Wirtschaftliche Lage
Obwohl Madagaskar reich an natürlichen Ressourcen ist und über großes wirtschaftliches Potential verfügt, ist die madagassische Bevölkerung ärmer denn je. In den letzten 50 Jahren wurde Madagaskar von einem einigermaßen wohlhabenden Land zu einer der ärmsten Nationen der Welt – mehr als 90% der Madagassen lebten 2014 unter der internationalen Armutsgrenze von 2 US Dollar pro Tag.
Seit der madagassischen Unabhängigkeit im Jahr 1960 konnte das Land sich nie einen Ruf aufbauen, politisch stabil und investorenfreundlich zu sein. Protektion, Bestechung und Mangel an Transparenz sind bis heute Kennzeichen des Wirtschaftsgebarens in Madagaskar.
Die wenigen wirtschaftlichen Aufschwung-Phasen wurden immer wieder durch politische Unruhen mit Ausschreitungen, Plünderungen und Militäreinsätzen zunichte gemacht – so auch im Jahr 2009. Für exportierende Unternehmen hatte dies einen vehementen Rückgang der Aufträge zur Folge, gleichzeitig schwand das Interesse potenzieller ausländischen Investoren und Touristen blieben aus. Die ökonomischen Auswirkungen waren gravierend und die Arbeitslosigkeit in Madagaskar stieg extrem an. Da das 2009 an die Macht geputschte Regime international nicht anerkannt wurde, wurden zu diesem Zeitpunkt auch die Geldflüsse internationaler Unterstützer ausgesetzt. Dies belastete den bis zu 30% von diesen Geberleistungen abhängigen Staatshaushalt Madagaskars enorm.
Bis heute kämpft Madagaskar mit den Folgen des Putsches von 2009. Auch wenn seit 2014 wieder ein demokratisch gewählter Präsident regiert und die internationalen Hilfsleistungen wieder aufgenommen wurden ist Madagaskar wirtschaftlich lange nicht dort, wo es schon einmal war. Ausländische Investoren fehlen weiterhin, denn bis heute sind die Voraussetzungen und die Anreize für sie schwach und unstabil. Auch die Touristenzahlen sind noch nicht wieder dort angelangt, wo sie 2008 waren.
Wirtschaftszweige in Madagaskar
Madagaskar ist ein Agrarland. Vanille, Gewürznelken, Sisal, Kakao und Fisch bzw. Garnelen sind die wichtigsten landwirtschaftlichen Exportgüter, ebenso wie einige Früchte, darunter Litschis. Madagaskar ist der weltweit größte Produzent für Vanille und bekannt für hochwertige Garnelen und seinen Pfeffer. Die in den 1990er Jahren große Kaffeeproduktion ist mit den drastisch sinkenden Weltmarktpreisen sehr zurückgegangen und spielt heute kaum mehr eine Rolle.
Bis heute findet die Verarbeitung der landwirtschaftlichen Export-Produkte in Madagaskar mit einfachen handwerklichen Mitteln oder in Handarbeit statt und ist oft wenig effiizient, so z.B. die Trocknung von Nelken und Pfeffer. Eine Agroindustrie für die Veredelung von Exportprodukten existiert kaum.
Der Anteil an reiner Subsistenz-Landwirtschaft ist in Madagaskar sehr hoch. Die allermeisten landwirtschaftlichen Betriebe sind – oft kleinflächige – Familienunternehmen. Diese müssen oft arbeitslose und unterbeschäftigte Familienmitglieder mittragen. Der Landwirtschaft-Sektor ist ein Sammelbecken für einen wesentlichen Teil der madagassischen Bevölkerung, der sich anderswo nicht produktiv betätigen kann. Hauptsächlich für den Eigenbedarf angebaut werden Grundnahrungsmittel Reis, Maniok und Mais. Madagaskar hat den größten Reisverbrauch pro Kopf auf der Welt. Da die Bevölkerung schnell wächst und die bis heute traditionellen Anbaumethoden mit dem erhöhten Bedarf nicht mitkommen, muss Reis mittlerweile auch zusätzlich importiert werden. Auch viele weitere Lebensmittel muss Madagaskar heute aufgrund der schnell wachsenden Bevölkerung importieren.
Madagaskar hat vor allem im Süden des Landes große Vorkommen an Mineralien und Bodenschätzen. Große Bergbauvorhaben zum Abbau von Titan, Nickel und Kobalt finden sich auf der Insel. Sie sind fast ausschließlich in ausländischer Hand, ebenso wie der Abbau und Handel mit Edelsteinen. Nach ersten Funden wird die Erdölsuche im Kanal von Mosambik weiter vorangetrieben. Bislang muss Madagaskar Erdöl importieren.
Wirtschaftliche Bedeutung hat auch die Textilfertigung und Kleidung aus Madagaskar.
Große Hoffnungen für die wirtschaftliche Entwicklung Madagaskars werden auf den Tourismus gesetzt. Nachdem sich die Tourismuszahlen zwischen 2002 und 2008 verdoppelt hatten, brachen sie mit der politischen Krise 2009 wieder drastisch ein. Bis 2013 kamen die Touristenzahlen nicht wieder auf den Stand von 2008.
Wichtige Handelspartner von Madagaskar
Aufgrund der Geschichte war Frankreich lange Zeit der wichtigste Handelspartner Madagaskars. Noch heute gehen etwa ein Drittel der madagassischen Exporte nach Frankreich. Ein weiteres Fünftel der Exportgüter geht in andere europäische Länder. Mit dem Afrikanischen Handelsabkommen Africa Growth and Opportunity Act (AGOA), welches förderfähigen Ländern in Subsahara-Afrika erlaubte, Waren zollfrei in die USA zu exportieren, wuchs der Handel zwischen Madagaskar und den USA in den 2000er Jahren erheblich und der Export-Anteil lag zwischenzeitlich bei etwa 35%. Mit dem Putsch im Jahr 2009 flog Madagaskar aus dem Abkommen und der Handel nach Amerika brach ein. Heute liegt der Anteil unter 10%. China wird als Wirtschaftspartner immer bedeutender für Madagaskar. Der Handel wächst beständig an und der Export-Anteil lag im Jahr 2014 bei etwa 10%.
Zum wirtschaftlichen Aufschwung Madagaskars fehlt noch sehr vieles: von Dünger und Saatgut, Ersatzteilen und Rohstoffen, über Infrastruktur und Kommunikation, bis hin zu geregelten transparenten gesetzlichen Rahmen und effizienter Verwaltung, vor allem aber auch weiterhin in- und ausländisches Kapital und Investitionen.
Gleichzeitig stehen genügend Arbeitskräfte im Land zur Verfügung. Und zwar nicht nur ungelernte Zuwanderer aus ländlichen Gebieten, sondern auch gelernte und qualifizierte, motivierte Fachkräfte. Die Bevölkerung ist jung und viele Madagassen wünschen sich nichts dringlicheres, als irgendwo eine Chance zu erhalten, um ihr Können zu zeigen und sich zu beweisen.
Dieser Beitrag wurde am 13. Februar 2015 von PRIORI_JaraBerlin in Geschichte, Politik und Wirtschaft veröffentlicht. Schlagworte: Anbau, Arbeit, Arbeitskräfte, Aufschwung, Entwicklung, Export, Güter, Handel, Handelspartner, Import, Investition, Investoren, Kapital, Korruption, Madagaskar, Reis, Rohstoffe, Wachstum, Wirtschaft, Wirtschaftliche Lage, Wirtschaftsbeziehungen, Wirtschaftspartner, Wirtschaftszweige.