes, unserer Geliebten und Besitztümer zu entsagen und uns auf dahin führt, frei von der Anhaftung an alle Arten von Dingen zu werden, aber das ist sehr schwierig zu erlangen.
Man ist wie ein Reisender, in diesem Fall ein Buschläufer, einer ohne Landkarte und Erfahrung. Das einzige, was man hat, ist dieses Drängen, von hier nach dort zu gelangen und die einzige Sache, die man will ist, aus dieser verlorenen Lager herauszukommen. Das ist alles, was man hat. Aber sogar das haben viele der Wesen, die am meisten getäuscht sind, nicht einmal. Sie haben schon aufgegeben. Sie glauben: „Ich kann mein Zelt auch hier im Busch aufschlagen.“ Aber für einige von uns gibt es vielleicht einen Ausweg, weil wir glauben, dass es vielleicht einen Weg gibt. Aber dann gehen wir herum und umher und herum. Und wenn wir zu viel umhergehen, beginnen wir unseren Mut und unsere Begeisterung zu verlieren, weil der Pfad lange ist. Der Pfad ist lange und gewunden. Es gibt so viele Härten und es sind so viele gute, begehrenswerte Dinge aufzugeben. Für uns ist Erleuchtung dann nur eine Idee in diesem Moment. Nach einiger Zeit, wenn wir intensive Meditation betrieben haben, dann haben wir als eine nach-meditative Reaktion eine Art von Glücksgefühl, aber das hält nicht lange an.
Daher brauchen wir eine Art von Katalysator, etwas, das diese Alchemisten auch haben. Wir brauchen etwas sehr einfaches, dass den Pfad gerade macht, etwas, das den Pfad leicht macht, erreichbar und etwas, das all diese Schwierigkeiten umgeht. Und so etwas ist diese unermessliche Geisteshaltung von Bodhicitta und die unermesslichen geschickten Mittel, die Einstellung des geheimen Mantrayana.
Und das ist aber etwas, woran es uns gewöhnlich mangelt. Wenn man diese unermessliche Einstellung von Bodhicitta beispielsweise hat, dann ist es wichtig, dass man diese Haltung hat, bevor man eine sogenannte tugendhafte Handlung, wie Niederwerfungen machen, ausführt: „Ich werde das machen, nicht für mich selbst, sondern zum Wohle aller fühlenden Wesen.“ Seht her, man kümmert sich darum. Warum seid ihr auf dem Pfad so frustriert? Das kommt daher, weil ihr das für euch selbst macht. Auf eine befremdliche Weise seid ihr schon von Anfang an frustriert, aber wenn ihr das zum Wohle aller fühlenden Wesen macht, dann gibt es keine Frustration. Ihr macht es für alle fühlenden Wesen, nicht für euch alleine.
Ein Mangel an Begeisterung oder ein Mangel an Eifer hat dann keinen Platz, wenn ihr wirklich, wirklich das zum Wohle der fühlenden Wesen macht. Wenn ihr es wirklich fertig bringt, das in euch zu erzeugen, dann werden Eifer und Begeisterung tatsächlich wachsen und ihr werdet euch irgendwie ziemlich verantwortlich fühlen. Nicht nur Handlungen wie Niederwerfungen oder das Singen von Mantras, sondern auch eine weltliche, aber vielleicht doch gute Tat, wie das Kehren des Tempelbodens, das Reinigen der Toiletten eines Klosters, Dharma-Zentrums, Krankenhauses oder einer Irrenanstalt oder Umweltschutz – das alles sind Dinge, die moderne Menschen heutzutage begeistern – alles davon beginnt mit Bodhicitta. (Wie der Umweltschutz, wo einige von uns versuchen, diese Polystyren-Behälter zu verweigern, die sie bei McDonalds hergeben.)
Ihr fühlt euch vielleicht allein dabei, wenn ihr versucht, die Umwelt zu schützen. Millionen und Abermillionen Leute machen das nicht. In diesem Sinne ist es irgendwie qualvoll. Aber warum leidet ihr dabei? Ihr macht das ohne der Bodhicitta-Einstellung. Ihr glaubt in einer sehr steifen Weise daran. Mangels der Vorstellung von fühlenden Wesen, macht ihr das auf eine sehr strenge, unnachgiebige Art. Ihr glaubt an eine bestimmte Philosophie, eine Art von Ideologie – deshalb macht ihr es. Ich will das Schützen der Umwelt nicht schlechtmachen. Was ich sage ist, wenn wir mit dieser Handlung beginnen, ob wir es ablehnen, Polystyren oder was auch immer zu benutzen, dann sollte das von Bodhicitta begleitet sein: „Ich werde zum Wohle der Wesen nicht zu McDonalds gehen.“ Und während ihr das macht – und das ist wiederum sehr wichtig – dann sollte diese Handlung von Bodhicitta begleitet sein. Worin liegt nur der Unterschied? Bei vielen sogenannten Umweltschützern, Vegetariern usw. gibt es diesen Stolz, weil sie das alles nicht mit Bodhicitta machen. Das wird für sie zu einer Vorstellung. Sie sind darauf fixiert. Sie schauen auf die Leute herab, die das nicht machen und es wird für sie dann ein wirklich qualvoller Vorgang.
Ist diese Handlung von Bodhicitta begleitet, während ihr sie ausführt, dann führt das nicht nur zu relativem Bodhicitta, sondern tatsächlich auch zu letztendlichem Bodhicitta. Ihr erkennt danach, das ist einfach nur euer eigener Geist. Das ist nur eure Vorstellung. Das ist euer Geist. Das ist eure Fixierung. Das ist ein bestimmter Weg, von dem ihr jetzt gerade begeistert seid. Ihr könnt dies betrachten, indem ihr euer eigenes Leben beurteilt. Von da an, als ihr jung ward, wie oft habt ihr eure Ideologie gewechselt? Heutzutage ist makrobiotisches Essen vielleicht die neueste Mode, aber wie lange dauert das an? Alles was notwendig ist, ist jemand, dem ihr vertraut, an einem bestimmten Tag und zu einer bestimmten Zeit. Wenn euch diese Person sagt: „Eigentlich solltet ihr Eier essen, weil wenn ihr nur makrobiotische Kost zu euch nehmt, dann werden euch Haare aus den Augen wachsen oder so ähnlich.“ Über Nacht werdet ihr diese Anhaftung ändern. Das zeigt dann wiederum einen Mangel an Bodhicitta. Am Ende der Handlung, seien es Niederwerfungen oder das Reinigen einer Toilette, was auch immer, wenn ihr dieses Bodhicitta wieder habt, dann gibt’s die Widmung. Was macht das nun? Ein Mensch, der Bodhicitta wie ein Alchemist hat, bei dem wird jede Handlung mit diesem „Bodhicitta-Pulver“ besprenkelt und alles wird zum Pfad des Bodhisattva. Das ist es, was Patrul Rinpoche sagt und es ist wirklich wichtig, nicht darauf zu vergessen.


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