Lower Dens: Hitzeschlacht im Berliner West Germany

Lower Dens: Hitzeschlacht im Berliner West GermanyDas „West Germany“ macht seinem Namen alle Ehre. Angesiedelt in einem Waschbetonhausblock gelangt man über ein ebensolches Treppenhaus in spartanisch eingerichtete, in einander übergehende Räume. Ein weißer Din-A-4 Zettel mit dünnen Kullilinien informiert, dass das Konzert der amerikanischen Indie-Darlinge „Lower Dens“ ausverkauft ist. Im Treppenhaus sieht es aus, wie bei einem „American Apparal Fabric Sale“.
Schon vor Beginn des Konzert herrscht daher eine solche Hitze, dass die meisten Besucher auf die geräumige Terasse flüchten. Und auch während des Konzerts, welches deutlich gitarrenlastiger ausfällt als das Album, bleibt ein kontinuierlicher Menschenaustauschstrom zwischen dem Balkon und der dichtgedrängten Menge und kochenden Hitze im Inneren. Dennoch sind die meisten Besucher nach dem Konzert klatschnass und dampfig, allen voran die Band.

Trotzdem finden sich die zufrieden-erschöpften Bandmitglieder für eine letzte Anstrengung, das Interview, am Rande der Bühne ein. Der Raum ist fast ganz leer, nur in der nähe der Bar stehen noch vereinzelte Slacker.

War das der heißeste Ort an dem ihr je gespielt habt?

Nate: (nach kurzem Überlegen) Nein. Einmal in Houston war es noch heißer. Meine Eltern, die zu dem Auftritt gekommen waren, redeten auf mich ein: Oh mein Gott, Junge. Das sind ja 400 Degrees. Wir müssen den Raum verlassen! So sehr lieben wir dich nun auch nicht. [allgemeines Gelächter]

Fühlt sich Touren in Europa und den Staten anders an?

Jana: Naja, es ist in jedem Land anders.Aber ich denke, die Menschen in Europa sind reservierter.

Vor allem in Deutschland?
Jana: Nein! Eher in Nordeuropa, Skandinavien.
Geoff: Hamburg war richtig wild[dort spielte die Band vor zwei Tagen ein Konzert Anm. d. A.]. Die Leute gingen richtig ab, schrien und sprangen herum.

Euer neues Album heißt „Nootropics“. Was kann man sich den genau unter diesem Begriff vorstellen?

Jana: „Nootropcis“ bezeichnen ganz allgemein „smart drugs“…

Warum habt ihr ausgerechnet das als Albumtitel gewählt?

Jana: Ein Hauptthema des Albums ist die Frage, wie der Mensch mit den Möglichkeiten in seinem Leben umgeht.Wir entschließen uns oft, Dinge mit unserem Leben zu tun, die sehr gegensätzlich zu unserer Natur sind. „Nootropics“ sind eine verkürzte Methapher dafür. Wenn man so will: Eine Pille um dich schlauer und eine um dich glücklicher zu machen.

Achtziger Jahre Noise Bands sind ja ebenso wie Krautrockgruppen wie Can, Neu! oder Kraftwerk eine deutlich hörbare Inspirationsquelle.

Jana: Das sind Bands, von denen wir große Fans sind. Ich persönlich wuchs mit Krautrock auf. Es sind eben Bands, die die Summe unserer verschiedenen Geschmäcker spiegeln.
Nate: Also ich bin der Schlagzeuger [ Krautrock ist vor allem für einen sehr charakteristischen, mechanischen Schlagzeugsound bekannt Anm.d. A.] Der Krautrockrythmus ist etwas, dass sich für mich ganz natürlich anfühlt.

Ich finde es ja immer sehr interessant, dass dieses Genre in den USA durchaus bekannt zu sein scheint, während es hier eher ein Kenner-Ding ist.

Jana: Das stimmt, ja. Das ist etwas, was mich selbst überrascht, wenn ich hier bin.
Nate: Die Leute kennen sie eben nicht! „Music-Nerds“ schon, aber es ist nicht wie etwa mit Led Zeppelin in England.
Jana [noch immer ungläubig]: Oh mein Gott, es ist…
Geoff: Was ist mit Can?

Music-Nerds schon, aber sonst weniger.

Jana: Was ist mit Kraftwerk? Zum Beispiel mit den ausverkauften Konzerten im MoMa! Jeder den in ich kenne war im Internet und drückte drei Stunden lang „aktualisieren“ um an Tickets dafür zu kommen.

