Massendemonstrationen in Argentinien … von Polizisten und Militärs

demo argentina 1

In Bewohner von Buenos Aires sind Demonstrationen gewohnt.  Immer mal wieder ziehen Protestgruppen durch die Stadt und verlangen Lohnerhöhungen. Doch die Demos dieser Woche waren neu und hatten eine nie gesehene Qualität.  Da gingen plötzlich Tausende von Polizisten mitten in der Innenstadt auf die Strasse und verlangten mehr Gehalt. Bisher haben sie nach eigenen Angaben ein Basisgehalt von 3.000 Pesos ( 400 Euro) und verlangen das Doppelte (7.000 Pesos).  In der Bezahlung liegt das ursächliche Problem.  Zuerst hatten die Kollegen vom Küstenschutz am vergangenen Dienstag demonstriert, danach kamen Tausende von Polizisten und 200 Unteroffiziere des Militärs dazu.

 

Das ist nicht irgendeine Protestveranstaltung, vor allem nicht in Argentinien.  Eine Sache ist es, wenn eine Menge von Gewerkschaftern ruft “El pueblo unido jamás será vencido”; eine ganz andere, wenn Tausende von Polizisten gegen die Anweisungen ihrer Vorgesetzten auf der Strasse brüllen “Las fuerzas unidas, jamás serán vencidas”. Da wird die Regierung sofort nervös und muss alles tun, um den Protestknoten zu lösen.  Die Regierung hatte Tage zuvor den Uniformierten die Extra-Zahlungen entzogen, was Einkommenseinbussen von 30% – 60% bedeutet. Nach den ersten Demonstrationen dieser Woche wurde diese Massnahme eilig “für zunächst einen Monat” ausgesetzt.  Ausserdem soll “in einer Untersuchung geklärt werden”, ob die hochrangigen Offiziere das normale uniformierte Fussvolk manipuliert haben, um die eigenen Privilegien zu behalten.

Doch auch das nützte nichts, die Demonstrationen gingen weiter.  Stunden später übergab die Verteidigungsministerin Nilda Garré den Demonstranten 20 Köpfe auf einem Silbertablett.  Sie verkündete, 20 Generäle seien soeben entlassen worden; zehn Kommandanten der Polizei und zehn derMarine. Damit sei die “Situation normalisiert” worden, versicherte sie in einer Pressekonferenz, in der Fragen nicht erlaubt waren.  Sprach´s und verschwand.  Doch die Strasse wollte sich trotzdem nicht beruhigen. Die Polizisten demonstrierten weiter vor dem Gebäude des Küstenschutzes. Dann passierte etwas für Argentinien völlig Einmaliges: 200 Unteroffiziere der Marine, alle in Zivil, versammelten sich vor dem Edificio Libertad, dem Sitz der Marine, und verlangten ebenfalls mehr Geld.

manifestacion buenos aires

Die Menschen in Argentinien kennen solche Entwicklungen und fürchteten, das Militär könne wieder die Macht im Land übernehmen. Doch die Unteroffiziere beeilten sich zu versichern, hier gehe es nicht etwa um Regierungsübernahme oder einen Staatsstreich: “Wir sind alle in Zivil, ohne Uniformen, niemand ist bewaffnet. Alle kommen ausserhalb ihrer Dienstzeit. Wir verlangen angemessene Bezahlung, das ist alles. Der Kommandeur hat uns gesagt, wir würden schwere Disziplinarstrafen riskieren, wenn wir demonstrieren. Wir könnten sogar entlassen werden. Mir ist das egal; ich bin 31 Jahre im Dienst und verdiene lächerlich wenig”, erklärte einer von ihnen stellvertretend die Situation.

In Argentinienist dem Militär jede Demonstration gesetzlich strikt untersagt. Doch den Soldaten in Zivil, die sich jetzt auf die Strasse trauen, ist das inzwischen egal: “Wir sind Teil der Gesellschaft. Es ist richtig, dass es nicht legal ist, was wir tun”, beteuert ein Unteroffizier, “aber das Gesetz sagt auch, das Militär müsse angemessen bezahlt werden, und die Regierung weigert sich schlicht, darüber zu reden.”  – Regierung und Opposition verkündeten kurz danach dann auch gemeinschaftlich ein Kommuniqué, das genau das zu bestätigen scheint.  Darin werden die Polizisten und Militärs trocken aufgefordert, sich an bestehende Gesetze zu halten (die ihnen Demonstrationen untersagen).

Die Situation ist noch weit von einer Lösung entfernt und schaukelt sich weiter auf.  Der Ursprung der ganzen Sache liegt hauptsächlich in der Inflation.  Während die Regierung die aktuelle Inflationsrate Argentiniens hartnäckig mit zehn Prozent beziffert, kommen Gewerkschaften und unabhängige Wirtschaftsorganisationen in ihren Berechnungen eher auf 25 Prozent.

 


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