Scarlett Johansson erlernt als Lucy in Luc Bessons gleichnamigen Film Gott-ähnliche Fähigkeiten – und den Umgang mit Waffen
Der französische Filmemacher Luc Besson hatte schon immer ein Faible dafür, seine Frauenfiguren nicht nur in den Mittelpunkt zu stellen, sondern sie sogleich zu Besonderheiten zu machen. Sie wurden zu Weltenretterinnen (Das fünfte Element), Visionären (Johanna von Orleans), Engeln (Angel-A), abenteuerlichen Archäologinnen (Adèle und das Geheimnis des Pharaos) oder zu ganz realen Heldenfiguren (The Lady). So abgehoben wie in Lucy hat aber selbst Besson bisher nicht gehandwerkelt.
Scarlett Johansson verwandelt sich von einer Puma-Fell tragenden Schickse (die sie bereits in Don Jon verkörperte) in ein Gott-gleiches Wesen, das die Erinnerungen aller Zeiten aufnimmt, auf einem Stuhl durch die Weltgeschichte zappt, als halte sie eine Fernbedienung der Menschheitshistorie in den Händen. Sie kann ihren Körper beliebig verformen und verfärben, sie kontrolliert alles und jeden mit steigender Nutzung ihrer Gehirnkapazität.
Scarlett Johanssons Lucy (rechts) mit Morgan Freeman (links) als Prof. Norman
Das liegt an der Droge CPH4. Ihr Freund schickt sie mit einem Koffer zu einem Übergabehandel, der schief läuft. Sie und drei weitere Männer geraten in die Hände von Drogenhändlern, die ihnen eine ganze Packung des Stoffs in den Bauch einnähen, damit sie diese von Taipeh nach Europa einschmuggeln. Doch Lucy will einfach kein Glück haben. Bevor die erneute Übergabe erfolgen kann, kassiert sie einige harte Tritte in eben jene Gegend, in der die Drogen verstaut sind. Die Packung öffnet sich und das CPH4 gerät in Lucys Blutkreislauf.
Was folgt ist halb Racheakt an dem koreanischen Mob-Boss Mr. Jang (Min-sik Choi, Oldboy), der für den Drogentransport verantwortlich ist, halb abgedrehter Gottkomplex, den Besson seiner Hauptdarstellerin anhängt. Wie immer bei Besson, funktioniert der erste Teil, bei dem er auf gutes Storytelling sowie Thriller- und Actionelemente à la Nikita oder Léon – Der Profi zurückgreift. Solange der Film in einer ansatzweise nachvollziehbaren Umgebung verharrt, bleibt der Unterhaltungswert erhalten. Man erträgt selbst das Gerede von Morgan Freemans Professor Samuel Norman, einem Spezialisten auf dem Gebiet der Hirnforschung, der dem Zuschauer allerhand hanebüchene Theorien über das wahre Leistungsvermögen des menschlichen Gehirns vermitteln soll. Ebenso wie seine Rolle hier auf die Leinwand zu bringen, hätte Freeman auch als Off-Stimme all dieses expositorische Gerede einfließen lassen können, es hätte nichts an der fehlenden Relevanz seiner Präsenz geändert.
Min-sik Choi ist der Drogenhändler Mr. Jang
Der zweite Teil entfernt sich dann allerdings enorm vom Zuschauer. Lucy sind auf einmal keine Grenzen mehr gesetzt. Ebenso wenig setzt sich Besson an dieser Stelle noch Grenzen. Es wirkt wie ein Spiel mit Möglichkeiten. Hier noch ein visueller Effekt, dort noch ein Tree of Life-Moment. Es ist Stilbruch und verwirrende Erzählung, es ist Entfremdung und überzogenes Gefasel. Morgan Freeman darf nur noch mit offenen Mund zusehen, Min-sik Choi verkommt zur Marionette eines Films, der keinen solch charismatischen Schurken verdient hat.
Wir werden mit dem wagen Gefühl entlassen, dass Lucy ein guter Film hätte sein können, wäre er nicht am Ende über die Grenzen des nachvollziehbaren Science Fiction hinausgegangen. So verkommt Luc Bessons Sci-Fi Damenpower Vehikel zum abgedrehten Effekt-Gewurschtel ohne Seele.
Lucy
89 Minuten, freigegeben ab 12 Jahren, Kinostart: 14. August 2014
im Netz: Offizielle Homepage zum Film
alle Bilder © Universal Pictures International Germany GmbH