Ihr Lieben,
heute Abend möchte ich Euch die Geschichte eines unbekannten Autors erzählen:
„Das blinde Kind, das sehen konnte“
„Der Mann, der fremd in dieser Gegend war, blickte suchend um sich. Er lief schon seit einiger Zeit hilflos umher. Nach längeren erfolglosen Suchen entdeckte er einen Wagen, in dem auf dem Rücksitz ein kleiner Junge saß.
Er ging zu ihm und fragte: „Hallo Kleiner, kannst Du mir vielleicht sagen, wo die nächste Bäckerei in dieser Gegend ist. Mir wurde gesagt, dass sie hier in der Nähe gleich neben dem Park sein soll."
Der Junge kurbelte seine Fensterscheibe noch etwas weiter runter und sagte:
"Ich bin auch fremd hier, genauso wie Sie. Aber ich glaube, Sie müssen von hier nach rechts gehen." "Wie kommst Du denn darauf?", fragte ihn der Mann.
"Können Sie nicht die Lindenblüten riechen. Die Vögel hört man auch aus dieser Richtung zwitschern.", entgegnete ihm der Junge. Der Mann fragte verwundert: "Wieso bist Du Dir denn so sicher, dass dieser Vogelgezwitscher vom Park kommt, es könnte auch von einem einzigen Baum sein."
"Ein einziger Baum duftet nicht so intensiv. Außerdem mischt sich auch der Duft von Magnolien dazu. Wenn Sie einmal tief einatmen, können Sie auch die frischgebackenen Brote riechen."
Der Mann kniff die Augen leicht zu und machte das, was ihm der Junge sagte. Er atmete tief ein.
Erst als er ihm einen kleinen Geldschein zur Belohnung reichte, fiel ihm auf, dass der Kleine blind war.
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Seine nach dem Tageslicht sehnsüchtigen Augen versuchte er nun vor dem Mann zu verstecken und sagte: "Es ist vor drei Jahren passiert. Nach einem Unfall bin ich jetzt in der Dunkelheit gefangen. Wenn Sie wüssten, wie sehr ich das Sehen vermisse. Sie können also sehen?"Der Mann drehte sich in die Richtung, die ihm der Kleine beschrieben hatte, und meinte nur:
"Ich bin mir dessen nicht mehr sicher, ich weiß nur eins, dass Du besser siehst als ich.“
Ihr Lieben,
wenn ich eine solche Geschichte lese, dann habe ich immer Hochachtung vor Menschen wie dem kleinen Jungen, die sich nicht in ihr Schicksal ergeben und sich bejammern, sondern die sich trotzdem nicht aufgeben und eine Schwäche, eine Behinderung, unter der sie leiden, dadurch ausgleichen, dass sie die ihnen verbliebenen Möglichkeiten zu ganz besonderen Fähigkeiten ausbauen.
Jeder von uns, der ernst über sich selbst nachdenkt und ehrlich zu sich selbst ist, wird erkennen, dass jeder von uns Schwächen hat.
Das, was wir aus dieser kleinen Geschichte lernen können, ist, nicht über unsere Schwäche zu jammern, sondern diese Schwäche in eine Stärke zu verwandeln, indem wir die anderen Talente in uns zu besonderen Fähigkeiten ausbauen.
Aber etwas Zweites ist mir auch wichtig:
Wir sind oft blind für die Not unserer Mitmenschen.
Wir sind oft blind dafür, dass unsere Partnerin/unser Partner mehr Zeit von uns braucht.
Wir sind oft blind dafür, dass unsere Kinder und Enkelkinder mehr Zuwendung von uns ersehnen.
Wir sind oft blind, dass die Menschen in unserer Umgebung dankbar wären für ein gutes Wort, eine Ermutigung, ein aufmunterndes Lächeln.
An dieser Blindheit können wir arbeiten, diese Art der Blindheit müssen wir nicht hinnehmen.
Ich wünsche Euch eine gute Nacht und morgen einen Tag, wo Ihr offene Augen, offene Herzen und offene Ohren für Eure Lieben habt.
Seid herzlich aus dem abendlichen Bremen gegrüßt
Euer fröhlicher Werner
Quelle: Karin Heringshausen