Lothar Beutin: Ein Mikrobiologe über Bioterrorismus – Beängstigend real.

Durch mein Angebot, Manuskripte in eBooks zu konvertieren, habe ich einige interessante neue Autoren kennengelernt. Um Anfängern und Wagemutigen zu zeigen, was in der heutigen Umbruchszeit alles möglich ist, möchte ich diese Autoren hier in loser Reihenfolge vorstellen.

Mit Lothar Beutin hat alles angefangen: er war der Erste, der mein Angebot der eBook-Erstellung genutzt hat. Als ich in seiner Kurzvita las: Diplom-Biologe, bakterielle Giftstoffe (Toxine) und Krankheitserreger in Lebensmitteln sowie Autor und Koautor von über 127 wissenschaftlichen Veröffentlichungen, hatte ich schon das Schlimmste befürchtet – schließlich sind wissenschaftliche Arbeiten nicht für ihren hohen Spannungs- und Unterhaltungswert bekannt. Aber schnell wird der Leser in die Geschichte gezogen. Und schnell meldet sich im Hinterkopf eine Stimme, die fragt: „Der Mann ist vom Fach – also wieviel Realität steckt da wirklich drin?“

Herr Beutin gleich die Frage: Wieviel Realität steckt in der Geschichte von Rizin? Ist die Gefahr des Bioterrorismus größer, als sie bisher in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird?

Zur Realität: Obwohl es sich bei Rizin um eine fiktive Erzählung handelt, steckt in dem Roman viel Realität. Zwar wurden vereinzelt bioterroristische Anschläge mit z.B. Rizin und Anthrax unternommen, aber eine wichtigere Rolle als Einzelkämpfer oder Desperadoorganisationen spielten dabei reguläre Staaten (Anthrax Einsatz in China vom japanischen Militär im zweiten Weltkrieg, Rizinanschlag auf den bulgarischen Dissidenten Markov vom bulgarischen Geheimdienst. Auch die Anthraxbriefe, die in den USA nach den 9/11 Anschlägen an Politiker verschickt wurden, trugen die Handschrift eines professionellen Labors und zumindest ein Beschäftigter des amerikanischen Biowaffeninstitutes in Fort Detrick, wurde in Zusammenhang mit den Anthraxanschlägen gebracht. Bevor er befragt werden konnte. hatte er Selbstmord begangen. Ein bekannter Bioterrorismus Experte soll sinngemäß gesagt haben, “ein Biologe, der die entsprechenden Techniken kennt und durchdreht und so etwas herstellt, wäre ein wahrscheinlicheres Szenario eines Bioterroristen als religiös/ideologisch motivierte Fundamentalisten, die keinen materiellen und intellektuellen Zugang zu diesen Waffen haben, dagegen aber leicht an Sprengstoff herankommen können. Die Gratwanderung der Wissenschaftler die auf dem Gebiet von Infektionserregern, und somit auch potentiellen Biowaffen forschen, wird am jüngsten Beispiel des Vogelgrippevirus (H5N1) deutlich. Ein Team aus Holland und den USA hat im Oktober 2011 das Vogelgrippevirus genetisch verändert, sodass es leichter auf Säugetiere und somit auch auf den Menschen übertragbar ist. Die Argumentation der beteiligten Wissenschaftler ist sinngemäß so “man würde etwas herstellen, was in der Natur sowieso entstehen wird/oder schon entstanden ist und man könnte an diesem veränderten Virus Abwehrstrategien (wie Impfungen) erproben, die dann, wenn wirklich so ein mutiertes Virus in der Natur entsteht, schon zur Verfügung stehen würden. Das ist meines Erachtens eine sehr diskutable Argumentation, sinngemäß eine Axt mit zwei Schneiden. Bekannte Fachzeitschriften haben sich übrigens geweigert, die genaue Strategie zur Herstellung des mutierten Vogelgrippevirus zu veröffentlichen, um potentielle Terroristen nicht mit Informationen zu versorgen. Angeblich wurden die Ergebnisse vorher aber schon auf einer Konferenz vorgestellt, womit die Möglichkeit zu Proliferation des Wissens auch in üble Hände, gegeben ist. Auch wenn solches Wissen “staatlich geheim” bleibt, heißt es nicht, dass es nicht zu üblen Zwecken missbraucht werden kann. Eine andere Sache. Zunehmend kommen auch synthetisch hergestellte Biowaffen ins Spiel. So können Virusgenome nach ihrer DNA-Sequenz, falls sie bekannt ist, nachsynthetisiert werden und als Matrize für infektiöse Viren dienen. Man braucht dafür gar keine Viren mehr sondern nur noch ein Labor, dass die geeigneten DNA Moleküle synthetisiert. Ein Beispiel für ein solches Szenario wären Pockenviren, oder die “spanische” Grippe, die Anfang der 1920ger Jahre Millionen Menschen dahinraffte. Die erforderlichen Laborkapazitäten zur Herstellung solcher und anderer Biowaffen sind sicherlich in jedem Staat auf der Welt vorhanden. Nach soviel Schwarzmalerei auch etwas positives. Selbst verbrecherische Regierungen setzten solche Waffen nicht ohne Weiteres ein. Wahrscheinlich, weil die enorme Gegenrepressalien befürchten müssten (Deutschland tat das im 2.Weltkrieg nicht und Japan setzte Biowaffen nicht gegen gegnerisches Militär ein). Allerdings sollte man sich darauf auch nicht 100%tig verlassen.
Zur Gefahr von Biowaffen: ich halte Laborunfälle, ungewollte Konstruktion gefährlicher Erreger verbunden mit einer zu starken Profilierungssucht von Forschern, mit dem Resultat einer (ungewollter) Freisetzung von potentiellen “Biowaffen” zur Zeit jedenfalls für gefährlicher als politisch/fundamentalistisch motivierte Anschläge mit solchen Waffen. Am wenigsten weiß man natürlich was in militärisch ausgerichteten Forschungseinrichtungen in aller Welt geplant ist und dort bereits vor sich geht.

