Mad Max in Nordafrika

Mad Max in Nordafrika

Es ist erstaunlich, da hört man von einem alten Kumpel während Jahren nichts und plötzlich steht er jeden zweiten Tag vor der Haustür.

„Ich habe meine Goldvreneli doch verkauft“, meinte er, und ich fragte mich, wieso er schon wieder das Gespräch suchte. „Mein Bankberater hat mir ein gutes Angebot gemacht.“

„Und? Was tust du jetzt mit deinem Geld? Investierst du in Papiere?“

„Nein, ich investiere in Wertsachen. Ich kaufe mir ein neues Auto.“

„Hoffentlich ein elektrisches. Das Benzin könnte knapp werden. Und vergiss den Abschreiber nicht. Im Gegensatz zu den Goldvreneli, verliert die Karre jedes Jahr an Wert.“

„Darum will ich mir einen Diesler kaufen. Diesel gibt’s immer, den brauchen sie nämlich auch in Traktoren und Lastwagen.“ Ich verdrehte im Geist die Augen. Wie konnte man nur so naiv sein. „Aber sag mal, hast du das mit der Krise und so wirklich ernst gemeint?“ Er wirkte beunruhigt.

„Ja, unser Narrenschiff ist gerade auf Grund gelaufen. Die Mannschaft weiß nicht was sie soll und die Offiziere auf der Brücke sind daran sich zu besaufen.“

Er lachte, aber es klang nicht echt. „Weißt du, ich kauf mir ein chinesisches Auto. Die sind jetzt ganz groß im Kommen.“

„Ja, die Chinesen kommen, aber sie werden auch wieder gehen. Spätestens wenn dort der Funke der Revolution zündet.“

„Die haben das schon im Griff. Die Chinesen sind die zukünftige Weltmacht. Sie kaufen ja mit ihren Handelsüberschüssen halb Amerika auf.“

„Das ist nur eine Illusion. Sie kaufen mit Papieren Unternehmen und Anlagen, die in einem amerikanischen Bürgerkrieg sowieso untergehen werden oder ratzfatz von den Amis enteignet werden können, wenn ihnen danach ist.“

„Die USA sind nicht Libyen. Die haben das FBI, die CIA und die Nationalgarde.“

„Ja, aber die Amerikaner sind bis zu den Zähnen bewaffnet. Wenn’s dort losgeht, werfen die nicht bloß mit Steinen.“

Er schaute mich zweifelnd an und meinte dann: „Mag sein, aber wir befinden uns ja in Europa. Wir müssen uns nur gegen die Flüchtlingsströme wehren. Und irgendwann ist da auch Schluss. Spätestens wenn es in Nordafrika keine Boote mehr gibt.“

Ich hasse es, immer schwarz zu malen. Aber gegen soviel Naivität half nur Übertreibung. „Auch in Europa wird es Aufstände geben. Wenn der Hunger ins Land schleicht, wenige alles haben und die große Masse nichts mehr, dann kann es auch hier passieren, dass Polizei und Militär auf die eigenen Leute schießen.“

„Du spinnst. Das ist unmöglich.“

„Und du hast in Geschichte nicht aufgepasst. Das was Kadaffi tut, war früher auch hier die Norm. Die Schweizer, zum Beispiel, waren als Söldner in ganz Europa berüchtigt. Aber man braucht nicht soweit zurückzugehen. Etwas mehr als neunzig Jahre reichen. 1918, beim Generalstreik, hat die Armee auf die Menschen geschossen. Dabei gab es Tote.“

„Aber das war eine Revolution, von den Russen gesteuert!“

„Was denkst du, was das in Libyen ist? Eine Lebkuchenparty? Das ist nicht nur eine Revolution, das ist ein ausgewachsenes Mad Max Szenario. Der Auslöser damals in der Schweiz war übrigens Hunger und Armut. Die Arbeiterschaft hatte nichts und wurde ausgenützt, während einige Reiche in Saus und Braus lebten. Kommt dir das nicht bekannt vor?“

„Gott sei Dank geht es uns heute gut“, meinte er und seufzte erleichtert. Dann verabschiedete er sich. Er müsse an seinen Abendkurs.

„Was lernst du denn da?“, wollte ich wissen.

„Stressbewältigung. Vorbeugen gegen Burn-out. Der Kursleiter ist supercool, er kommt direkt aus Indien.“

Lasst es euch gut gehen. Ich empfehle abends ein Glas Rotwein. Euer Traumperlentaucher.



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