Marketing-Manager des Jahres 2010: Thilo Sarazzin

Wann ziehen von Kanzlerin bis Zentralrat, von Grün bis Schwarz, von Links bis Rechts alle an einem Strang? Selten, sehr selten. Im vergangenen Jahr 2010 war dies jedoch einmal der Fall: Thilo Sarrazins Buch „Deutschland schafft sich ab“ befanden Politiker aller Couleurs als „bemerkenswert“. Während manche ihm einen Eintritt in die NPD nahelegten, oder ihn (wie Cem Ödzdemir) als „Stammesfürsten nach dem Geschmack von Bin Laden“ bezeichneten, echauffierten sich andere über die geheuchelte Aufregung und dankten Sarrazin für die Aussprache „unangenehmer Wahrheiten“. Auch die Kanzlerin als Nachlassverwalterin einer ehemaligen Volkspartei zeigte sich „not amused“.

Marketing-Manager des Jahres 2010: Thilo Sarazzin

Die Politik hat damit eine Diskussion angestoßen, bzw. folgt der weitläufigen Meinung, die Äußerungen unseres ehemals obersten Bänkers seien durchaus diskutabel. Deutlich wird das – neben den Leserkommentarspalten der einschlägigen Klatschblätter – insbesondere an den Verkaufslisten des deutschen Buchhandels. Mit über 1,2 Mio verkauften Exemplaren und nunmehr 16 Auflagen steht „Deutschland schafft sich ab“ unangefochten auf Platz eins. Das erfolgreichste Buch 2010 ist zugleich das erfolgreichste Sachbuch aller Zeiten. Der Weg zu diesem Ziel ist zugleich der Grund, warum sich Stenographique der Causa Thilo annimmt: Es ist eine beispiellose Erfolgsgeschichte ausgebuffter PR-Arbeit.

Spätestens seit Eva Herrmann ist bei den deutschen Leitmedien angekommen, dass provokante Thesen – umgarnt von seichter Distanzierung – Quote bringen. So kam es, dass die Springer-Blätter „Bild“ und „Spiegel“ vorab seitenweise Auszüge aus einem Buch druckten, von dessen Thesen sie stets inhaltlich abrückten. Mal mehr (Spiegel), mal weniger (Bild). Ein kluger Schachzug der Marketing-Experten von Sarrazins Verlag DVA: Ein halbexklusiver Vorabdruck gegen die monatewährende kostenlose und subtile Buchung der besten Werbeplätze in den reichweitenstärksten Print- und Onlinemedien der Republik.

Um einmal eine Vorstellung zu vermitteln: Eine (nur eine einzige!) Seite im Spiegel kostet im Durchschnitt… nicht 10.000, nicht 20.000 sondern 58.973 EUR (hier die aktuelle Preisliste zum Download). Der Spiegel hat davon rund 20 ausschließlich mit den vorab veröffentlichten Auszügen gefüllt – entspricht einem Mediawert von 1.179.460 EUR. klickstu Die Gegenleistung wurde dagegen ohne finanziellen Aufwand erbracht – ein Monsterdeal! Diese Kooperation und die dadurch schneeballartig angestoßene Diskussion in allen Leitmedien führte dazu, dass die erste Auflage bereits Tage vor dem offiziellen Verkaufsstart vollständig vergriffen war. Den folgenden 14 Nachdrucken erging es kaum anders.

Doch was hat der geniale Einfall Herrn Sarrazin persönlich eingebracht? Wir zücken Bleistift und Notizbuch und zählen zusammen. Bereits notiert: Kosten für Werbung im Vorfeld des Verkaufsstarts = 0 EUR. Bei DVA erhält Sarrazin ein Autorenhonorar von rund 16 %, darin sind Staffelboni bereits eingeschlossen. Dieses bezieht sich auf den Nettoverkaufspreis, der bei einem bindenden Verkaufspreis von 22,99 EUR im Buchhandel bei ca. 21,38 EUR liegt. Im Klartext bedeutet das eine Beteiligung von 3,42 EUR pro verkauften Exemplar. Bezogen auf die bereits erwähnten 1,2 Mio verkauften Bücher macht das ein Einkommen von 7.182.000 EUR – wohlgemerkt: zwischen September und Dezember 2010. Was Sarrazin innerhalb von 4 Monaten mit Schreiben schaffte, hätte ihn in seinem alten Job als Vorstandsmitglied der Bundesbank ungefähr 10 Jahre gekostet (750.000 EUR Jahreseinkommen).

Marketing-Manager des Jahres 2010: Thilo Sarazzin

Demnach gehört Thilo Sarrazin eindeutig der Preis für die effizienteste Vermarktungsstrategie 2010 verliehen. Bei den GWA-Effies ist er leider nicht bedacht worden, ebensowenig bei der Wahl der Top-Kampagnen von Horizont. Sicherlich  ein Irrtum… Abschließend bleibt festzustellen: Thilo Sarrazin hat getrickst wie kein Zweiter und zählt 2010 verdientermaßen zu den Topverdienern unter den Autoren. Diese Rechnung hat anscheinend auch Alice Schwarzer auf dem Zettel: Mit „Die große Verschleierung“ legt sie auch ihren Finger in die Wunde, die die Integrationsdebatte gerissen hat. Die Bild-Kolumnistin und Gerichtsreporterin stützt sich weniger auf Fakten sondern mehr auf ihre persönliche Wahrnehmung – auf den ersten Blick menschelt es gewaltig an der Integrationsfront. Hintergründig stellt sie aber nicht weniger als die grundsätzliche Integrierbarkeit von Moslems in Frage. Ein provozierter Skandal, durchschaubar und nach identischem Muster wie Sarrazin – ob die Verlagshäuser wieder einsteigen, bleibt abzuwarten…

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Siehe auch: heiteres muezzin-schießen – die FPÖ fischt dank sarrazin am rechten rand


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