Kann man sich als Wissenschaftler in deutschen Forschungsinstituten relativ sicher der Forschung widmen? Oder sollten junge Doktoranden schon sehr genau überlegen, was sie veröffentlichen – besonders im Hinblick darauf, wie ihre Ergebnisse ge- oder missbraucht werden könnten?

Als Wissenschaftler ist man im seltenen Fall wirklich unabhängig in seiner Forschung und in seinen Forschungszielen. Fast alle Wissenschaftler sind abhängig Beschäftigte, deren Arbeit vom Zufluss von Geld, Personal und Laboreinrichtungen bedingt ist. Die Forschungsziele sind dabei verschieden. In der industriellen Forschung zählt in erster Linie ein Produkt, sei es ein Pharmakon, oder ein Bedarfsgegenstand. Die Übersicht über die möglichen Folgen einer Produktentwicklung ist keinesfalls immer gegeben. Beispiel Contergan, oder Unfälle bei der Umstellung der Produktion von Pharmaka-Produkten von konventioneller Technik zu gentechnisch veränderten Organismen. In der Grundlagenforschung (Max Planck Institute, Universitäten) geht man immer das “Risiko” ein, dass man eigentlich vorher nicht weiß, was am Ende herauskommt. Das ist auch das Spannende an der Grundlagenforschung und sicherlich ein im Menschen liegendes Bedürfnis (Neugier). Gegen missbräuchliche Verwendung eigener, publizierter Ergebnisse ist niemand richtig geschützt. So können grundlegende Entdeckungen wie die Restriktionsenzyme (Enzyme die die DNA an spezifischen Stellen schneiden) dazu benutzt werden, um in gentechnischen Experimenten mögliche Biowaffen herzustellen. Oft ist es auch die Summe vieler Veröffentlichungen über viele Jahre, die am Ende zusammengefasst zu Entdeckungen/Entwicklungen führen kann, die niemand vorher voraussehen konnte und die auch schädlich sein können. Die Alternative wäre, überhaupt nicht zu publizieren. Aber Vorsicht. Firmen und Militärinstitute publizieren ihre Ergebnisse auch nicht und trotzdem können die Forschungen, die dort ablaufen, sehr gefährlich oder fragwürdig sein. Meines Erachtens nach gibt es keine Alternative zu dem relativ demokratischen System der Wissensvermehrung durch Publikation, die im Prinzip für alle verfügbar ist. Viele Zeitschriften haben inzwischen auch ethische Standards und lehnen Publikationen, deren Inhalt die Entwicklung von Biowaffen fördern könnte, ab.
Als Doktorand ist man oft neu in dem System und einem fehlt der Überblick am Anfang, was das Projekt beinhaltet. Der Doktorand sucht sich oft eine möglichst renommierte Gruppe oder Institut und hofft durch ein paar Publikationen gemeinsam mit den jeweiligen Cracks in seiner eigenen Karriere befördert zu werden. Das ist legitim, kann (und wird) aber natürlich auch ausgenutzt werden. Dagegen hilft nur eins Wachsam sein und über den Tellerrand der eigenen Experimente schauen. :-)

Schreiben ist keine leichte Sache – erst recht nicht, wenn es ein 600-Seiten Roman wird. Wie integrieren Sie das Schreiben in ihren Alltag?

Am Anfang wusste ich nicht, dass Rizin so lang wird. Für die ersten 50 Seiten, die ich immer wieder und wieder umgeschrieben hatte, brauchte ich viele Monate. Für mich war und ist das Schreiben unter anderem auch eine Art Therapie, um Erfahrungen aus der Arbeitswelt zu verarbeiten. Der Durchbruch zu dem eigentlichen Roman Rizin kam mir auf 2-3 wöchigen Wanderungen, unter anderem auf dem Jakobsweg, die mich sehr inspiriert haben. Wenn man mehrere Stunden wandert und über die Handlung und die Personen nachdenkt, bekommen sie und die Protagonisten tatsächliches Leben und das ist eine tolle Erfahrung. Allerdings bin ich kein Fantasy Schriftsteller, die Orte, die ich beschrieben habe kenne ich, und viele Situationen haben Bezug zum wirklichen Leben. Aber natürlich ist die Handlung dennoch erfunden und hat keinen Bezug zu real existierenden Personen. Da ich gerne kreativ bin, habe ich den konsumierenden Teil meiner Freizeitgestaltung reduziert und die freie Zeit zum Schreiben benutzt. An Arbeitstagen läuft da nicht so viel, aber an Wochenenden und in Ferienzeiten dafür mehr. Inzwischen ist das Schreiben Teil meines Selbst geworden, ich möchte es nicht mehr missen und schreibe jetzt an meinem zweiten Roman, ebenfalls einen Wissenschaftskrimi.

Homepage von Lothar Beutin: http://www.lotharbeutin.gmxhome.de/


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