Ja, Kraftwerk sind schon ziemlich bekannt!

Geoff: Aber weder Faust, noch Neu! oder Can…
Jana: Ich denke aber, dass das in Amerika ebenso ist. Nur das die Menschen, die das schätzen, sehr leidenschaftlich damit umgehen, es weitergeben.
Nate: Sie werden immer beliebter. Vieles entdeckten wir vor drei Jahren wieder und es war wie ein neues Leben, ein neuer Anfang.

Der Schlagzeugsound ist sehr mechanisch. Ist das eine Art Gegenstück zur Stimme, zu etwas sehr menschlichem?

Nate: Es gibt diese Spannung zwischen dem, was wir als Mensch und Technologie bezeichnen und dieser Rhythmus stelllt den Gesang heraus, ja. Das ergibt Sinn.
Jana: Für mich sind die Songs auf „Nootropcis“ eher unpersönlich, mehr wie Songs über universelle Themen. Dabei sehe ich mich als eine Art Erzähler. Das Schlagzeug ist demgegenüber etwas natürliches. Text und Gesang ist daher eher eine Art wissenschaftlicher Brocken für den Menschen, weniger etwas emotionales.

Ist es einfacher, unpersönlichere Texte auf der Bühne zu singen?

Jana: Für mich is es schwieriger, denn ich muss versuchen trotzdem jeden Abend eine persönliche Verbindung zum Publikum aufzubauen. [blickt zu Jeff, der, nachdem er seine Falafel zu Ende gegessen hat, schweigend ins Leere blickt] Ich frage mich, wie Geoff das sieht, da er die Texte normalerweise nicht schreibt, aber auf der Bühne singt.
[ Jeff guckt nachdenklich ]
William: Er denkt an die Falafel.
Geoff: [abwesend] Yeah, das war eine große Inspirationsquelle… [langsam erwachend] Ich denke, dass das ganze Konzept von technischen, reppetitiven und automatischen Dingen ein menschliches ist. Ich sehe die zweigeteilte Welt nicht als etwas, das jenseits der Realität liegt, sondern das mehr eine Art von Realität ist, die daher rührt, wie wir die Dinge betrachten. Denn wir bewegen uns in Richtung einer zweigeteilten Welt. Für mich ist der Versuch, diese etablierte Welt zu fassen gleichbedeutend damit, zu akzeptieren, dass die Dinge entweder menschlich oder technisch sind. Ich denke aber, dass Technik menschlich ist. Und umgekehrt.

Technik ist also menschlich?

Jana: Ja. Das ist sie. Viele Ideen für das Album stammen aus Gesprächen, die Jeff und ich auf Tour geführt haben, und sich um die Felder menschliche Entwicklung und Technologie drehten. Um die Frage, inwieweit diese das Leben anders gestalten oder vereinfachen. Es ist unsere Entscheidung, wie wir Technologie sehen. Sie in unser Leben einzubinden ist eine hilfreiche Variante.

Heruntergebrochen heißt das, dass wir Technologie nutzen, um unser Leben zu erleichtern, da wir faul sind?!

Jana: Hm, ja. Persönlich verurteile ich das auch nicht beziehungsweise denke schlecht über jemanden, der sein Leben mittels Technologie vereinfachen möchte. So sind wir eben. Wir sind faul. Aber wenn kümmert´s?!

Ihr habt dieses Jahr auf dem SXSW-Festival gespielt. Sind euch Bands in Erinnerung geblieben, die ihr empfehlen könnt beziehungsweise möchtet?

Jana: Light asylum sind wirklich gut und Bear in Heaven. Austra.
Und Letherette, die spielen ganz düsteren Cold Wave.
William: Das sind richtige Slacker aus Brooklyn mit denen wir mal gespielt haben.

Gerade kommen sehr viele Post-Witch-House/Cold Wave/ Was-auch-immer Bands aus Amerika. Wie etwa Laurel Halo.

Jana: Ich liebe Laurel Halo. Und mag das sehr. Außerdem schätze ich Bands, die analoge Syntheziser verwenden. Das klingt einfach voller!

Mit diesen Worten ist das Interview beendet und die Bandmitglieder teilen sich auf in eine Synthesizerfachgesprächs- und eine Essen-und-Trinken-Gruppe, da man das Abendessen nach hinten verschieben musste, nachdem die Fähre von Copenhagen drei Stunden Verspätung gehabt hatte.

Lower Dens online.

Interview und Text von: Johannes Hertwig

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