Kürzlich schrieb ich über die Tricks, mit denen meine Mutter mich und meinen Bruder zu – ich denke – ganz akzeptablen Menschen erzogen hat, ohne, dass wir auch nur einen Schimmer hatten, dass es sich um Erziehung handelte. Ansonsten neigt man ja gerade in der Pubertät dazu, jegliche Erziehungsmaßnahme, die man als solche erkennt, zu boykottieren und mit Widersetzung zu bestrafen. Auch in anderen Altersstufen kommt dieses Phänomen vor. Meine Kinder zum Beispiel konnten noch nicht lesen, verweigerten aber jedes Spielzeug, auf dessen Packung das Prädikat „pädagogisch wertvoll“, „spielerisch lernen“, oder ähnliche Phrasen gedruckt waren.
Meine Mutter nahm den meisten meiner Eskapaden mit viel Humor, Geduld und eisbärengleichem, dickem Fell augenblicklich den Wind aus den Segeln.
Auf dem Zenit meiner Transformation vom Kind zum Erwachsenen sah mein Morgenprogramm ungefähr so aus: Haare wahlweise lila oder schwarz färben, oder wieder blondieren, bis sie karottenorange waren, Duschen, Seife in die Haare, damit man sie gut aufzutoupieren konnte, das Gesicht weiß tünchen, die Augen bis zum Anschlag schwarz, Lippen blutrot malen, sich dann in weite, schwarze, Schlabberklamotten hüllen. Kaffee, Kippe in den Mund, fertig. Ab in die Schule. Leute erschrecken.
Eines Morgens kam ich nach meiner Morgentoilette die Treppe runter und meine Mutter begrüßte mich mit den Worten: „Siehst Du heute aber wieder süß aus. Ganz niedlich.“
Ja, was soll man da als pubertierender Freak dazu sagen? Mein Tag war hinüber. Leute erschrecken machte nur noch halb so viel Spaß. Süß? Ich war doch nicht süß! Ich wahr gefährlich. Düster! Nicht niedlich.
Sie war nie geschockt. Sie war mir nie fern. Damals hat mich das zwar geärgert, aber auch immer wieder auf den Boden der Tatsachen geholt. Mir immer wieder gezeigt, dass viele Dinge gar nicht so wichtig sind, wie man immer glaubt. Es in einigen Belangen nicht wichtig ist, was andere denken. Und häufig nicht mal das, was man selber denkt.
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