Um wirksam zu praktizieren, müssen wir verstehen, was mit den 80.000 Arten der negativen Kräfte gemeint ist. Im Grunde ist das für Menschen im Westen kein leichtes Thema, aber es war in Tibet sehr populär und daher haben wir es im Westen eingeführt! Wenn ich von Dämonen spreche, dann schauen die Leute etwas zweifelhaft drein. Sie denken sofort: „Existieren Dämonen und Geister wirklich? Und davon soll es 80.000 Arten geben?“ Für einen Tibeter mit einem Vajrayana-Hintergrund, ist es leicht, sich auf die Vorstellung von Geistern und Dämonen einzulassen. Aber im Westen halten die Leute einen Moment inne und denken eine Zeit lang darüber nach. Der Punkt ist, dass diese Art des beständigen Nachdenkens der Dämon im Westen ist, weil wenn ihr ganz angestrengt und geschäftig denkt, dann könnt ihr die Praxis nicht machen, um die Dämonen zu vertreiben. Wie kann man also über dieses Denken hinausgelangen? Die Leute im Westen unterhalten auch den Dämon, der die unglaublichen Qualitäten und segensreichen Aktivitäten der Buddhas anzweifelt.
Der nächste Punkt ist, wie sich negative Kräfte entsprechend der zwei Ebenen der Wahrheit manifestieren. Wenn Praktizierende mit dieser Vorstellung meditieren, dass dämonische Kräfte nicht existieren, dann halten sie an einer nihilistischen Sichtweise fest. Noch schlimmer jedoch ist, dass diese nihilistische Sichtweise sie davon abhält, die Praktiken auszuführen, die die negative Kraft des Nihilismus beseitigt. Wie können sie so jemals endgültige Verwirklichung erlangen? Einfach die Existenz von Dämonen zu ignorieren, löscht sie überhaupt nicht aus, daher müssen wir eingehender untersuchen, ob Feinde und Dämonen existieren oder nicht.
Fragt euch selbst: „Gibt es mich, existiere ich?“ Wenn ihr mit „ja“ antwortet, dann existieren Feinde und Dämonen auch, wie das „Ich“ ist der König aller Dämonen. Wir müssen nicht weiter danach suchen und jede einzelne der 80.000 verschiedenen Arten finden. Der König der Dämonen, das Festhalten an eine Selbstidentität, ist genau da! Was die 80.000 Arten angeht, so bezieht sich das auf all die emotionalen und verwirrten Arten, die wir beim Festhalten an einer Selbstidentität haben. Und wenn man bedenkt, dass jeder diskursive Gedanke oder jede störenden Emotion ein Dämon ist, dann gibt es eigentlich viel mehr als die 80.000 Arten von Hindernismacher und 21.000 Arten von Dämonen! War um ist der Glaube an eine Selbstidentität dämonisch? Das ist deshalb so, weil das den falschen Glauben unterstützt, dass die phänomenale Welt außerhalb von uns ist und so das Potential der Befreiung beseitigt. Vielleicht sind die Worte „Feinde und Dämonen“ nicht die ganz richten Wörter heutzutage, aber ich glaube, dass sie ihre Wirkung zeigen, wenn wir ihre wahre Bedeutung begreifen.
Von Lama Tharchin Rinpoche