(Der Bund.ch) Der Philosoph und Religionskritiker Michael Schmidt-Salomon über Kruzifixe, die christliche Leitkultur und «Hinrichtungssymbole auf den schönen Schweizer Bergen».
Interview: Philippe Zweifel
Herr Schmidt-Salomon, wie gross ist Ihr persönlicher Leidensdruck, wenn Sie auf einem Gipfel ein Kreuz erblicken?
Überhaupt nicht gross. Trotzdem begrüsse ich die Kampagne. In einer säkularisierten Gesellschaft muss man nicht überall Kreuze hinpflanzen. Man könnte sogar einen Schritt weitergehen und fordern, dass man das Kreuz aus der Schweizer Landesfahne nimmt.
Im Ernst?
Den Vorschlag der Freidenker verstehe ich als Denkanstoss. Und um anzustossen, muss man anstössig sein. Es geht nicht um die Symbole, sondern darum, wie man das Zusammenleben in einer pluralen Gesellschaft organisiert. Auch in der Schweiz wächst ja die Gruppe der konfessionsfreien Menschen. Darauf muss man eingehen. Gewiss gibt es dringendere Probleme als Gipfelkreuze, aber an solchen symbolischen Debatten kann man vieles festmachen. Zum Beispiel, dass Schweizer Firmen Kirchensteuern bezahlen müssen – absurd!
Die Schweiz hat eine christliche Leitkultur. Sind Gipfelkreuze da nicht legitim?
Nun, auf die christliche Leitkultur berief man sich zur Zeit der Kreuzzüge und zur Zeit der Hexenverfolgungen. Ebenso während des Zweiten Weltkriegs in Deutschland, als beide christlichen Kirchen sich zu «Gott und dem Führer» bekannten. Und in den 50er-Jahren wurden Homosexuelle im Namen der christlichen Leitkultur geschmäht. Diese Zeiten sind glücklicherweise vorbei und niemand mit Verstand wünscht sie sich zurück.
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